Wo der Staat nicht der Feind ist
Nun ich frag mich schon die ganze Zeit, um jetzt auch den Spießervorwurf H.v. Goslars dankbar aufgreifend, wie es kommt, dass Sie im Prinzip die Dinge, die doch den Spießbürger – mit seiner Doppelmoral – ausmachen, so treffend pikieren, dennoch exakt dieser Spießbürger Sie inzwischen vorbehaltlosen zum Guru auserkoren hat? Anfänglich sah das noch als Ihre ganz persönliche List aus, nämlich den Spießbürger sich selbst karikieren lassend – von wegen „Klassenkampf von oben“ – aus der Deckung zu locken. Da ist doch einer, der uns versteht. Und scheints gar ein Linker. Doch inzwischen sind nicht wenige Beiträge von Ihnen selbst so skandalös rechts, dieser hier mal nicht, doch Ihr Publikum scheint das anders zu sehen, dass Sie sich entweder geändert haben, oder ich mich getäuscht. Vielleicht auch beides.
Nun lese ich diesen belanglos wirkenden Satz von Ihnen weiter oben: „Woanders ist der Staat der Feind, doch hier ist er das nicht.“ Ich denke nicht, dass ich Sie fragen muss, ob Sie das wirklich glauben. Denn scheint es mir auch die Antwort auf das Paradox. Da lugt er hervor – der Zipfel des Spießbürgers. Das bringt Ihnen die Sympathisanten, die Sie anscheinend verdient haben!
Nun, Sie betrachten sich ja vermutlich nicht nur als Schreibender, sondern auch als Künstler als solcher. Und wo dem Künstler der Staat nicht mehr der Feind ist, hat dieser Staat den Künstler schon erledigt. Das zumindest wäre die Erklärung nach Marcuse, den Sie doch vermutlich noch respektieren.
So affektiv wie spießig eben
@Sioux: Ein inhaltliches Argument, bezogen auf den Gegenstand der Debatte, das mit dem Spießer ist nur eine Form dessen, was ich unter „rechts“ oder „konservativ“ verstehe (auch ein Linker kann ein Spießer sein, doch dann ist er – wider eigener Annahme – kein Linker), wäre mir lieber gewesen als diese affektive Betroffenheit. Aber Sie machen es mir leicht, und ich muss gar nicht erklären, was ein Spießer ist. Denn genau das ist er: der, der rein affektiv sein spießiges Dasein zu schützen sucht. Sozialhistorisch passt das auch, denn es geht zurück auf den deutschen Pfahl- resp. Spießbürger (der mit dem Spieß auf der Pfahlburg). Daraus wurde dann der Kleinbürger, ergo: der Provinzbürger. Also der, der eigentlich nur verliert, dennoch glaubt, er hätte noch was zu verteidigen…
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