Das Leben (re)produzierend, nicht den Tod

Folgende beide Beiträge von mir übernehme ich ob ihrer Grundsätzlichkeit aus einer Facebook-Debatte in dem „Oberurseler Stadtgespräch“. Aufgrund der Initiative meines Freundes Heinz Renner, der dieses Forum administriert, herrscht dort gewissermaßen ständig Wahlkampf.

Im 2. Beitrag (an „Heinz“) nehme ich Bezug auf den Wunsch, entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Doch wie soll man einer sterbenden kapitalistischen Gesellschaft Vorschläge zu ihrem Überleben unterbreiten? Angesichts der anzusprechenden Probleme und der Krise des Kapitals, kann man ernsthaft nur Vorschläge unterbreiten, die das eh baldige Ableben dieser Gesellschaft noch beschleunigen dürften, wobei dies die Grundbedingung wäre, um das Leben zu erhalten, bzw. reproduzieren.

„Oberursel wird immer mehr zu einer Schlaf- und Rentnerstadt. Von wegen „unser Montmartre“. Da würde meine Losung geplündert, ohne auch nur im Ansatz meine Vorschläge aufzugreifen, bzw. überhaupt zu begreifen. Ein „Montmartre“ meint nicht einen billigen Abklatsch einer Touristenattraktion, sondern das Kernstück einer Jugendlichen Taunusdestination, die aber mehr zu vermarkten hat als den morbiden Charme alter Gassen oder gar eines in die Jahre gekommenen kleinbürgerlichen zudem nicht mehr produktiven Mittelstandes. Eines Mittelstandes, dem die Grundstücke und Häuser, wenn nicht lediglich eigene Schlafstatt, dann Rentiereinkommen sind. Ein so gelangweiltes wie langweilig-sattes quasi Altersheim in Toto, ähnlich darin Königstein, wenn auch bei weitem nicht so reich. Diese Leute werden wohl auch geplündert, ob der A-Produktivität ihres Wirtschaftslebens durch steigende Grundsteuern und dergleichen, aber das ist nichts im Verhältnis zu den Belastungen, die die jungen Leute erfahren und überleben müssen. Steigende Kita-Gebühren sind angesichts solcher Entwicklungen ein geradezu obszön wirkende senile Leidenschaft. Es kann dieser Stadt offenbar gar nicht schnell genug gehen auf dem Weg zur letzten Ruhestätte. Auch der vormals besondere Charme der Oberurseler, welcher der keltischen Eigenbrötelei abgeguckt scheint, weicht zunehmend jenem spät-römisch wirkenden affektiven Stoizismus, der die alten Knochen über die Zeit zu retten sucht. Nur noch wenig hadernd sich seinem Schicksal ergebend. Eine Stadt, die, wenn sie mich nicht zu solchen philosophischen Betrachtungen anregt, eigentlich nur noch ermüdet. Ja, dieser stoizistische Gleichmut erstickt selbst den widerborstigsten Geist.

Ja Heinz, du sprichst mir aus der Seele. Doch wie sollte ich eine produktive Kritik formulieren, ohne weit auszuholen, sowohl in die Zukunft als auch in die Vergangenheit, und in theoretische Gefilde, nämlich der Kritik der Politischen Ökonomie? Die Krise unserer Altstädte ist ja keine originäre Krise dieser Altstädte, an diesen zeigt sich nur ein Paradox, das wir woanders nicht erkennen. Wir rekurrieren mit unseren Altstädten auf eine andere Wirtschaftsweise. Die Wirtschaftsweise des Mittelalters kannte noch nicht diese Trennung in Arbeiten und Schlafen, ja Produzieren und Konsumieren. Sie waren eben keine Schlafstädte sondern Produktionsstätten. Der Kapitalismus hingegen existiert ja überhaupt nur, da es seinen Urrepräsentanten gelungen war, diese Trennung herbeizuführen und dadurch erst Kapital zu akkumulieren. Nur wenn die Produkte von denen konsumiert werden, die sie selber nicht hergestellt haben, bzw. von deren Herstellung sie entfremdet sind, ob der Eigentumsverhältnisse, die dazwischen stehen, also wo sie nicht selber Eigentümer jener Mittel sind, die diese Produkte herstellen lässt, wird „Wert“ generiert. Ein Wert, der stets zwei Seiten hat, den Gebrauchswert für den Konsumenten und den Tauschwert für den Produzenten. Erst auf dem Markt werden diese beiden Werte wieder zusammengeführt. Doch so ganz nebenbei, wie von „Geisterhand“ wird da Profit erwirtschaftet, aus jenem ominösen Mehrwert nämlich, den da der eigentumslose Arbeiter erwirtschaftet. An dieser Stelle belassen wir mal die theoretische Kritik. Als praktisch relevant zeigt sich das immer nur in unseren Krisen. Hier in der Krise der Altstädte, bzw. gar der Stadt Oberursel, wie überhaupt der Kommunen. Denn diese Produktionsweise zeigt sich besonders dort als fatal, wo sie im Widerspruch steht zu den materiellen Bedürfnissen seiner Bürger und wo deutlich wird, wie Finanzinstitute und nicht Produktionsstätten alles Wirtschaftsleben beherrschen. Mit allen Konsequenzen. In Oberursel scheint das jene Allianz aus einem besonders mächtigen Versicherungsunternehmen und jener schon antik anmutenden Haus- und Grundbesitzeraristokratie zu sein. Eine mehr als schädliche Allianz, in Bezug auf die Produktivität einer Stadt. Während die einen nur den Mehrwert der anderen absaugen, kraft ihrer Marktmacht, leben die anderen wie die Made im Speck jener, die Werte außerhalb des stets steigenden Grundbesitzwertes überhaupt erst erwirtschaften. Wenn man es ihnen erlaubt. Während die einen Jene Organe des postindustriellen Kapitalismus im sprichwörtlich wahrsten Sinne des Wortes zu sein scheinen, würgen die anderen diese Organe ab. Während die einen die Funktionen dieses kapitalistischen Körpers analog der Macht der Organe über das Leben steuern, ob der Biochemie und Biotechnologie wirklich im sprichwörtlich schon produktiven Sinne (denn sie beginnen nicht mehr nur die Organe zu benutzen, sondern auchselber zu produzieren), sitzen die anderen an diesen Organen und saugen dort die wertvollsten Säfte ab. Die Grundstücksspekulanten teilen sich nicht von ungefähr zusammen mit den sog. Heuschrecken, also gewissen Finanzdienstleistern, wie es so schön heißt, den schlechtesten Ruf. Und das sind die, die Oberursel beherrschen. Wenn der Bürger diese Fremdbeherrschung seiner Organe nicht akzeptieren will, muss er selber „wieder produzieren und weniger konsumieren“, wie ich nicht müde werde zu sagen. Denn da wo wir lediglich konsumieren, inhalieren wir diese fremden Organe und ernähren nebenbei nur unsere „Parasiten“, während der Organismus immer schwächer wird. Am Krankenbett des Kapitalismus versucht dieses Kapital uns alle zum Dauerpatienten zu machen. Um die Macht noch an diesem Krankenbett zu halten. Eine Belebung der Altstadt, wie der Kommunen überhaupt, wird es also erst dann geben, wenn die Bürger sie produzierend machen, wider die Produktion von Wert und Profit. Und wider das Privateigentum an Produktionsmitteln und Grundbesitz. Das Leben (re)produzierend, nicht den Tod.“

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