Die Reduktion, die Illusion und die Suche nach dem Quell des freien Willens
Nicht schlecht geschrieben. Könnte mich fast überzeugen. Doch etwas fehlt. Was ist es nur? Ich denke nach. Ja! Es ist die Kritik am Reduktionismus. Eine Kritik, die ich teile. Doch jetzt wird mir was klar. Der Reduktionismus kommt von der klassischen Wissenschaft selbst. Jede Wissenschaft fußt auf der Methode des Reduktionismus. Ohne zu reduzieren, würde man nichts verstehen, wäre auch jede Vermittlung, jedwede Didaktik vermutlich unmöglich. Man kann sowenig alles auf einmal verstehen, wie man Vorspeise, Hauptspeise und Nachspeise auf einmal verzehren kann.
Doch warum diese Scheinwelt? Ich denke, das kommt daher, weil wir getrennt sind. Dort sind die, die reduzieren, um zu verstehen. Dort die Anderen, die das Verstandene vermitteln. Wiederum woanders die, die das Vermittelte umzusetzen gedenken, und dabei entweder Fehler machen, oder die das „Verstandene“ kritisieren (müssen). Der Komplexität willen, die sie plötzlich entdecken. Denn ohne die Komplexität erfasst zu haben, können wir nicht in das Verstandene eingreifen; jedenfalls nicht auf vernünftige Weise, können wir nicht Teil haben an einer Veränderung unserer Umwelt. Die Umweltkatastrophe – höchstpersönlich – lässt grüßen.
Wir haben also Wissenschaftler, die reduzieren, und vielleicht andere Wissenschaftler („Techniker“), die komplizieren. Und dazwischen einen Haufen Leute, die glauben, dass sie etwas verstanden haben und sich forsch an die Arbeit machen. Doch zeigt sich schnell, dass wir eine Menge Leute haben, die weder was von dem Einen, noch von dem Anderen verstehen, denn sie verkomplizieren dort, wo es einfach zu erklären wäre und umgekehrt. Daher die (berechtigte) – Kritik an den „Spezialisten“. Die Frustration lässt sich nur in der Flucht zur Illusion ertragen.
Das Dilemma ist die Arbeitsteilung, letztlich die Klassenteilung in der Gesellschaft. Wenn wir uns von der Illusion (der „falschen Ideologie“ – Karl Marx) trennen wollen, müssen wir vereinen. Marx nannte das die Aufhebung der Trennung von Theorie und Praxis, die Aufhebung der Klassengesellschaft. Die Forschenden müssen mit den Arbeitenden vereint werden, die geistig Arbeitenden mit den körperlich Arbeitenden, die (aus gleich welchen Gründen) Nicht-Arbeitenden mit den zur Arbeit Gezwungenen, die Produzierenden mit den Konsumierenden…Und so auch schaffen wir die Einheit von Denkenden und Nichtdenkenden und lösen damit das vielleicht letzte Rätsel der Philosophie, dessen Suche nämlich nach dem Quell des freien Willens.
blogs.faz.net/10vor8/2014/01/15/entwurf-dannie-jost
2 Trackbacks
[…] Die Technik, das Subjekt und Karl Marx Gefällt mir, was Sie da schreiben, Herr Ximera. Vor allem auch unter dem Aspekt, dass ich endlich nicht mehr der einzige bin, der es wagt, als Leserkommentator in einer konservativen Zeitung, sich offen auf Karl Marx zu beziehen. Ich halte es natürlich nicht für einen Zufall, dass solches geschieht, denn diese Krise bringt zum Vorschein, dass Karl Marx nicht nur in diesem Zusammenhang richtig lag (einschließlich Ihrer Interpretation, die ich teile). Bezüglich des hier besprochenen Verhältnis‘ von Technik und Subjekt, um das es ja eigentlich geht, verweise ich auf den hochinteressanten um nicht zu sagen: provokanten Blogeintrag von Dannie Jost, in dieser Zeitung: „Ach, analog, digital — Quanten! Blitzkurs für alle Feinde des …. […]
[…] Und natürlich haben Sie Recht: wir sollten schon mehr tun als räsonieren. Wo ich fordere die Theorie mit der Praxis zu vereinen, meine ich genau […]