Androgyn und polymorph

Androgyn und polymorph
Ach sieh an, aus der „Widerstandskultur“ eines postkommunistischen/pseudosozialistischen, aber eigentlich raubtierkapitalistischen Chinas wächst ein radikaler Prototyp jener androgynen Gestalt heran, die Bornemann in einer quasi postkapitalistischen, dennoch nicht sozialistischen nahen Zukunft, vor Jahrzehnten schon beschrieb (Das Patriarchat). Als quasi sozio-biologische Revolution jenes Subjekts, dessen soziale Revolution (vorerst oder auch final) in einer geschlechtlichen mündet. Den Feminismus im kapitalistischen Patriarchat nicht mehr als Reserve der sozialen Revolution (des Mannes) betrachtend, sondern als Parallele hierzu, und mehr oder weniger den Bewegungen im „Überbau“ folgend. Diesem Modell nach folgen die aktuellen biotechnischen Experimente derselben polymorphen Erotik wie die postsexuellen Jugendbewegungen. Wenn noch Befruchtung, dann vielleicht als Selbstbefruchtung. Klonen bleibt denkbar. Cybersex statt Telefonsex. Die dann noch existierende Sexualität quasi aus der Steckdose.

Schön, kreativ und reich
@Werlau: Ich widerspreche Ihnen nicht, aber das Paradox, auf was sie im Prinzip abheben, könnte auch meine These bestätigen. Nicht von ungefähr haben jene ex-sozialistischen/pseudosozialistischen Länder als nunmehr kapitalistisch-integrierte Nachzügler ein Nachholbedürfnis. Gerade der von Ihnen erwähnte Napoleonkomplex lässt es ihnen geraten erscheinen, den Kapitalismus nicht nur einzuholen, sondern quasi an dessen vorläufigen Ende abzuholen. Wahnwitzig aber nicht ganz unrealistisch. Man setzt nämlich nicht ganz zu Unrecht hierbei auf den Ehrgeiz der Bevölkerung. Die will schnell reich werden. Natürlich merkt sie nicht, wie sie dabei im Kern und ganz Unten noch schneller verarmt. Doch scheint gerade dieser Widerspruch die Bewegungen im Überbau zu inspirieren. Wer möchte nicht wie Guo sein, nämlich schön, kreativ und reich.

Wo das (männlich-weiß-westliche) Subjekt prekarisiert
@Hennecke: Schon unter dem frühen Protestantismus wurde die Liebe der Ideologie wegen, sprich: den Klasseninteressen des Bourgeois, geopfert. Mit ein Grund für, warum die 68er Revolution sich auch gegen den „Muff“ unter der Wäsche richtete. Doch dieses Aufbegehren scheint gescheitert, zumindest als sexuelle Revolution. Lediglich in ihrer Form des Widerstands gegen die kapitalistische Gerontokratie zeigt sich auch die sexuelle Konnotation. Doch bemerkt die Jugend nicht, wie die Prekarisierung des („männlich-weiß-westlichen“/R. Kurz und R. Scholz) Subjekts auch das Geschlecht obsolet werden lässt. Nur in ökonomisch rückständigen Ländern, wie z.B. in den Ländern Nordafrikas, zeigen sich die Kämpfe um soziale Befreiung noch mal verstärkt als solche um die sexuelle. Die Jugend dort fordert ihr Recht-auch und gerade – auf Glück. Doch in dem Moment, wo die kapitalistische Ökonomie das weibliche Geschlecht bevorzugt, aus naheliegenden Interessen, wird die Geschlechterdifferenzierung überhaupt überflüssig.

faz.net/aktuell/literaturstar-guo-jinming-chinas-stern

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3 Trackbacks

  • Von Männchen und Weibchen werden bald im Labor gezüchtet am 28. Juli 2013 um 18:26 Uhr veröffentlicht

    […] hier nur um Werte, die man in Frage stellt, meinethalben im neoliberalen Lager? Das Bekenntnis zur neuen Vaterschaft – wenn auch dünnlippig –, akzeptiert. Doch Kinderwagen schieben? Das kommt wirklich zu spät. […]

  • […] nicht innerhalb eines erneuten Diskurses von Sexualität und Klassengesellschaft aufarbeiten. Die sexuelle Revolution der 68er-Bewegung wäre heute wieder angesagt. Nie wurde der Geschlechterkrieg so scharf geführt […]

  • Von Dann aber auch ein „neues Subjekt“ am 19. September 2013 um 01:37 Uhr veröffentlicht

    […] das der jüngst erst unter tragischen Umständen verstorbene Robert Kurz sah. Sein Subjekt war ein prekäres oder ein „automatisches“. Dass eine solche Philosophie nicht richtig sein kann, war meine […]

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