Ziellos, dennoch erfolgreich
In der Naturbeobachtung stoßen wir immer wieder auf ein und dasselbe Phänomen: Kleine Ursache, große Wirkung. Und dafür kann es im Prinzip nur eine Erklärung geben: Der Natur ist das Individuum fremd. Physikalisch gesprochen folgt es dem Fraktale-Algorithmus, biologisch der Schwarmintelligenz. Wir Menschen scheinen ob unserer Subjektivität/Individualität eine Ausnahme zu sein. Doch auch wir handeln vermutlich unbewusst wie wohl auch stellenweise bewusst nach einem Rhythmus. Und wenn ich das Wort Rhythmus so betrachte, dann will es mir nicht merkwürdig erscheinen, dass wir uns auch bei der künstlerischen Gestaltung von Tönen von einem vergleichbaren Gesetz leiten lassen, das da lautet: Geringstmöglicher Aufwand auch und gerade bei maximalen Kombinationsmöglichkeiten. Und vergessen wir auch nicht ein weiteres Phänomen, was diese Theorie zu bestätigen scheint: So erachten wir ein Kunstwerk nur als ein solches, wenn der (individuelle) Arbeitsaufwand (des Künstlers) darin möglichst nicht zu erkennen ist. Dass wir das dann u. U. einem „Genie“ zuordnen wünschen, folgt der Logik jener falschen Ideologie, welche das Kunstwerk einem Einzelnen – dem Künstler – zuspricht, und eben nicht der Gesellschaft, welche Künstler wie Kunstwerk gleichermaßen erst hervorbrachte.
Und da weder Fraktale-Algorithmen noch Schwarmintelligenzen strategische Ziele verfolgen, vermuten wir hierbei probabilistische Gesetzmäßigkeiten. Wir Subjekte, welche sich als Individuen immer von Zielen leiten lassen, staunen nur, ob der darin erkannten Tatsache, dass man offenbar auch ziellos, erfolgreich sein kann. Da wir das aber nicht wirklich verstehen, stellt sich uns eine solche Bewegung als „Annäherung“ dar. Doch worin unterscheiden sich Ergebnis und annäherungsweise erreichte Ziele?
Nehmen wir die Bienen und den Honig. Dass die Bienen den Honig nachhause gebracht haben, kann man als Ergebnis betrachten. Doch war es dies auch das Ziel? Wo es kein Bienenindividuum gibt, kann es auch keine Biene geben, die dem Ziel folgt Honig nachhause zu bringen. Der Honig ist das Ergebnis verschiedener – vermutlich hormonell gesteuerter – Zusammenhänge. Alle Bienen zusammen ergeben quasi einen Organismus. Doch dieser Organismus macht die einzelnen Bienen dennoch nicht zu fremdgesteuerten Maschinen. Es gibt keine Zentrale, von wo aus der „Bienenstaat“ gesteuert wird. Jede Biene ist ein biologisches Unikat. Und nur indem jede Biene ihren eigenen Impulsen – Trieben – folgt, ergibt sich jene Schwarmintelligenz, welche messbare Ergebnisse – Honig – zeitigt (ich vermeide das Wort „erzielt“). Doch indem dieser Honig eben nicht selbst verzehrt wird, sondern dem nachkommenden Schwarm zugefüttert, zeigt sich wiederum jene geradezu notwendige Ziellosigkeit in diesem Schwarmverhalten. Hätten die Bienen Ziele – gleich als Einzelne oder im Schwarm –, könnte es passieren, dass sie entarten und den Honig selber verzehren. Das würde nicht nur den Schwarm vernichten, sondern ein Bienenindividuum, ein Bienensubjekt (einen wirklichen Bienenstaat gar) womöglich, kreieren. Eine dem Menschen grauenhafte Vorstellung.
Doch am Beispiel des Menschen können wir sehen, wie gefährlich ein solches Subjekt als menschliches Individuum – und erst recht im Schwarm – sein kann, und daher in der Natur eben nur ausnahmsweise geduldet.