Wo die (Handels-)Freiheit ihren Reiz verliert

Wo die (Handels-)Freiheit ihren Reiz verliert
Das Thema ist sicherlich nicht verfehlt. Doch bleibt die Frage, ob Sie den Kern des Themas getroffen haben. Der Vergleich mit dem Vater ist doch nichts Neues. Ich denke schon in der Antike hatten da die Jüngeren das Nachsehen. Die Lösung war dann der Vatermord, evtl. unterstützt durch die Mutter, so im Stile eines Alexander zum Beispiel. Und auch heute stelle ich mir so gewisse (Schwieger-)Väter lieber tot vor. Hysterisch könnte ich werden ob des Gedankens, dass der Schwiegervater besser putzen kann als ich.

Das Problem der Männlichkeit kann heute nicht mehr allein aus der Geschlechter -, resp. Generationenbeziehung allein heraus verstanden werden. Und es kann auch nicht allein als „Dekadenzproblem“ einer vorgeblichen Hochkultur begriffen werden. Die Anhänger eines Spengler hier im Blog hören das sicherlich nicht gerne.

Viel interessanter finde ich da die Ansätze bei einem Bornemann, welcher uns schon vor Jahrzehnten eine androgyne Zukunft angekündigt hat („Das Patriarchat“), dank der herrschenden Interessen, nämlich eines Kapitals. Die Ausbeutung der Lohnarbeit im postindustriellen Zeitalter macht die kleine Differenz wohl überflüssig. Interessant auch die wissenschaftlich untermauerten Prognosen eines Bryan Sykes. So erkennt der Genetiker, dass das Y-Chromosom wohl aussterben wird, so in etwa 150000 Jahren (vgl. auch mein „Was dem Manne sein Orakel“).

Man könnte auch sagen, dass das Prekariat männlich ist. „ Und wo „das Subjekt männlich“ ist (Roswitha Scholz), da offenbart sich natürlich dem kritischen Geist die „kategoriale Krise“, nämlich „des Subjekts“ überhaupt, wie der kürzlich verstorbene Robert Kurz nicht müde wurde, immer wieder zu betonen.
Ich zum Beispiel bevorzuge die Formulierung „Krise des Patriarchats“. Denn das weibliche quasi Nichtsubjekt, das „abgespaltene“ (Scholz) scheint ja gerade in die Form des Subjekts gegossen zu werden. Gleich ob diese Form gerade prekarisiert. Und obwohl ich der Jugend- und Frauenrevolte auch eine sexuelle Dimension zuspreche, eine Dimension, die dieser Revolte vielleicht gar die Hauptpotenz verleiht, ähnlich darin der 68er-Bewegung, zeigt sich z.B. gerade die „Arabellion“, die im Kern eine bürgerliche Bewegung ist, als Bestandteil einer neuen sozialen (weltweiten) Bewegung gegen Kapital, Patriarchat und Gerontokratie. Und dass die Jugend hierbei die Hauptmacht darstellt – und darunter nicht wenige Frauen –, offenbart natürlich auch gewissermaßen die sexuelle Dimension der Krise. Das „Recht auf Glück“, ein immer wieder beschworenes „Recht“ seit der Aufklärung, wird da eingefordert. Doch gewisse Hormone alleine können diese Jugend so wenig beglücken, wie das Recht auf Handelsfreiheit die um ihre Freiheit kämpfenden Massen.

Und wo die sexuelle Freiheit sich auf die Wahlfreiheit zwischen einer Unzahl von Kondomen beschränkt, da gibt es kein „Liebesglück“, keine sexuelle Erfüllung, da leidet die erotische Phantasie.
Und dieser Mangel ist es, der uns verblöden lässt. Und wo der Mangel an Phantasie im Ehebett mit dem Mangel an Kreativität überhaupt zusammenfällt, da verliert selbst die Handelsfreiheit ihren Reiz.

Wenn alle Opfer sinnlos sind
„…Die irdische Hülle muss unter Schmerzen abgestreift werden“, so interpretiere ich Sie, entsprechend Ihres Hinweises auf wikipedia.org/wiki/Marsyas. Wieder diese Opferungsgeste, wie bei dem Männchen-fressenden-Spinnenweibchen.

Das Subjekt scheint wirklich in der Krise. Der gute Robert Kurz hatte doch mehr recht als ich annehmen wollte. Und ich glaube, das erkannt zu haben, war auch eines Dons Botschaft.

Doch nicht der Macho wird vermisst, sondern der, der es wagt, sein Leben wieder zu leben. Der, der sich nicht zum Weibchen macht, in dem hehren Wahn, so diesem besser zu gefallen. Und damit gewissermaßen die späte Zukunft – die androgyne – vorwegnehmend.

Noch dürfen Männer Männer sein. 150000 Jahre sind nach menschlichen Maßstäben doch noch eine gute Zeit. Die Klassengesellschaft, das Patriarchat existiert vielleicht erst 5000 – 10000 Jahre. Da sollte es doch möglich sein, die nächsten 150000 Jahre etwas klüger zu nutzen.

Aber ich beginne zu ahnen. Was hier vorweg genommen wird, ist wohl eher das „Sterben“ in sozialen Zeitmaßen. Während das Kapital anfängt nach dem All zu greifen, sich also zu vergöttlichen sucht, oszilliert das (männlich konnotierte) Subjekt des Kapitals um die irdischen Rückstände eben desselbigen. „Liebe ist nur ein Wort“, schrieb da ein bekannter Romanschreiber vor fast einem halben Jahrhundert, ohne die wahre Dimension eben dieser seiner Aussage auch nur annähernd erfasst zu haben.

Nicht die „Liebe“ steht auf dem Prüfstand, nicht die Moral einer Gesellschaft, das wäre völlig überflüssig, sondern das „Wort“ selbst. Was bedeutet das Wort, wenn die Tat nicht mehr einzuholen geht? Was bedeuten 150000 Jahre, wenn sich die Welt – das Subjekt – in 50 Jahren schon erledigt haben könnte? Wenn alle „Opfer“ sinnlos sind?

http://faz-community.faz.net/blogs/stuetzen/archive/2012/10/17/die-herren-der-erschoepfung

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  • Von So untauglich wie das Gewissen eines Bourgeois am 20. November 2012 um 10:46 Uhr veröffentlicht

    […] Doch müssen dabei Frust wie Zynismus überwunden werden, muss das Subjekt (wie auch das davon „abgespaltene Nichtsubjekt“/ Roswitha Scholz) sich der Korrumpierung verweigern. Muss dem bigott-koketten Kapital die Lust […]

  • Von Wenn dem Subjekt die letzte Stunde schlägt am 7. Januar 2013 um 02:44 Uhr veröffentlicht

    […] Himmelreich auf. Die Finanzkrise ist zur psychologischen Krise geworden. Die Krise des Kapitals zur Krise des Subjekts. Wo Hoffnung die Gewissheit schlägt, schlägt dem Subjekt die letzte […]

  • Von Die letzte Bastion der Konterrevolution am 30. Januar 2013 um 11:52 Uhr veröffentlicht

    […] konterrevolutionären Möglichkeiten – gegen das Proletariat. Doch die Jugend ahnt (und darunter besonders die Frau), dass gleich welche Religion der Todfeind jeder Freiheitsbewegung ist, die letzte Bastion der […]

  • Von Die längste Stunde des Finanzkapitals am 16. Juni 2013 um 09:04 Uhr veröffentlicht

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    […] aber eigentlich rautierkapitalistischen Chinas wächst ein radikaler Prototyp jener androgynen Gestalt heran, die Bornemann in einer quasi postkapitalistischen, dennoch nicht sozialistischen […]

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