Wo jedem geistigen Höhenflug harte Handarbeit vorausgeht

Wo jedem geistigen Höhenflug harte Handarbeit vorausgeht
Mit den Philosophen des antiken Griechenlands und Kleinasiens verbindet uns die Vorstellung von der Philosophie als „Liebe zur Weisheit“. Welche Liebe damit gemeint war, bzw. welches Geschlecht da zur Weisheit befähigt sein wollte, das vermittelt uns der Mythos vom (männlichen) Eros, der das (weibliche) Chaos zu besiegen habe. Also männliche Ordnung in die weibliche Welt hineinzubringen. Die Weisheit zu lieben, ist daher auch neben seiner erotisch-philosophischen Konnotation als quasi sexuell-aggressiver Akt zu begreifen. Als Eindringen des Männlichen in das Weibliche.

Von den „Ersten Philosophen Griechenlands“ (George Thomson) an, ist somit die Philosophie eine männliche Domäne. Genauer: der Ort, wo (männliches) Herrschaftswissen generiert wird und zugleich der Beherrschte/d i e Beherrschte gedemütigt. Die griechische Hausfrau war dem Sklaven näher als dem freien griechischen Mann. Das Haus durfte sie nie allein verlassen. Oft war sie begleitet/bewacht von einem Sklaven. Bildung erfuhr sie keine. Mehr Erniedrigung ging nicht.

Doch wie im wahren Leben verschafft sich das Reale in der Realität im Paradox seine Geltung. Den griechischen Mann zog es zur Frau, wenn überhaupt zur Frau (vgl. Bornemanns „Das Patriarchat“, siehe Link zu George Thomson oben), dann doch nur zur gebildeten. Hetären, oft entlassene Sklavinnen, kluge Frauen (heute würden wir sie im „Begleitservice“ suchen) gelangten zu den philosophischen Gelagen nur, wenn sie sich zuvor auf ganz anderen Events hochgedient hatten. Geliebt wurden sie wegen ihrer Schönheit und sexuellen Kreativität, bewundert nicht selten ob ihrer Klugheit. Wie konnte es auch anders sein, im stets intimen Umgang mit den klügsten Männern ihrer Zeit?

Noch Sokrates soll der körperlichen Liebe allerdings nur zugetan gewesen sein, wenn sie in männlicher Gesellschaft stattfand. Zum Leidwesen seiner Frau, der berühmten Xanthippe. Doch schon Platon verortete die Weisheit ins rein geistige.

Solchermaßen verwirrt kommen wir jetzt zu den Geistesarbeitern der Neuzeit. Noch heute fühlen sich die Philosophen vom Schönen mehr verwirrt als angezogen. Sich nicht sicher seiend, ob es in geistiger (als Klugheit) oder in körperlicher Verkleidung zu bevorzugen ist. Tritt es gar in weiblicher Form auf, kann es Muse aber auch ein Fremdkörper sein. Von Männern betrieben, scheint die Philosophie mehr denn je eine a-erotische, wenn nicht gar völlig sterile Beschäftigung zu sein. Der spätantiken Scholastik immer noch verwandt. Mönchisch, die Begierde verleugnend. Auch daher vielleicht dem Weibe irgendwie fremd.

Sexismus war schon immer mehr Angstgefühl als Machtbewusstsein. Dies umso mehr als derzeit der Sieg über das Chaos in Frage zu stellen ist. Doch wie stellt der neuzeitliche männliche Protagonist diese Frage? Wie es scheint im schüchternen Wortspiel.

Und da kommen wir zurück zur Antike. Der antike Philosoph hätte den „handjob“ der Angebeteten angeboten, oder auch dargeboten. Nicht das Eingestehen eines Begehrens, sondern diese feige Verschleierung eines solchen, wäre ihm als respektlos erschienen. Selbst dem Weibe gegenüber, das er ansonsten doch so verachtete. Die Verbindung zwischen Hetärentum und Philosophie war ja so unfruchtbar nicht. Wenigstens zeitweise schien es, dass die Philosophie gar eine lustvolle Beschäftigung ist. Dialektisch-raffiniert, nicht sophistisch-verschleiernd. Noch heute wundert es uns, was da aus rein geistiger Beschäftigung an Erkenntnis gewonnen sein wollte. Rein geistige Beschäftigung? Ich denke, dass nicht wenig körperliche Leistung dem voraus ging.

Wir sollten daher dem verzweifelt nach geeigneten Metaphern greifenden männlichen Philosophen nicht allzu unverständig begegnen. Denn wo den, wenn auch heute recht mageren, geistigen Höhenflügen harte Handarbeit vorausgeht, da zumindest sollte das Ergebnis nicht das schlechteste sein.

blogs.faz.net/planckton/2013/06/22/der-aufschrei-der-philosophinnen

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4 Trackbacks

  • Von Die Pervertierung nicht nur der „Liebe (zum Kind)“ am 16. September 2013 um 18:55 Uhr veröffentlicht

    […] Sexualität und Liebe. Die (antike) Liebe zur „Weisheit“ – wie „Schönheit“ –, also der griechisch-antike Eros, befreit um die Sexualität, als „platonische Liebe“, wegen mir, ließe sich noch als Projekt […]

  • […] in diesem Denken spiegeln sich die Klassengegensätze. Das ist Dialektik. Der naiven Dialektik der ersten Philosophen im antiken Griechenland vergleichbar, ist das Ying und Yang der Chinesen. Es ist dies eine […]

  • Von Die Achillesferse des Patriarchats am 17. Dezember 2013 um 09:19 Uhr veröffentlicht

    […] Lust sie als „subversiv“ empfanden. In der Knabenliebe fanden sie dann den Trost, die von einer „Xanthippe“ verfolgten […]

  • […] der auch freigeschaltet war, also dort zu lesen. Den Beitrag stelle ich Ihnen per Link aus meinem eigenen Blog zur Verfügung. Bedauerlicherweise haben Sie die Beiträge der Leser dieses Blogs nur sehr […]

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