Wenn die Ideologie ihre Bindungskraft verliert

Wenn die Ideologie ihre Bindungskraft verliert
Was wäre die bürgerliche Gesellschaft ohne die Presse? Vermutlich gäbe es sie gar nicht. Und jetzt liegt sie im Sterben, diese „alternativlose“ Gesellschaft. Das Pressesterben mag dem Ende des Kapitals zeitlich vorausgehen, doch das Ende des Kapitals ist dessen logische Ursache. Egal, wie man glaubt, es anpacken zu können: dieser Prozess ist unaufhaltsam. Und jeder Versuch, die Presse am Leben zu halten, wird diesen Prozess nur noch beschleunigen. Die Online-Ausgaben haben nur deshalb noch Zulauf – die kostenlosen –, da hier der Leser selber schreiben kann.

Die Arbeitsteilung wird in der kapitalistischen Gesellschaft noch einmal auf die Spitze getrieben, bevor sie obsolet geworden sein wird. Die wichtigste Arbeitsteilung, die zwischen geistiger und körperlicher Arbeit, also die, die die Klassenteilung maßgeblich gefördert hat, zeigt sich auch als Arbeitsteilung zwischen Schreibenden und Lesenden, Textproduzierenden und Textkonsumierenden. Sie erledigt sich in dem Maß, wie sich die Arbeitsteilung zwischen Produzenten und Konsumenten erledigt. Und das ist der deutlichste Hinweis darauf, dass die kapitalistische Marktwirtschaft im Sterben liegt.

Wo der innere Markt stirbt, stirbt das bürgerliche Subjekt, prekarisiert der Antagonismus zwischen Lohnarbeit und Kapital. Der Kampf um die Neue Weltordnung macht deutlich, dass das Kapital verzweifelt nach einem Ausweg sucht. Der Weltbürger sucht sich zu kreieren. Eine Klasse über der Klasse. Doch so sehr das Kapital international ist, ist es doch an die nationale Form gebunden. Und darin unterscheidet es sich vom Lohnarbeiter. Der Versuch, diese Form aufzulösen, stürzt es in eine ultimative Krise. Die Massen der „Konsumenten“ spüren diese Krise; und sie „produzieren“ heftig dagegen. Man schaue sich nur den Riss zwischen den redaktionellen Artikeln und der Flut an Leserbriefen dagegen an – hier in der FAZ zum Beispiel. Die Kritik der politischen Ökonomie (des Kapitals), einst ein rein theoretisches Projekt, welches den Massen mit hohem Aufwand als politisches Bewusstsein vermittelt werden musste, beginnt sich im phänomenologischen Bewusstsein der Massen niederzuschlagen. Nicht dass das ausreichte, das Kapital jetzt zu stürzen, doch es reicht um eine nie dagewesene politische Krise auszulösen. Die Finanzkrise mag der Auslöser gewesen sein, doch die Vertrauenskrise geht erheblich tiefer.

Wie auch immer das Bürgertum seine Ideologieprodukte unter die Massen zu bringen sucht, kostenlos, oder über eine Pay-Wall, oder gar durch eine Art Gebühr finanziert, es findet dort keinen nennenswerten Abnehmer mehr. Keine Gläubigen seiner Ideologie mehr. Wenn die Ökonomie einer Gesellschaft in die Krise gerät, verliert die Ideologie ihre Bindungskraft. Und wo eine Ausbeuterklasse darüber diskutiert, wie sie nennenswerte Teile der ausgebeuteten Massen im Jahr X mit Mindestlohn abzuspeisen gedenkt, und dabei dennoch befürchten müsse, wie dieser Mindestlohn ihre Ökonomie gefährde, dort scheint es Zeit abzudanken, für diese herrschende Klasse. Die einzige Botschaft vielleicht noch, die im Volk Gehör finden dürfte.

Körperverletzende Satzungetüme
Danke Kinky, ich sehe gerade, dass die Vorlesung 2009 war. Ich hoffe, die Studenten haben das überstanden; mich hat die Sprache fast erschlagen! Solche Satzungetüme grenzen schon an Körperverletzung. Helfen Sie mir auf die Sprünge: was wollte die Dame da gesagt haben?

blogs.faz.net/wost/2014/06/08/geld-wir-leben-im-kapitalismus

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