Philosophus Mansisses

Geschichtliches in aller Kürze

Als Gerold Wallner Anfang 2006 in Exit ! 3 „Die Leute der Geschichte“ veröffentlichte, hat er sich die Ehre zu Teil werden lassen, das Ende des Krisis-Exit!- Projekts einzuläuten, auch wenn das ihm, sowenig wie all den anderen mit Sicherheit nicht klar gewesen sein dürfte. Aber ein Blick in die Exit!-Homepage macht deutlich, dass eigentlich nur noch Robert Kurz und Roswitha Scholz für deren Aktualität sorgen, auch wenn die Liste der AutorInnen immer größer zu werden scheint.

Wallners großspurige Selbstzuschreibung als „Schon-nicht-Mehr- Marxist“, hat sich damit definitiv als antimarxistischer Entwurf heraus gestellt und hierdurch die ganze Wertkritik/Wertabspaltung desavouiert. In „Die Leute der Geschichte“ verhöhnt Wallner den marxschen „Klassenkampf“ als „linke Folklore“, womit er zusammen mit den „Differenzen“ einer Roswitha Scholz die (vor-)bürgerliche Scholastik in die Dialektik einzuschmuggeln gedenkt. Von April bis August 2006 arbeitete ich dann an der Kritik einer Polemik, die Wallner gegen einen Beitrag in der Zeitschrift „grundrisse“, zwecks Verteidigung seiner „Leute“ losgetreten hatte („Si Tacuisses!“). Mein Versuch dann Anfang August 2006 mein „Pamphlet zur Verteidigung des Kommunismus gegen den Nihilismus“ (so untertitelte ich meine Kritik) in eben dieser Zeitschrift „grundrisse“ unterzubringen, scheiterte dann aber vermutlich an der Freundschaft zwischen Karl Reitter und Gerold Wallner, die wohl stärker ist als deren vorgeblichen theoretisch-ideologischen Differenzen. Mein Werk wurde abgelehnt, mit der scheinheiligen Begründung, dass man sich da nicht einmischen wolle. Am 09.08.2006 erschien dann in der Exit!-Homepage der erste Teil von „Geschichte als Aporie“, Teil 1ff. und überraschte damit die Öffentlichkeit mit der Neuigkeit, dass Wallner, Ullrich u.a. die Exit! -Redaktion verlassen haben und sich somit einer internen Auseinandersetzung entzogen hätten.

Zu dieser Zeit lag der „grundrisse“- Redaktion aber meine Kritik schon vor. Meine Kritik richtet sich im Kern gegen den Rückgriff auf den Nihilismus eines Nietzsche, und wie staune ich nun, wie dann im Teil 3 von „Geschichte als Aporie“ (auch der Vorwurf der Verwicklung pseudomarxistischer Kritik in den Aporien des Kapitals, könnte von mir sein), folgendes und damit „vorläufig Abschließendes“ gegen Wallner, zu lesen steht:

„Hinter dem impliziten Rückgriff auf den Historismus im Verein mit einer Adaption der postmodernen Differenz- und Kontingenz-Metaphysik lauert eine schleichende Nietzscheanisierung und Verheideggerung der Wert-Abspaltungskritik.“

Wie wunderbar, Exit! greift Wallner in einer genialen Vorwärtsverteidigung genau dort an, wo die Kritik dem ganzen Wertabspaltungskonstrukt wirklich gefährlich werden könnte, ohne dabei auch nur eine einzige Position selbstkritisch zu durchleuchten. Meine Kritik hat da wohl ins Schwarze getroffen, da sie aber der Exit!-Redaktion nicht offiziell vorliegt, ist es nun umso bequemer die Stichworte indirekt (und manchmal sehr direkt) aufzugreifen und scheinbar gegen Wallner (aber eigentlich gegen den anonymen Stichwortgeber) auszuschlachten. Damit wird einer Kritik an Exit!, sollte sie mal öffentlich gemacht worden sein (so wie jetzt), vorgearbeitet und sich zugleich von Wallners „Überspitzung“ distanziert.

Die Fetischverhältnisse sind es aber, die Wallners „Leute“ inspiriert haben, in die „Geschichte“ einzutreten, und genau die sind es, mit denen sich meine Kritik an Wallner eigentlich auseinandersetzt. Das ist natürlich auch der Exit!-Redaktion klar, also verteidigt man in einem Aufwasch die Geschichte von Fetischverhältnissen gegen die „Geschichte von Klassenkämpfen“ (Marx). Wallners „Überspitzung“ war aber kein Ausrutscher, sondern die definitive Konsequenz einer Richtung, die die Evidenz des Klassenkampfes als Motor der Geschichte leugnet und statt dessen in typisch reformistischer Manier über die „sozialen Kämpfe“ orakelt. Mit scholastischen Tricks wird das „revolutionäre Subjekt“ durch „Subjektkritik“ als solches abgeschafft und die revolutionäre Veränderung der Gesellschaft als „ontologischen Bruch“ ( R.K.) verharmlost. Die marxsche Dialektik wird verballhornt durch einen „doppelten Marx“, dessen „automatisches Subjekt“ aus dem Kapital gegen das „Revolutionäre Klassensubjekt“ ausgespielt wird. Wer solches unternimmt, der betreibt eben jene „Nietzscheanisierung und Verheideggerung“, die aber recht eigentlich doch nur ganz gewöhnlicher Reformismus ist! Und es liegt in der Logik der Gefahr einer solchen Alibikritik an Wallner, dass man mit „Teil 3“, am 24.05.2007 diese „vorläufig“ beendet. Da Robert Kurz und Rest-Exit! sich mit Wallner weiterhin dahingehend einig sein werden, dass die Fetischverhältnisse und nicht die Klassenkämpfe alle bisherige Geschichte ausmachen, könnte eine solche Kritik für die eigenen Reihen nicht ungefährlich werden. Wie weit die Konfusion dort schon fortgeschritten ist, zeigt auch das „Dialog“ zwischen Claus Peter Ortlieb und Jörg Ulrich über die „metaphysischen Abgründe der modernen Naturwissenschaft“ (Exit!4, 2007). Jörg Ulrich hat mittlerweile Exit! zusammen mit Wallner und Petra Haarmann verlassen. Die „Differenzen“, die zu dieser Spaltung führten, bewegen sich aber allesamt – und das zeigt dieses „Gespräch“ ganz deutlich – innerhalb desselben idealistischen, also metaphysischen Konzepts. Es kommt keinem der Kontrahenten in den Sinn, dass die Paradoxien, über die sie da nicht hinweg zu kommen vermögen, der Ignoranz der Rolle der revolutionären Praxis geschuldet sind, der Praxis also, die unmittelbar mit der Herausbildung des revolutionären Subjekts einhergeht, eines Subjekts, das ihnen völlig fremd ist. Wer zwischen Materialismus und Idealismus schwankt, der landet beim Agnostizismus und Empirokritizismus, wie schon Lenin in seiner Kritik am „Machismus“ in seinem Werk „Materialismus und Empiriokritizismus“ (Lenin Werke, Bd. 14, Dietz Verlag) so genial herausgearbeitet hat. Gerade in der gegenwärtigen Epoche, die auch die Krise der bürgerlichen Wissenschaft so kennzeichnet, wird Lenins Kritik wieder hochaktuell. Es würde mich nicht sonderlich wundern, wenn solche Kontrahenten bald wieder „vereint kämpften“, aber vielleicht „getrennt“ marschierten.

Die scheinheilige Kritik durch Rest-Exit! an Wallner macht daher meinen „Philosophus Mansisses“ keineswegs überflüssig, denn auch gegen die Exit!-Restredaktion darf ich, und da mal mit Wallner sprechend, vorbringen: „Si tacuisses“. Denn hättet Ihr nur geschwiegen, dann …wäret Ihr wenigsten eurer Ehre nicht verlustig. Was soll man mit Leuten machen, die sich nicht scheuen, hinterrücks eine ihnen nicht zugegangene Kritik auszuschlachten. Wäre es wirklich zuviel erwartet, von diesen Leuten, wenn sie zugäben, dass sie halt in den Besitz dieser Kritik gelangt sind und sich nun damit auseinander setzen möchten? In der Tat: das wäre – wenigstens in diesem Punkt – dann Noch-Marxismus.

Herold Binsack, Oberursel, 12. Januar 2008

Nachbemerkung zu Philosophus Mansisses, Gedanken, Thesen Reflexionen, anhand des Studiums der Texte Slavoj Žižeks, u. A.:

Als ich das Pamphlet gegen die Wertabspaltungs(wert)kritik veröffentlichte, sah ich in philosophischer Hinsicht noch kein Licht am Ende des Tunnels. Gerade so, als wollte mich der Nihilismus selber befallen. Zufällig bin ich nun auf einen Verbündeten im Geiste gestoßen – dafür halte ich ihn zumindest. Es ist eine Entdeckung, die mich ganz sicherlich dazu anregen wird, mein philosophisches Weltbild noch mal zu überprüfen. Wo das endet, weiß ich nicht.

Ich war nie ein Freund des Strukturalismus und werde es vermutlich auch nicht werden. Aber hier ist mir einer begegnet, der so recht gar keiner mehr ist. Nietzsche mag er auch nicht, und doch kommt er nicht umhin, ihn in mancher Hinsicht zu bestätigen, z.B. wenn er auf dessen „passiven Nihilismus“ referiert, den er als „ein dummes, selbstzufriedenes Leben ohne große Leidenschaften“ heute wieder erkennt 1), der ihn, und eben auch mich dazu veranlasst hat, für einen neuen „Subjektivismus“ ohne dieses ismus zu streiten. Schon in meinem Philosophus ist es angelegt, die Theorie als Hebel für dieses Subjekt anzusehen. Ohne revolutionäre Theorie kein revolutionäres Subjekt, das war meine dort abschließende These.

Ich sehe mich darin bestätigt, übertroffen gar, nämlich in der Differenzierung des Nihilismus’ in Nietzsches „aktiven“ und „passiven“ Nihilismus, was besonders im Hinblick auf die Beurteilung der Lage der gegenwärtigen Linken zu beachten wäre, eine jene, die größtenteils eben dem passiven Nihilismus verfallen ist, aber auch in Bezug auf meine (kritische) Visionen gegenüber den Ambitionen der Biotechnologie, wo ich eben auch schon heraus gestellt hatte, wie der Nihilismus von dieser auf tragische Weise adaptiert. Das ausbeutend, was das Subjekt in seinem Selbstzweifel so schon angelegt hatte.

Es ist nicht übertrieben zu sagen: ich fühle mich aufgehoben und aufgerufen, wenn ich da lese, was dieser mir bis dato völlig unbekannte slowenische Philosoph und Psychologe in dem Interview zu dem genannten Buch „Der Krieg und das fehlende ontologische Zentrum“ sagt. „Ich bin versucht zu sagen, wir müssen zum Subjekt zurück.“ 2)

Wenn es nicht in absehbarer Zeit mehr zu einem revolutionären Subjekt hinreicht (und es sieht sehr danach aus, dass es dies nicht tut, wie ich das in nicht wenigen Leserkommentaren an die FAZ und Die Zeit immer wieder betont habe), dann wird uns die Biotechnologie ein „Subjekt“ zuweisen, wo Begriffe wie Individualität, Menschlichkeit oder gar revolutionäres Potential, völlig obsolet sein werden. Das neue, dann solchermaßen „v o l l automatische Subjekt“, jene Mensch-Maschine (die nun ihrer Weiterentwicklung zum Maschinen-Mensch harrt) nämlich, die da permanent zwischen Objekt- und Subjektsein hin und her wandelt, wird einen völlig neuen Begriff von „Multiplen Identitäten“ vermitteln.

Die revolutionäre Potenz, die es im Subjekt noch solange gibt (und ich glaube, dass sie im Moment sogar noch anwächst), wie es die Option auf Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung – ob der Aktion eben dieses Subjekts – noch gibt, wäre dann tatsächlich erloschen; und damit wäre auch jeder Sinn auf eine weitere Geschichte erledigt. Hier wäre dann das definitive Ende der Geschichte, allerdings nicht im marxschen gewünschten Sinne, als Bedingung der Befreiung des Subjekts nämlich, sondern als Ausdruck dessen Barbarisierung erreicht. Dann wäre der Blick auf eine solche Geschichte „Folklore“.

Es wäre der Königsweg des Kapitals aus seiner Krise. Das Kapital weiß, dass die einzige Schranke auf dem Weg seiner weiteren Entwicklung, die Kampfbereitschaft des Klassengegners ist. Entsprechend sind die Bemühungen diese Kampfbereitschaft, ja den Klassengegner selbst, zu eliminieren.

Aber wer schafft dann den Mehrwert; wie kann dann noch Profit erwirtschaftet werden, wo es doch nur in der Arbeitskraft dieses Proletariers liegt, einen höheren Wert zu erwirtschaften als er selber darstellt? Die Auflösung der Klassengesellschaft kann und darf nicht das Ziel der kapitalistischen Klasse sein, noch weniger die Überwindung der Produktion für den Markt; und doch geht auch das Kapital genau diesen Weg. In dieser Hinsicht scheint es eine Ontologie zu geben, eine, die in der Logik der Entwicklung selber zu suchen wäre. Doch das Kapital sucht dabei die Ausbeutung zu verewigen.

Vergewissern wir uns:
Fixes Kapital schafft keinen Mehrwert, es ist gewissermaßen unfruchtbar. Virtuelles ebenso wenig, es unterstützt nur das variable Kapital – den Arbeiter – intensiver auszubeuten, indem es gar das fixe Kapital verflüssigt, es gewissermaßen virtualisiert, es derart extrem mobilisiert (überschuldet), dass die Profitmaximierung eine ganz andere wird. Nicht mehr die Mehrwertproduktion im unmittelbaren Sinne, sondern die im mittelbaren ist Basis für Maximalprofite. Kapital wie Arbeit werden zu diesem Zweck auf die Zukunft ausgerichtet, auf zukünftig mögliche Profite.

Durch die Umdeutung jener Menschen, die in der Produktion überflüssig geworden sind, in eine Genpoolmasse für neue lupenreine Menschlein, werden nicht nur Kosten gespart, sondern diese Menschlein (endlich) auch einer sinnvollen Bestimmung zugeführt, denn die Alternative wäre die physische Vernichtung des überflüssigen Menschenmaterials. Doch solange dieses Material Gewinn verspricht, scheut das Kapital diese Alternative. Der Mensch selbst, dessen Hirn- wie Körpermassen, aber vor allem dessen Genmaterial, sind zukünftig der wertvollste Rohstoff.

Die Arbeitskraft, die dafür aufgewendet wird, ist gegenwärtig noch in intellektuelles Kapital reinvestiert, wird aber im Zuge der nächsten technologischen Revolution, in der neuen Mensch-Maschine akkumuliert sein. Diese Maschine wird die Trennung zwischen geistiger und körperlicher Arbeit aufgehoben haben, und damit auch die bisherige Form der Ausbeutung. Mehrwert aus der Mensch-Maschine/dem Maschinen-Mensch rekurriert somit auf aufgesparte Arbeitskraft. Das Kapital muss sich soviel wie möglich an „Wissen“ aneignen und in geeigneten Formen speichern, um es dann in ferner Zukunft gewinnträchtig auszubeuten zu können. Ein bisschen hat das Ganze was mit einer Bienengesellschaft zu tun. Die menschliche Arbeit (nicht das Produkt der Arbeit) ist da der Honig in den Waben. Das Hirn ist demnach die wichtigste Ausbeutungsquelle für die Zukunft. Ein Hirn aber, das an die Maschine gekettet sein wird. Der Arbeiter von heute ist damit recht eigentlich nicht mehr als Arbeiter von Interesse, sondern als potentieller Genpool für ein zukünftiges Hirn, gleiches gilt für den geistigen „Arbeiter“, den Techniker, den Wissenschaftler.

Im Zuge dessen, wird ein Nicht-mehr-Subjekt generiert, das dann vergessen haben wird, dass es ein solches (mal gewesen) ist – ein Subjekt -, denn: ist es doch eigentlich Objekt. Es wird arbeiten wie eine Maschine, ja besser als eine solche, da es kognitiv bleibt wie ein Mensch, ein Subjekt in Ansätzen noch, gesellschaftlich kompatibel, intersubjektiv agierend, nach außen aber steril; gentechnisch betrachtet transsubjektiv, Teil der Maschine und somit transgenetisch extrem mobil.

Es kann auf niedrigstem Niveau komfortabel existieren. Das senkt die Produktionskosten und löst viele andere Probleme.

Mensch-Maschine/Maschinen-Mensch: fixes und variables Kapital in Einem, Arbeiter wie Intellektueller zugleich, geistig hoch gerüstet und doch dumm wie der sprichwörtliche Strohsack – unfruchtbar und doch fruchtbar, Profit maximierend, insofern gespeicherte Arbeitskraft mit ihr zur Verfügung steht. Ja, es bleibt sogar Subjekt insofern es Marktkunde bleiben könnte, nämlich wenn dieses halb-Mensch-, halb Maschinen-Ding, noch wie ein menschliches Wesen konsumiert, was dann auch immer. Es bleibt die Ausbeutung des Subjekts, ja dies auf höherer Stufe gar; ein weiterer Markt wird erschlossen; der Wert wird weiter verwertet, Mehrwert realisiert; Kapital kann weiter angehäuft werden, und Marx wäre überlistet, denn: sage dann doch einer, dass fixes Kapital keinen Mehrwert schüfe! Soweit die vermutlich noch nicht ganz klaren Gedanken der Bourgeoisie, bzw. ihrer Wissenschaftler, oder wenigstens des Teils, der in solchen Projekten involviert ist.

Für das Kapital bleibt es die einzige Option – bei Strafe des Untergangs. Also müssen wir uns nicht nur theoretisch, sondern viel mehr praktisch 3) damit auseinandersetzen. Die arbeitende Klasse, ja das ganze Volk, muss damit konfrontiert werden.

Die, die von einer objektiven inneren Schranke reden, wie Robert Kurz und seine Mannen, sehen für diese Fragestellung vermutlich keinen Bedarf, denn für sie ist das Subjekt ehe schon nur ein „automatisches“, was macht da der kleine Unterschied zum vollautomatischen? Was diese Gesellschaft dann aber ist, die sich da fortbewegt, wie ein toter Selbstläufer („dead-man-walking“), als gescheiterter Nicht-Mehr-Kapitalismus, welcher an seinen „inneren Schranken“ verglüht ist, zum Neutronenstern quasi, scheint nicht weiter hinterfragt zu werden.

Aber die, die da weiterhin von einer ontologischen Bedeutung des Subjekts sprechen, müssen sich noch mehr Gedanken machen. Denn nicht die objektive Welt, die es so ehe nicht gibt, enthält ein ontologisches Zentrum (in diesem Sinne stimmt die Kritik der Ontologie durch Robert Kurz), sondern die Welt der Geschichte, die Welt des Bezugs des Subjekts zur Objektivität. Zizek würde diese Welt als „Lücke“ bezeichnen, als blinden Fleck in der Wahrnehmung. Menschsein oder Nicht-Mehr-Sein, das ist nicht nur die Frage, die den denkenden Menschen seit Urzeiten bewegt, wenigsten aber die letzten 150 Jahre, sondern vielmehr die Achse, die dieses ontologische Zentrum trägt, als „Parallaxe“, wie Zizek das nennen würde. Hier taucht sie auf als Schicksalsfrage, der gesamten Menschheit, so wie sie Marx und Engels im Kommunistischen Manifest als Paradiktum formuliert haben: Kommunismus oder Barbarei?

In diesem Sinne haben wir Zugang zu einer „universalen Welt“ – einer ontologischen Welt -, nämlich indem wir den Kampf für sie aufnehmen, wie Zizek richtig feststellt. Nehmen wir den Kampf nicht auf, dann gibt es nicht mehr nur nicht ein Subjekt, sondern auch keine universale Welt, das wäre gedoppelte Tragik.

Beide Seins-möglichkeiten (die objektive- nicht-ontologische, wie die subjektiv-ontologische) definieren sich nur in ihren Bezügen zur gesellschaftlichen Realität, zur gesellschaftlichen Umwelt. Es gibt keinen Bezug zwischen den Welten des Subjektseins und eines evtl. Nicht-(Subjekt-)Seins. Beide Möglichkeiten bewegen sich wohl immer parallel durch die Geschichte, ohne sich aber jemals wirklich zu berühren, ja ohne jemals von einander etwas wissen zu können. Und: was sich letztlich immer auch durchsetzt, es vernichtet das Andere. Das ist wie Materie und Antimaterie, setzt sich das eine durch, kann das andere nicht mehr sein. Sollte Mensch-Maschine Wirklichkeit werden, verschwindet auch die Erinnerung an das Subjekt, denn ein Nichtsubjekt hat keine Erinnerung. Dann wird es so sein, als wäre es nie gewesen, es wird weniger sein als die Asche vergangener Leben; denn an diese „erinnern“ wir uns noch. Und es ist anzunehmen, dass diese Mensch-Maschine schließlich alle menschliche Wesen ersetzt haben wird, auch die, die sich heute noch als Kapital wähnen. So verschwinden schließlich auch die Klassen, aber nicht in Form ihrer Befreiung, sondern in Form ihrer materialen Auslöschung.

Nur die Theorie macht da vorerst noch Hoffnung, macht das Subjekt möglich. Der dunkle Fleck, der da diesbezüglich besteht, der Selbstzweifel des Subjekts, ist von der Theorie fruchtbar zu machen. Die Möglichkeit des Scheiterns besteht immer, zeigt sich in der Theorie aber erst ganz zuletzt. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Darin dem „absoluten Geist“ eines Hegel nicht unähnlich, doch diesem diametral entgegen gesetzt. Die Möglichkeit des Nichtscheiterns, des Gewinnens, wird von der Theorie erst verworfen, wenn sie als Theorie nicht mehr existiert. Aber existiert noch ein Mensch, dann mit diesem auch die Theorie, eine solche, die überzeugt ist, dass Außen-, wie Innenwelt grundsätzlich zu durchschauen sind. Und glaubt er daran, dann verändert er sie bereits.

Theorie ist somit mehr als zusammen gefasste Erfahrung, sie ist die Antwort auf die Visionen des menschlichen Geistes. Theorie ist somit nicht nur wissenschaftlich denn auch kreativ.

Auch die Vision von der Mensch-Maschine/dem Maschinen-Mensch ist eine solch kreative Theorie (auch sie scheint dem hegelschen Weltgeist abgeschaut); und es gibt sie auch nur, weil sie letztlich vor dem kreativen Geist Bestand hat, nicht vor dem wissenschaftlichen 4).

Theorie- wie Subjektgestaltung nimmt hier ihren Anfang oder gar nicht. Hier ist die Welt eins – ontologisch, wenn nicht gar zielgerichtet, ja determiniert, alles, was sie in ihrer physikalisch-biologisch-chemischen, ja objektiv-ökonomischen Formen, definitiv nicht ist.

Während für Zizek das politische Subjekt das ontologische Zentrum noch ist, gehe ich darüber hinaus und sage: die Theorie, als Produkt des kreativen Geistes, setzt sich als ontologisches Zentrum. Auch wenn Zizek das bestreitet, aber in diesem Sinne ist die cartesianische Sicht nicht überholt. Ich denke, also bin ich, sollte dann nur heißen: so wie ich denke, bin ich, durchaus im Sinne der Selbstbewegung eines hegelschen „absoluten Geistes“, welcher da aber erst immer in seinem „Abschluss“ als solcher (an)erkannt werden kann, und eben nicht, und wie so oft Hegel missverstehend 5) als etwas, was der materiellen Bewegung voraus zu gehen hätte, sozusagen erst der Weltgeist, dann die Materie. Denn die materielle Bewegung, solange sie noch in ihren Kinderschuhen steckt, kann niemals von sich überzeugt sein, über diesem „Geist“ zu stehen; nicht solange dieser Geist sich selbst anzweifelt.

Das von der revolutionären Theorie in die Welt gesetzte revolutionäre Subjekt, streift nach Hegel seine abstrakte Vorläufigkeit ab, welche es als „automatisches Subjekt“ (als ein sich selber Fremdes noch, denn im Geist des Fetischismus gefangenes), also in der rein materiellen, sprich: in der ökonomischen Bewegung, noch immer ist, und erhebt sich schließlich zum revolutionären Klassensubjekt. Im „Weltgeist“ kommt dieses Subjekt zu sich selbst; hier vollzieht sie sich, die Bewegung, analog des hegelschen absoluten Geistes: das Subjekt vervollkommnet sich, findet darin endlich Bestätigung, hebt sich auf, hebt die Theorie auf, indem sie diese bestätigt – in der materiellen Gewalt (worin a posteriori dieser Geist sich als ein immer schon ontologisches Zentrum bestätigt).

Und doch ist dies eine abgeleitete, nämlich politische Bewegung, wiederum eine autonome, da geistige Selbstbewegung (des „absoluten Geistes“ nämlich), die da über der ökonomischen schwebt, mal als Wirklichkeit, mal als Möglichkeit/Potenz (in dieser „Wahlfreiheit“ zeigt sich, objektiv betrachtet, das nichtontologische, subjektiv nämlich, die Autonomie des Geistes). Die schiere Existenz der Klasse hingegen, die rein materielle Bewegung, wird von existenziellen Sorgen getrieben, manchmal vorwärts – als revolutionäre Bewegung, dann in Verbindung zur revolutionären Theorie -, mal rückwärts, als spontane, nämlich von der Theorie abgekoppelt, mal auch als reaktionäre Abwehrbewegung. Auch das zeigt, dass Ontologie nur im Bereich der Theorie, des Geistes nämlich, anzusiedeln ist. Das Proletariat kann auch als nichtrevolutionäre Klasse existieren, was es übrigens meistenteils auch tut.

Und hier ist die Quelle für einen neuen „Subjektivismus“. Einen, der sich von der Kinderkrankheit des Voluntarismus befreit hätte; indem er anerkennt, dass die Macht der materiellen Bewegung nur geistig zu schlagen ist. Doch nur, wenn dieser Geist auf der Höhe der Zeit ist, auf der Höhe dieser Bewegung, Augenkontakt zu dieser aufgenommen hätte. Ein solcher Subjektivismus hätte die Macht, das Subjekt in seine neue revolutionäre Zukunft zu überführen.

Eine Möglichkeit, die auch in der Biotechnologie des Kapitals schon angelegt ist (überhaupt ist der bisherige Siegeszug dieser Technologie doch Ausdruck eben jenes „absoluten Geistes“, Beleg für dessen Bestreben in Augenhöhe zur materiellen Bewegung zu bleiben). Die Suche nach Möglichkeiten der Erweiterung des menschlichen Geistes, ist prinzipiell eine revolutionäre, eine in Richtung „Fortschritt“ (ein Rückgriff auf die Ontologie nur im Sinne der Suche nach der Befreiung des Subjekts) offene. Die Verwandlung des Menschen in eine Maschine ist nur möglich, wenn der Mensch die Maschine fürchtet. Die Natur selber könnte uns da vielleicht den richtigen Weg hin weisen. Das Gefühl der Einzigartigkeit, wenn nicht gar der Einsamkeit, eines sich langsam zu klein dünkendes menschliches Gehirn ist es höchstpersönlich, was uns diese Suche so dringend erscheinen lässt. Primaten, wie überhaupt andere intelligente Tiere, sollten doch mit dem Menschen kommunizieren können – ein alter empathischer Menschheitstraum. Und nun ein so gigantisches wie aber jetzt möglich scheinendes Projekt. Diesbezügliche Forschungen gibt es seit langem, aber die Forschungen nach der Mensch-Maschine verlangen im Kapitalismus die oberste Priorität. Der Grund liegt darin, dass das Kapital den Menschen, das Subjekt, den Klassengegner, ja den Konkurrenten mehr fürchtet als die Einsamkeit. Lieber eine tote Maschine als einen klugen Affen, denn der Affe würde dem Menschen dienen, die Maschine aber ihm, dem Kapital.

Solange der Kapitalismus nicht durch eine gesellschaftliche Revolution abgelöst worden ist, bleibt er das, was er ist – Kapitalismus -, und ist insofern zur Weiterentwicklung verurteilt. Eine diesbezügliche innere Schranke gibt es für ihn nicht; so leicht macht die Geschichte es ihm nicht. Noch ist ihm das Subjekt, also sein gedoppeltes, in sich antagonistisch gespaltenes, Selbst, im Wege.

Und auf dieses Subjekt kommt es daher an. Auf dessen Gehalt, dessen Potenz, dessen Visionen, dessen Chancen, dessen Bezug zur Objektivität, dessen Willen und dessen Kraft. Gibt es dies alles nicht, oder nicht im ausreichenden Maße, dann wird es so sein, als hätte es ein solches Subjekt nie gegeben. Auch jegliche Theorie zu diesem wäre hinfällig. Es ist so wie mit dem Kapital selber. Ein Kapital, das sich auf dem Markt nicht verwertet (hat), dort nicht realisiert werden hat können, verhält sich so, als wäre es nie gewesen.

Subjekt wird man, indem man Geschichte macht, wo die Geschichte endet, endet das Subjekt (wie gesagt: das „automatische“ ist das nicht vollendete, nicht aufgehobene, Subjekt!). Und doch ist das Subjekt Bestandteil einer Welt, die außertheoretisch gar nicht existiert. Nur insofern diese Geschichte verinnerlicht ist, als eine an und für sich revolutionär adaptierte, ist sie wahr, kann man sie als Geschichte bezeichnen, als eine in der Theorie objektivierte – ontologisierte. Letztlich hat ein Subjekt keine Existenz; es ist Subsistenz.

Und doch ist es gerade diese Subsistenz, auf die wir bauen. Hegels absoluter Geist ist nämlich nicht so leicht zufrieden zu stellen. Es gehört nicht in das Konzept eines solchen Geistes, sich mit Halbheiten abzufinden. Ein Monster, und sei es auch von der Biotechnologie noch so angepriesen, wird diesem Geist immer als etwas Unfertiges begegnen, ähnlich darin des Dr. Frankensteins. Dieser Anspruch an sich selbst, wie gesagt, das ist keine menschlich-existierende Eigenschaft, keine dem Narzissmus entwachsene, sondern eine dem Geist zugehörige, einem Geist, der sich stets subversiv in Frage stellt; der nach seiner Vollendung fragt.

Welch (subversive) Ansprüche durchaus auch an ein Subjekt der Gegenwart gestellt werden (können), zeigt uns vielleicht auch ein weiteres Statement Zizeks, da wo er die vorherrschende „psychische Ökonomie der elektronischen Netze“ als eine „hysterische“ 6) definiert.

Es sieht so aus, als wäre das konservative Subjekt subversiver als das progressive; was Zizek an anderer Stelle in diesem Interview auch genau so darstellt, allerdings nur insofern das „progressive“ sich nicht in Frage stellt, also ein „automatisches Subjekt“ noch ist. Das sich selbst in Frage stellen, ist Vorbedingung des „absoluten Geistes“, des Geistes, welcher (sich) „stets negiert“ (Goethes Faust). Das gewissermaßen teuflische Element, das, das mit der Freiheit einhergeht und eben nicht mit der Notwendigkeit. Es ist der abgeleitete und sich doch autonom verstehen wollende Geist, der da stets in Zweifel mit sich ist. Wüsste dieser Geist, dass er nicht autonom ist, also nicht wirklich existiert (sondern nur subsistiert, Untermieter seiner selbst ist) dann wäre er leichter zu Frieden zu stellen. So aber stellt er die Frage seiner Subsistenz immer wieder neu: Sein oder Nichtsein, ist ihm stets die Frage.

Subjekt-sein-wollend ist somit eine definitiv konservative Forderung, denn sie resultiert aus dem ältesten Zweifel der menschlichen Psyche, soweit sie die Zeit im Paradies, d. h. die magische Vorzeit, zum Mythos selber verfremdet hatte. Die Moderne hat diesen Zweifel neu formuliert und doch nicht zu Ende denken wollen, denn die Subjekt-Objekt-Dichotomie ist notwendige Bedingung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Die Bedeutung dessen zu begreifen, überfordert nicht nur unseren, durch Aufklärung geschleiften, Verstand, sondern vor allem unseren Willen zu paradoxen Konzepten.

Denn ist es nicht so, dass die schlimmsten Feinde revolutionären Denkens die sind, die eigentlich überhaupt nicht denken? Denken sie aber, dann denken sie innerhalb der Kategorien der Subjekt-Objekt-Dichotomie. Und das sog. positive Denken und die negative Kritik stehen sich da unversöhnlich gegenüber.

So kommt es, dass ich mich lieber mit einem konservativen Egomanen streite, der wenigstens streitet, als mich neben einem liberalen Autisten zu langweilen.
Doch sind die Konservativen nicht unsere Verbündete, sie sind die (natürlichen) Gegner (die „aktiven Nihilisten“), mit denen wir um unser Weltbild streiten. Die Liberalen hingegen sind die „passiven Nihilisten“.

Geht es im Kampf gegen die Obsessionen einer biogenetischen Technologie um das gleichberechtigte Existenzrecht des Embryos auf Gottes Erden oder nicht viel mehr um die Zukunft der ganzen Menschheit. Da sind wohl die Berührungspunkte mit Konservativen, im rein ästhetischen Rahmen, aber schon nicht mehr in ethischer Hinsicht.

Der Revolutionär will ein neues Subjekt, bzw. will das alte auch in etwas Neues überführen helfen, und da gibt es Berührungspunkte gar mit der Biogenetik, z.B. da wo es um die Interessen der Massen auf eine anständige und technisch hochwertige Gesundheitsversorgung geht. Nur ist das der Biogenetik kein Anliegen, sondern Vorwand, Ansatzpunkt. Dem Revolutionär geht es um Gleichbehandlung im Kampf gegen diese Klassengesellschaft (aber nicht um Gleich-machung): Gehirnprothesen, wenn sinnvoll, bzw. nötig, dann bitte nicht nur für die herrschende Klasse. Aber auch hier ist keine Identität: wir wollen keine Gehirnprothesen, wo das Denken ersetzt, also das Hirn obsolet, bzw. in eine Maschine überführt werden soll.

Wir wollen keine neue Eugenik, keine solche, die unwertes Leben proklamiert. Wir wollen keinen Rassismus, keine neue herrschende Rasse, keine minderwertige, keine aussortierte, eine solche, die nur den Lohnarbeiter zu ersetzen hätte, als Arbeitsvieh und Massenkonsument, und schließlich sogar noch als Schlachtvieh. Da gibt es mit der Biotechnologie überhaupt keine Berührungspunkte mehr, aber durchaus mit den Konservativen, aber nur soweit die dann bereit sind, zu kämpfen, wenn auch im Rahmen ihrer überholten Ethik. Kämpfen diese aber nicht, dann verteidigen sie nur ihren Klassendünkel, welchen sie mit den Liberalen teilen und wodurch sie anfällig bleiben für die Lockungen der Biogenetik.

Im Kampf wird das Subjekt geschaffen, werden (vorübergehende) Identitäten modelliert (auch der revolutionäre Proletarier ist nur eine vorübergehende Identität, ein Ergebnis des Klassenkampfes). Und in dessen Kampf werden auch die Berührungspunkte erkennbar, die zu anderen Klassen und fremden Ideologien (das ist wichtig, im Bezug auf die Möglichkeiten des Klassenkampfes – heute).

Die durchaus prekäre Lage des gegenwärtigen Subjekts ist uns nicht nur Gegenstand der Kritik (vgl. Robert Kurz), oder gar der Klage, sondern vor allem Grund für Solidarität und Kampf im Rahmen der Überwindung des Subjektseins. Im Kampf wird auch ein falscher „proletarischer“, und somit reaktionärer Klassendünkel überwunden. Dieser ist ehe nur Ergebnis eines rückständigen Klassenbewusstseins, eines überholten Subjektverständnisses. Subjekt-sein-wollen kann nur noch als Revolutionär-sein-wollen von Relevanz sein.

Die Überwindung der Subjekt-Objekt-Dichotomie setzt die Überwindung der Klassen voraus, sie ist nicht möglich innerhalb der Klassengesellschaft. Das bedeutet auch, dass die wahren Potenzen der Biotechnologie erst jenseits der Klassengesellschaft erkennbar sein werden. Bedeutet das nun, dass der Kampf gegen die Biotechnologie zu führen ist? Mitnichten, sowenig wie gegen die Technik überhaupt. Die technische Revolution ist immer das natürliche Umfeld für eine soziale, für eine politische.
Die Hysterien der Moderne sind dabei aber nicht das, was revolutionärer Optimismus meint; ganz im Gegenteil: die ganze Wucht der negativen Kritik hat sich gegen sie zu richten, nur so wird revolutionärer Optimismus frei.

Quellen und Anmerkungen:

1)Thomas Deichmann, Sabine Reul, Slavoj Zizek
Der Krieg und das fehlende ontologische Zentrum der
Politik
Sabine Reul und Thomas Deichmann im Gespräch mit dem Philosophen Slavoj Zizek.
Sabine Reul und Thomas Deichmann trafen den Philosophen Slavoj Zizek an der
Frankfurter Buchmesse im Oktober 2001 für ein Gespräch über sein Buch Die
Tücke des Subjekts. Published 2002−03−15
Original in English
Translation by Thomas Deichmann & Sabine Reul
Contribution by Novo Magazin
© Novo Magazin
An article from www.eurozine.com, http://www.eurozine.com/articles/2002-03-15-zizek-de.html

2)Hier ein größerer und solchermaßen höchst interessanter Ausschnitt aus diesem Interview: „Der Ausgangspunkt meines Buchs über das Subjekt ist die Beobachtung, dass heute fast alle philosophischen Strömungen, auch wenn sie noch so gegensätzlich scheinen, in einer gewissen grundsätzlich anti−subjektivistischen Haltung übereinstimmen. Habermas und Derrida zum Beispiel würden beide sagen, dass das Cartesianische Subjekt dekonstruiert, oder, im Falle Habermas, in eine umfassendere intersubjektive Dialektik eingebettet werden musste. Kognitivisten, Hegelianer, alle sind in diesem Punkt einer Meinung. Ich bin versucht zu sagen, wir müssen zum Subjekt zurück − allerdings nicht zum rein rationalen Subjekt Descartes‘. Ich denke, das Subjekt ist seinem Wesen nach politisch. Damit meine ich, es ist ein Stück Freiheit, wo man nicht mehr in einer festen Substanz verwurzelt ist, oder, anders gesagt, sich in einer offenen Situation befindet…

Und zur Biotechnologie:
„Wir haben heute die biogenetische Technologie, und das ist für mich eine Situation, in der Subjektivierung notwendig ist. Wir können nicht mehr einfach alte Regeln anwenden. Wir begegnen Paradoxen, aus denen es keinen unmittelbaren Ausweg gibt. In diesem Sinn ist Subjektivität als solche politisch. Der Raum des Subjekts ist der Raum radikaler politischer Entscheidung. In den letzten Jahren erleben wir eine seltsame Rehabilitation der Unterscheidung zwischen Ethik und Politik durch die Dekonstruktivisten und Pseudo−Kantianer wie Habermas oder Apel. Politik sei eine Sache strategischer Entscheidungen, die durch grundsätzlichere ethische Erwägungen einzubetten oder zu begründen sei. Diese Unterscheidung fällt meines Erachtens im Konstruktivismus. Hier wird Ethik selbst zu einer Frage der politischen Entscheidung. Oder um es mit Kant zu sagen: Es ist das „ästhetische Urteil“, dem man kein universelles Gesetz zugrunde legen kann, sondern in dem man unter Bezug auf ein Beispiel das universelle Gesetz selbst neu erfinden muss. Und ist dies nicht, was uns heute mit der Biotechnologie begegnet? Man kann auf sie nicht einfach bestehende Regeln anwenden, sondern man muss die Regeln neu schaffen. Sie ist durch die Vergangenheit einfach nicht gedeckt.“

3) Theoretische Arbeit kann auch Praxis sein, insofern diese Arbeit Teil der wie von Marx definierten „gesellschaftlichen Praxis“ ist (vgl. zum Beispiel seine Feuerbachthesen).

4)Eine ganz wunderbare Arbeit darüber, wie das Kapital zu den Ideen kommt, welche dann als neue technologische Revolution in die Geschichte eingehen, bzw. auch eine neue Epoche einleiten, habe ich kürzlich erst im Internet entdeckt. Sie nennt sich „Arbeit Entropie Apokalypse“ , vom Midnight Notes Collective: George Caffentzis, Monty Neill, Hans Widmer, John Willshire; November 1980, Zugriff 24. 06. 2010. Da ich mich in Bezug auf die Rolle des Revolutionären Subjekts von einigen Aussagen dieses Kollektivs unterscheide, werde ich mich zu gegebener Zeit damit auseinandersetzen. So viel vorneweg: die Aussage, dass die „Entropie“ der Verbündete der Arbeiterbewegung sei, kann man natürlich so nicht stehen lassen, denn in Bezug auf die Herausbildung des Revolutionären Subjekts hat die Arbeiterbewegung die Entropie auch zum Gegner, denn auch hierbei muss Arbeit aufgewendet werden (siehe auch: Die Zeit, das Licht und der Geist des Wesens). Dass der Arbeitsbegriff der Schwachpunkt dieser Analyse sein könnte, liegt auf der Hand. Denn die arbeitsfreie Gesellschaft ist nicht das originäre Ziel des Sozialismus, der Sozialismus wäre allerdings in der gegenwärtigen Epoche die notwendige Voraussetzung für deren Verwirklichung. Vorerst bedeutet Sozialismus aber reichlich Arbeit, im engen, wie im umfassenden Begriffe

5) vgl. Dr. Annette Schlemm, Dialektikkonzepte – Hegel-Marx, http://www.thur.de/philo/hegel/hegel31.htm

6)„Flexible Ökonomie“, …“könnte man das auch nennen“, meint Slavoij Zizek weiter: „Keine feste Identität, sondern sich permanent verändernde und multiple Identitäten. Um es kurz zu machen: In diesem Sinn ist Perversion keineswegs subversiv, und der erste Schritt in Richtung Subversion ist exakt der, den hysterischen Zweifel neu einzuführen. Ich denke, dass die sozialen Beziehungen heute multiple Identitäten voll anerkennen können. Das ideale Subjekt ist heute bisexuell: Ich habe Spaß mit Männern, Spaß mit Frauen, alles ist möglich und nichts davon ist subversiv. Ich denke nicht, dass die perverse Strategie, sich die schlimmsten Perversionen auszudenken, um an den Punkt zu gelangen, an dem das System es nicht mehr ertragen kann, Sinn macht. Ich denke das ist politisch falsch und es funktioniert auch nicht. Wenn man sich etwa das Kunstsystem ansieht: Dort werden perverse Transgressionen direkt vom Establishment organisiert, um den Markt am Laufen zu halten.“ Hysterie und Cyberspace, http://www.heise.de/tp/r4/artikel/2/2491/1.html

Oberursel, den 24. Juni 2010

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