Produkt der Laune eines Schöpfers oder Zentrum von Raum und Zeit

Produkt der Laune eines Schöpfers oder Zentrum von Raum und Zeit; oder auch:
Die Existenz bedarf der Subsistenz

Diesen (siehe Link in der Überschrift, bzw. untenstehenden Link zur FAZ) wirklich interessanten Beitrag von Sybille Anderl kann man leider auf der FAZ-Seite nicht mehr kommentieren. Bedauerlich auch, da Frau Anderl, wie so oft von gewissen Lesern der FAZ, nicht gerade sehr emphatisch, um nicht zu sagen: recht ignorant-schäbig, behandelt wird, und sie eine bessere Leserkritik verdient hätte.

Es passt jener konservativen Leserklientel der FAZ nicht, wenn die von ihnen für sich in Anspruch genommene positive (empirische) Wissenschaft an die Leine einer philosophischen Kritik gelegt werden soll, und schon gar nicht, wenn von einer Frau, deren Klugheit nicht zu ihrer Jugend – und ihrem Geschlecht – passen soll. Und dies obwohl diese junge Frau sich abmüht, ihre Redaktion wie diese Klientel nicht zu sehr zu verschrecken, wo sie nämlich ihr Essay mit „ein wenig Geleitschutz von Philosophen und anderen ‘Überblicksbewahrern‘ mag da nicht schaden“, versöhnend schließt.
Schon klarer die Aussage des Leiters des Instituts Markus Gabriel, der es eigentlich nur kritisch anzumerken gilt, dass „der Mensch“, die hier nicht ganz passende wissenschaftliche Kategorie ist: „Es wird um die Rolle des Geistes im Universum, die Stellung des Menschen im Gefüge des Kosmos, die Reichweite der Erkenntnis und die Grenzen naturwissenschaftlichen Wissens gehen.“

Eine Frage, mit der ich mich beschäftige, seit ich mich überhaupt philosophisch mit dieser Welt beschäftige, also seit mehr als 40 Jahren, und dezidiert, seit dem ich mich mit einem befreundeten Kernphysiker genau darüber gestritten habe, nämlich worin eben die Rolle des Geistes liegt. Und das in etwa vor 10 Jahren.

Es ist die Frage, die ich allerdings in einen anderen Kontext gestellt sehe, nämlich in den des Subjekts, des sozialen wie ökonomisch-politischen. Es geht nicht um die Stellung des Menschen im evolutionär-anthropologischen Sinne, sondern um jenes Wesen, das nunmehr aus seiner Rolle des Beobachters (eines „Geschöpfs“ wie „Schöpfers“) schlüpft um sich zum Créateur dessen zu mausern, was es bislang nur zu beobachten wagte. Dies geschieht noch vor dem Hintergrund, bzw. auf der Grundlage jener ökonomischen Gesellschaft (Karl Marx), die da noch so unbefangen, wie recht eigentlich sehr gefangen, nämlich im „Reich der Notwendigkeit“ (Karl Marx) rumwuselt, doch ob all ihrer gelegentlichen Hybris die Freiheit immer noch mehr zu fürchten scheint als die sprichwörtliche „Polizei erlaubt“, doch aber die Wissenschaft ihr abverlangt.

Gefangen und befangen innerhalb der Dichotomie zwischen dem Objekt- und dem Subjekt-sein, resp. als Personifizierung des Subjekts, welches das Objekt (worin es ja selber eingeschlossen ist) zu verstehen sucht, bleibt unser Horizont innerhalb jener Grenzen, die uns auch daran hindern die ökonomische Gesellschaft zu überwinden – die Klassengesellschaft. Und darin verbleibt die Wissenschaft innerhalb des Interessenzirkels eben gewisser Klassen.

Nicht nur, dass die Fragen an die Wissenschaft von deren ökonomischen Interessen ausgehend gestellt werden, sie werden all zu oft, ob dieser Interessen, zu schnell „beantwortet“. Abgekürzt und umgeleitet – für den schnellen Profit. Dadurch entfernt sich die Wissenschaft immer mehr von der anzustrebenden Verbindung der Theorie mit der gesellschaftlichen Praxis exakt jener „Menschen“, die außerhalb des Interessenkreises dieser ökonomischen Gesellschaft liegen, bzw. nur als Objekt der Ausbeutung interessant sind. „Die Menschen“, mal abgesehen, dass das ein untaugliches Abstraktum ist, sind in der bürgerlichen Wissenschaft nur gewisse Ansammlungen von Subjekten. Sie erkennen nicht das „Subjekt“ als das Ensemble einer Gesellschaft, welches immer mehr ist als die Summe seiner Teile. Eigentlich der Wahrheit immer sehr nahe, sehen Sie diese nicht, sprichwörtlich im dem Sinne, wie den Wald vor lauter Bäumen. Ihre Feindschaft der Philosophie gegenüber ist in Wahrheit der Dialektik geschuldet, der sie ständig nur mit dem Rücken begegnen. Immer wieder über diese fallend. Was man fürchtet, hasst man. Ihr geradezu systemischer Agnostizismus lässt sie nicht erkennen, dass diese Welt nicht nur als „gedoppelte“ existiert, sondern, dass sie in dieser Eigenschaft zugleich die eine Welt ist. Als Einheit in ihrer Gegensätzlichkeit.

Doch, dass das Objekt durch das Subjekt „hindurch“ (ein von mir gern benutztes Bild, H.B.) geht, bedeutet eben nicht, dass das Subjekt das Objekt schafft, jedenfalls nicht in dem Sinne, wie Kreationisten oder Konstruktivisten sich das vorstellen, also kraft eines außersinnlichen Geistes, oder eben eines sich seiner Sinnenkraft nicht bewussten Wesens, sondern, einfach nur, dass das Objekt ohne dieses Subjekt a) nicht vollständig ist, b) im gewissen Sinne erst gar nicht „existiert“.

Die Existenz bedarf der Subsistenz, so wie die Endlichkeit der Unendlichkeit und vice versa. Ich stelle mir dies quasi als permanente Wiedergeburt vor, und zwar in etwa so, wie jenes Universum, das letztlich immer wieder durch so etwas wie ein schwarzes Loch „hindurch“ muss, um sich als unendlicher Raum und unbegrenzte Zeit, als „Multiversum“ zu erhalten. Der menschliche Geist ist in diesem Sinne sokratische „Hebamme“ wie der Durchgang des „Neugeborenen“ zugleich, wie schließlich das Neugeborene selbst.

Um mehr zu sein als physikalische Entität, muss es sich als eine soziale Dimension wiedererschaffen. In diesem Sinne ist das Subjekt gewissermaßen das Zentrum dessen, worum sich scheinbar alles dreht: der unermessliche nämlich unendliche Raum, ja ohne dessen es diese „Unermesslichkeit“ gar nicht gibt. Die Unendlichkeit befindet sich dort, wo sie am wenigstens vorstellbar scheint – im menschlichen Geist. Dort befindet sich nicht nur der Zwischendurchgang zum unendlichen Raum und dessen Zeit, sondern auch unser blinder Fleck. Erst wenn sich das „Objekt“ dort wiedererkennt, löst es sich vom Reich der Notwendigkeit, macht in diesem Moment den „Menschen“ zum letzten „Zweck“ seiner ansonsten so Ziel- wie Zwecklosigkeit. Überwindet dort gar den Pfeil der Zeit – die Entropiezunahme.

Doch dies geschieht nicht mehr im Rahmen der ökonomischen Gesellschaft durch eine bürgerliche Wissenschaft, nicht mehr abhängig von den Profitinteressen einer Eigentümerklasse. Und auch nicht mehr im Hirn eines Subjekts. Es zeigt sich darin die ganze Dimension der Krise der bürgerlichen Wissenschaft, nämlich, dass sie sich gnadenlos dort so lange entgrenzt, bis sie schließlich scheitert, und mit ihr das Subjekt schlechthin.

Dieses Scheitern ist die Voraussetzung dafür, dass das bis dato in Klassen geteilte Subjekt sich seiner entmenschlichten „Untermenschlichkeit“ entledigt und endlich wahrhaft vermenschlicht ins Zentrum von Raum und Zeit wandert. Also dort, wo es sich bis dato nur als Laune eines Schöpfers wähnt.

faz.net/aktuell/wissen/forschung-politik-1/interdisziplinaere-reflexion-gemeinsam-die-welt-verstehen

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