Der Einzelne ist nichts

Nach diesem Beitrag in der Zeit-Online, zumindest ist das zu vermuten, hat mich die ZEIT für die Community gesperrt. Kommentarlos. Die Merkwürdigkeit am Rande: der Beitrag steht noch. Das wäre damit das 2. Mal, dass die ZEIT mich gesperrt hat. Das 1. Mal ebenso kommentarlos. Doch damals wusste ich den Grund, denn der Beitrag wurde gelöscht. Auch ohne Begründung. Ich wagte es damals über die „Leichen im Keller der Bonner Republik“ zu orakeln. Es ging um den nach wie vor – und damals erneut diskutierten – nicht aufgeklärten Mord an Uwe Barschel. Doch worum geht es jetzt?

Der Einzelne ist nichts
So oder so ähnlich – auch meine Geschichte. Die Türkei, meine zweite Heimat, plötzlich zu Ende, nach den 12 Jahren der Ehe mit einer Türkin. So, als hätte es die Türkei nie gegeben, so als hätte es mich nie gegeben. Geblieben für mich sind die Erinnerungen. Vor allem die schlechtesten. Zuletzt an die Familie jenes Verbrechers aus Istanbul, dem ehemaligen Innenminister der Türkei – unter Ciller. Mehmet Agar. Über dessen jüngeren Bruder – Yunus. Letzterer, ein Kleinkrimineller, der gestohlene Autos verschob. Unter dem Schutz des mächtigen Bruders, unter den Augen der Behörden. Sie waren die Behörden. „Ihnen“, der Familie seines Onkels und seines Bruders, gehörte Istanbul und Ankara, wie Yunus immer wieder stolz behauptete. Capo die Capi in Istanbul und Ankara, Chef von Todesschwadronen, und Innenminister. Das ist das Bild einer herrschenden Klasse, das ich nie vergesse. Die Nähe meiner Familie zu dieser war wohl zufällig, doch die Existenz solcher Familien mitten in der Gesellschaft, voll der „Unschuld“, wie es scheint, ist kein Zufall. Es ist mein Blick in die „Tiefe“ des Staates, in den „Tiefen Staat“. Geblieben ist in mir eine Realität, wie ich sie zuvor nie erlebt habe, und eigentlich nie wieder erleben möchte. Ein Blick auf jene, die mir die Unschuld nahm, und den Glauben an die Unschuld. Denn der Einzelne ist nichts; und das macht sie schuldig. Nicht erst nach dem Scheitern.

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