Mehr Konkurrenzkampf als Geschlechterkrieg

Mehr Konkurrenzkampf als Geschlechterkrieg
Mal jenseits von jedem Mobbing sehe ich das Problem in der feministischen Verkürzung der Thematik Macht und Sex. Vergessen, verdrängt, oder eh nicht gewünscht das Engelssche Diktum, dass die erste Klassenteilung der Gesellschaft in der Geschichte mit der Unterdrückung der Frau zusammenfällt. Ich betone: „zusammenfällt“. Eben nicht einfach identisch ist, wie das besonders in den bürgerlichen feministischen Kreisen implizit angenommen scheint. Denn die Kehrseite der Medaille ist, dass sich die bürgerliche Frau recht gut damit zu arrangieren schien. Die Macht der Sexualität wird der Macht des Geldes entgegengestellt. Doch diese Macht der Sexualität funktioniert halt auch nur dort, wo Attraktivität in Kapital verwandelt werden kann – in Geldkapital, resp. gesellschaftlicher Machtteilhabe.

So scheinbar naiv wie „nett“ hat das einmal die FDP-Politikerin Koch-Mehrin zum Besten gegeben, dabei übrigens wohlwollend betrachtet von der neben ihr sitzenden Alice Schwarzer. Nämlich als sie keck erklärte: Warum soll ich meine körperlichen Vorzüge nicht für meine Karriere einsetzen? Sie bezog sich dabei auf ihre Latex-Vorführung im Playboy. Und offenbar auch die Frau Schwarzer bemerkte nicht, dass die Dame da die Selbstprostituierung des „Produktionsinstruments Frau“ zum Besten gab.

Aber lesen wir, was Marx und Engels vor mehr als 150 Jahren dazu schon schrieben:
„Der Bourgeois sieht in seiner Frau ein bloßes Produktionsinstrument. Er hört, daß die Produktionsinstrumente gemeinschaftlich ausgebeutet werden sollen, und kann sich natürlich nichts anderes denken, als daß das Los der Gemeinschaftlichkeit die Weiber gleichfalls treffen wird.
Er ahnt nicht, daß es sich eben darum handelt, die Stellung der Weiber als bloßer Produktionsinstrumente aufzuheben.
Übrigens ist nichts lächerlicher als das hochmoralische Entsetzen unserer Bourgeois über die angebliche offizielle Weibergemeinschaft der Kommunisten. Die Kommunisten brauchen die Weibergemeinschaft nicht einzuführen, sie hat fast immer existiert.
Unsre Bourgeois, nicht zufrieden damit, daß ihnen die Weiber und Töchter ihrer Proletarier zur Verfügung stehen, von der offiziellen Prostitution gar nicht zu sprechen, finden ein Hauptvergnügen darin, ihre Ehefrauen wechselseitig zu verführen.
Die bürgerliche Ehe ist in Wirklichkeit die Gemeinschaft der Ehefrauen. Man könnte höchstens den Kommunisten vorwerfen, daß sie an Stelle einer heuchlerisch versteckten eine offizielle, offenherzige Weibergemeinschaft einführen wollten. Es versteht sich übrigens von selbst, daß mit Aufhebung der jetzigen Produktionsverhältnisse auch die aus ihnen hervorgehende Weibergemeinschaft, d.h. die offizielle und nichtoffizielle Prostitution, verschwindet.“
(Marx-Engels; Manifest der Kommunistischen Partei/Proletarier und Kommunisten)

Und genau das hat die bürgerliche Frau – Feministin oder nicht – verinnerlicht. Sie hat sich zum Verständnis ihres Marktwertes hochgearbeitet. Mal nennt man das Prostitution, mal Ehe, mal Karriere. Und die offizielle Prüderie hat diesen Marktwert noch einmal in die Höhe getrieben. Deswegen gehören Prüderie und Pornografie auch zusammen, wie ich mal schrieb. Denn es verteuert das Marktgut um einen Lüsternheitszuschlag. Dieser Zuschlag scheint in dem Maße nun obsolet zu werden, als die Frau ihre besondere Rolle als „Nichtsubjekt“ („Abgespaltenes Subjekt“/Roswitha Scholz – Der Mann ist das Subjekt) gegen einen höheren Anteil an der Macht einzutauschen hat. Das ist der Preis für ein gegendertes Patriarchat. Einen Preis, und das ist nun mal eine Marktregel, die die unterlegene Konkurrenz zu zahlen hat. In diesem Fall, abgesehen von den Männerköpfen, die da jetzt rollen, also die Frau, die sich nunmehr zu erschwerten Marktbedingungen als Frau, als das sexuelle Wesen Frau, zu verwerten hat. Also letztlich alle Frauen, die dagegen keine „Machtteilhabe“ ergattern können. Von der Ehefrau, über die Prostituierten bis hin zur Künstlerin. Daher täuscht auch der Eindruck nicht, insofern dieser Kampf als ein innerfeministischer erscheint. Wenn auch objektiv Teil des Klassengeschehens, letztlich ein innerbürgerlicher Machtkampf. Weniger zwischen Mann und Frau, also weniger Geschlechterkrieg, als Konkurrenzkampf unter den Frauen. Mehr passiver Teil der inneren Zersetzung des bürgerlichen Patriarchats als revolutionärer Kampf um die Macht. Weniger Subjekt als Objekt des diesbezüglichen Geschehens.

Das Irrenhaus ist kein geschlossenes
An H. v. Goslar: Zu Anfang dachte ich noch, na da ist ja endlich mal wieder jemand, der die Rolle der Theorie zu schätzen weiß, doch am Ende frage ich mich dann aber: wozu? Um resignierend festzustellen, dass der Widerstand gegen das Kapital eigentlich sinnlos ist, zumal eh alles ein „Irrenhaus“?! Vielleicht sollten Sie sich mal fragen, jetzt mal jenseits jeder Theorie, doch bzgl. der Theorie, wozu Sie diese Theorie eigentlich betreiben! Um sich schließlich derart selbst zu beschädigen? Sie benutzen die Theorie, also die kategoriale Ebene der Erkenntnis, um in eine naturalistische, nämlich nihilistische Obsession zu verfallen: Eh alles sinnlos! Sie begreifen die Dialektik nicht. Denn diese beschert uns immer Neues, meist da, wo am wenigsten erwartet. Gerade China, dessen Rolle Sie da einerseits dystopisch beschreiben, andererseits als nicht-kapitalistisch verklären, ist so ein Raum, aus dem heraus ich noch einiges erwarte. Eben da kapitalistisch, schuf es einen Sog innerhalb der kapitalistischen Welt, der diese schließlich dann wirklich zum Scheitern bringt. Hunderte Millionen von Wanderarbeitern leben wie mittelalterliche Sklaven. Ja. Stimmt, damit werden die Kosten für die Ware Arbeitskraft vorgegeben – einerseits. Aber auch ein Klassenkampf, wie nie zuvor – andererseits.

Diese Wanderarbeiter leben auf mittelalterlichen Niveau, aber eben nicht im Mittelalter. Das internationale Proletariat wächst in einem Maße zusammen, wie es dem Kapital eben nicht möglich ist, mitzuhalten. Im Gegenteil: Nur das Proletariat ist eine wirklich internationale Klasse, die Bourgeoisie ist dies nur auf abstrakter Ebene, auf der Ebene der Kapitalbewegung, nicht auf der Ebene des Klassensubjekts. Rosa Luxemburg hat das erkannt, indem es dem Kapital bescheinigte, dass es eigentlich etwas unmögliches ist.

Ja, es ist ein Irrenhaus, aber keins in sich geschlossenes, noch überhaupt ein „geschlossenes“. Wir können raus wie rein, wenn auch u. U. nur mit einem Schlüssel. Dafür ist die Theorie notwendig. Sie ist der Schlüssel. Doch diese Theorie muss passen, wie auch ständig neu angepasst werden. Denn das Irrenhaus ist ein lebendiges. Eines, das aus den Menschen besteht, die es beherbergt. Das wiederum macht die Revolution. Doch diese nicht zur Reform. Denn jede Reform ist lediglich ein Abfallprodukt alter Schlüssel. Am Ende erweist sich Ihr ganzer Radikal-Theorismus als radikaler Reformismus. Was für ein Aufwand für so ein klägliches Ergebnis. Und das nur, weil Sie die Dialektik (Siehe auch: blog.herold-binsack.eu/2013/06/negative-dialektik-2) nicht begreifen. Lesen Sie Engels diesbezüglich! Der hat Ihnen da mehr zu erzählen als Sie hier zu zitieren vermögen, oder ich.

Die inneren Widersprüche sind entscheidend
H. v. Goslar: Danke für die Antwort – unter dem Stichwort: Weltsituation. Aber sie macht mich nicht glücklich. Wirklich nicht. Sie stellt eine größere Katastrophe dar als ich zunächst schon vermutete. Allein die erste These: „China stürze das Kapital von außen“ disqualifiziert Sie derart gründlich als „Marxist“, dass ich mich schlicht weigere, Ihnen die Punkte dann noch einzeln um die Ohren zu hauen. Das schlägt an „sozialistischem“ Sektierertum selbst die von Marx und Engels im „Manifest“ erwähnten Utopisten, wie um Weitling in Deutschland (vgl. Vorwort Engels aus 1890 zur deutschen Ausgabe). Das Grundgesetz der Dialektik ist: die inneren Widersprüche sind entscheidend. Ihre inneren Widersprüche hingegen möchte ich nicht haben.
Mit entsetzten Grüßen

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