Leithammel, die den Wölfen folgen
Okay, ich bin Marxist, das weiß hier jeder, und als solcher behaupte ich mit Marx und Engels: Der Proletarier hat kein Vaterland. In jeder bürgerlichen Nation gibt es zudem 2 Nationen: Das Kapital und die Lohnarbeit. Soweit Marx, und soweit ich. Dennoch habe auch ich eine Heimat, selbst in der Fremde (ich bin im Spessart geboren, und wohne nun seit langem im Taunus). Mein Heimatgefühl entdecke ich, wenn ich in diesem wunderschönen Taunus nicht nur vergleichbare Landschaften finde – ich brauche die Konturen um die Nase und die Freiheit für den weiten Blick -, sondern auch z.B. ein Ausflugslokal, was ein alter Gutshof ist, und wo das teuerste und wirklich leckere Essen 9,90 € kostet. Natürlich alles Hausschlachtung, der Kuchen selbst gemacht, so wie der Apfelwein. Ich spüre das Verlangen nach der Heimat. Und ich verlange nach Freiheit. Ein Widerspruch – sehr wahrscheinlich. Doch hebt sich dieser Widerspruch nicht auf in und mit der „Nation“! Gleich ob diese sich willkommenskulturlich oder deutschnational gibt. Für diese empfinde ich nichts, wie vielleicht nur mein Gefühl für die Sprache. Von dieser bin ich völlig abhängig, ja besessen, vermutlich mehr als von meiner Frau. (Sag ihr das bloß keiner!) Die Nation der Deutschen kann mir wirklich gestohlen bleiben. Ich weiß nicht, was ein Italiener fühlt oder denkt, wenn er von der italienischen Nation spricht. Aber vielleicht denkt er, wenn er sich über Berlusconis Bunga Bunga amüsiert, eher an Fellinis „Das süße Leben“ – das er gerne mal hätte? Da können wir nicht mithalten – wir Deutschen. Und wenn, dann schwelgen wir selbstverliebt in der Süße unserer deutschen Romantik. Wobei wir innerlich stramm stehen (im Gegensatz zu einem „Strammen“ stehen haben – sorry, aber das musste mal gesagt sein). Selbst das Lebensgefühl auszudrücken, ist dem Deutschen mehr Sprache als Gefühl. Das gilt auch bei den größten aller Meister – Heine, Goethe oder Hölderlin. Dennoch sagt mir mein Gefühl, dass ich mit diesen Leuten, die da glauben, dass eine Kultur ohne Gefühl Leitkultur werden könnte, nichts gemein habe. Ich denke da gar an Leithammel, die in Wahrheit den Wölfen folgen. Ansonsten gefällt mir Ihr Beitrag. Er ist sehr gefühlvoll, und auch sehr weise. Ich glaube, ich verstehe Sie.
blogs.faz.net/stuetzen/2015/10/20/heimatliches-lecken-mit-nazis-und-der-prantlhausener-zeitung