Das zu lösende Rätsel

Das zu lösende Rätsel
Auch wenn Ihre Argumentationslinie sehr klug formuliert ist und Sie ganz sicherlich damit nicht ganz falsch liegen, so greifen Sie dennoch zu flach. Ähnlich wie übrigens das Gros der Wissenschaftler auf der letzten Veranstaltung zu „Demokratie im Würgegriff der Finanzmärkte“, am 17. Dezember 2012 in der Uni-Bockenheim, Frankfurt, welche Sie freundlicherweise, doch im Ergebnis nicht so ganz zu meiner Freude, zu moderieren suchten. Es gelang Ihnen nicht, obwohl Sie sich darum bemühten, dieses sich in aphoristische und metaphorische Weisheiten flüchtende Gremium von nichtsahnenden Doktoren und Professoren in einen fruchtbaren Diskurs zu zwingen. Am Ende gaben die Herren (einschließlich der Dame Wagenknecht) nur noch – konsequenterweise, muss man sagen -, ihr Glaubensbekenntnis ab. Die hochbesetzteste wie schlechteste Veranstaltung in dieser ganzen Reihe.

Denn die Frage sollte meiner Meinung nach lauten – übrigens dort wie hier: Wem nutzt das Alles? Welche Macht also hat der Finanzsektor, seit vor etwa 30 Jahren eine gewisse Frau Thatcher die britische Realwirtschaft zugunsten des Finanzsektors zerschlug? Schuf sie so doch nicht nur ein weiteres Heer an Arbeitslosen aus der produktiven Wirtschaft heraus, also aus den Lohnarbeitern, den Proletariern, sondern versuchte sie die Finanzindustrie dazu bewegen, das Kapital selber zu schaffen. Endlich ohne Umwege über die lästige Warenproduktion, dem Schmutz der Industriearbeit. So als wäre Geld plötzlich die erste und wichtigste Ware selber. Aber wie schon andere gesagt haben: Geld kann man nicht essen.

Allerdings kann man mit einer Illusion mehr eine weitere Blase schaffen. Und genau das ist geschehen.
Was die Herrschaften aber wohl nie begreifen werden, ist, dass ohne die Mehrwerte aus der Realwirtschaft, der Warenproduktion, auch Geld als Äquivalent eben der Warenwerte, wertlos ist. Geld ist allgemeines Äquivalent, da es als normale Ware ausgeschieden ist.
Die Ökonomen sollten „Das Kapital“ von Karl Marx studieren, nicht die Illusionen des Kapitals inhalieren. (Gold hat seinen eigenen Wert, denn es ist Rohstoff wie Ware, aber davon reden wir jetzt nicht.)

Statt aber zu begreifen, dass die Bankerbonis deswegen so hoch waren, weil sie dieser Illusion folgten, verspricht man uns nun, dass man zum „Kerngeschäft der Banken zurückkehren wolle wie könne“. Bzw., führt man jetzt wohl endlose Debatten darüber, ob die Banker besser oder schlechter ausgebildet waren. Verbildet waren sie, wie der Rest der Bande.
Voller Dünkel, und völlig verblendet ob der Tatsache, dass sie nur Spielgeld schufen. Sie merkten gar nicht, dass sie quasi ihr eigenes Second Life kreierten.
Die Illusion kann man begraben, aber den eingeschlagen Weg wohl eher nicht.
Nicht ohne Schaden zu nehmen. Gigantischen Schaden. Einen solchen, den die Welt an den Rand eines Weltkrieges treiben, und/oder die Völker in den Bürgerkrieg stürzen müsste.

Mag sein, dass nach solch einem Krieg oder Bürgerkrieg die Banken automatisch auf ihr Kerngeschäft zurück geführt werden, falls es sie dann noch gibt. In dem Maße nämlich, wie die Gesellschaft dann in der Steinzeit gelandet sein wird. Denn wie sagte schon Einstein? Mit welchen Waffen der 3. Weltkrieg geführt wird, wissen wir nicht. Im 4. Weltkrieg aber wohl mit den Waffen der Steinzeit.

Und um diese Prognose herum quält sich nun die ganze bürgerliche Klasse. Fürchten sie doch diesen 3. wie 4. Weltkrieg. Einen, den ihnen Alan Greenspan prognostiziert hat, für den Fall nämlich, dass die Immobilienblase platze. So treibt man diese Blase zur nächsten, usw. und sofort.
Sie müssen das Vorwärts so fürchten, wie das Rückwärts. Also spielt man auf Zeit. Hofft, dass man den Massen lang genug Sand in die Augen streuen kann. Bis man irgendeine kluge Lösung gefunden hat. Doch genau dafür scheinen die Banker nicht ausgebildet zu sein, nicht gebildet genug! Wie die ganze gebildete „Klasse“. Zudem zu egoistisch wie gierig.
So fragt man gar mal das Volk – so verstehe ich zumindest diese unglaubliche Veranstaltung der Bürger-Uni Frankfurt. Die Massen sollen ihre Meinung äußern. Doch entscheiden tun die anderen, die Spezialisten der Herrschenden. Die, die über das „technische Wissen“ verfügen. Die „Halbgebildeten“, wie Ortega y Gasset sie einst böse karikierte.

Erst einmal werden Banker entlassen. Das beruhigt das Volk und entlastet das nach Luft ringende Kapital. Und es macht Stimmung, gegen die Gebildeten, gegen die dem Volk schon immer Verhassten. Es schwimmt auf der immer noch hochschlagen könnenden „antisemitischen Welle“. Es belastet den Steuerzahler, den „Leistungsträger“, und macht diesen wütend. In Frankfurt am Main gar, ein gefährliches Unterfangen. Herr Fettmilch lässt grüßen. Das Arbeitsamt Frankfurt bereitet sich schon darauf vor. Es beansprucht ab 2013 die ganze Fischerfeldstraße für sich allein. Für Arbeitslosengeld I. Die Hartz-IV-ler müssen weichen. Und auch der Magistrat der Stadt Frankfurt rechnet mit einem 3-stelligen Millionenbetrag an Mindereinnahmen im Jahr 2013 – aus der Gewerbesteuer wie Einkommenssteuer.
Es wird auch der Öffentliche Dienst ausgedünnt werden. Wieder mal werden die Banken wohl gerettet.

Doch wohin geht die Reise. Die Ökonomen haben Recht. Sie können in die Zukunft nicht sehen. Denn sie fürchten sie. Konservative aller Länder vereinigt Euch. Das vielleicht wäre ihre Parole.
Die Nationalstaaten sollen Leben. Die Nichtleistungsträger bluten. Die Rentner verhungern. Die Banken aufs Kerngeschäft beschränkt werden. Den Kleinbürger nämlich juckt schon die Faust in der Tasche. So als könne man die Geschichte zur Umkehr zwingen und noch ein weiteres Mal die lohnarbeitenden Massen um die klassenlose Gesellschaft betrügen.

Doch welche Klasse repräsentieren diese Manager eigentlich? Eine heiß diskutierte Frage dieser Tage. Sind sie die Offiziere des Kapitals (Karl Marx) oder des Kapitals Totengräber? Totengräber aus Dünkel, Unwissenheit, Gier und Egoismus heraus. Doch die Geschichte, als das Ereignis im Leben der Menschen, welches sich dem Menschen so verfremdet, wie auch immer verspätet offenbart, folgt gnadenlos ihren Gesetzen. Gesetzen, die wohl von Menschen gemacht werden, sich aber, einmal in die Welt gesetzt, des Menschen Macht entziehen.

Der Weg, den das Kapital nun folgt, ist der in Richtung Sozialismus, ob es will oder nicht. Und daher scheint es beinahe gleich, wer den Totengräber macht. Wo man das Marxsche Proletariat daran hindert, erledigt das Kapital das wohl selber. Nur dann auf andere Weise. – Auf egoistische, gierige, unwissende, ergo: barbarische Weise. Vom Transferkapitalismus zum Sozialismus, das wäre wohl die komischste Komödie zu des Kapitals Tragödie. Ob das dem Kapital gefällt oder nicht – der Kapitalismus wird die letzte Klassengesellschaft sein. Dessen werden sich die Krieger aller Klassen zunehmend bewusst. Und das Finanzkapital selber wird sein eigener Totengräber sein, das wohl ist die Ironie der Geschichte.
Selbst Marx mag das so nicht gewusst haben, aber vielleicht geahnt. Denn je länger das Kapital herrscht, desto ähnlicher wird es in mancher Hinsicht dem Sozialismus, wenn auch niemals mit diesem identisch. Banken verstaatlichen wie zurück privatisieren, dies Szenarium wird uns von nun an ständig begleiten. Bis dem Kapital völlig die Luft ausgeht. Bis es all seinen Kredit verspielt hat. Sozialismus oder Barbarei, das bleibt wohl das zu lösende Rätsel im 3. Jahrtausend, moderner Zeitrechnung.

faz.net/blogs/fazit/archive/2012/12/29/die-logik-der-hohen-boni

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