Ist die trotzkistische „Arbeiterkontrolle“ eine revolutionäre Losung?
(Der folgende Beitrag ist der Auftakt zu einer Auseinandersetzung mit der trotzkistischen Losung nach „Arbeiterkontrolle“ aktuell in der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, und wie ich ihn aktuell vor allem via Facebook führe.)
Aufgrund des prinzipiellen Charakters der Losung der Trotzkisten nach „Arbeiterkontrolle“, und auch ob der Bedeutung der nationalen Bewegung in Katalonien für die ganze Sache des sozialistischen Proletariats, noch ein paar Worte extra.
Wie soll denn die Arbeiterkontrolle außerhalb einer sozialistischen Republik aussehen? Die richtige Forderung wäre nicht „Verstaatlichung“, sondern Nationalisierung. Ein Begriff der klar den nationalen Charakter einer solchen Maßnahme betonen würde, ohne Illusionen über den Klassencharakter zu erzeugen. Die sozialistische Republik mit den darin enthaltenen Enteignungen wäre damit nicht der erste sondern der 2. Schritt.
Aus der Sicht der Trotzkisten ist die „Arbeiterkontrolle“ wohl so etwas wie eine Zwischenlösung, bzw. Übergangslösung zwischen der demokratischen und der sozialistischen Revolution. Doch ist sie das wirklich? Denn am Beispiel der aktuellen so nationalrevolutionären wie demokratischen Bewegung in Katalonien, aber auch Spanien (soweit auch dort sich der Kampf „lediglich“ gegen die Nachgeburt des Franquismus – die spanische Monarchie richtet, bzw. richten sollte) zeigt sich die Verwirrung , die diese Losung stiftet. Und das ist auch kein Wunder. Doch eine Wunderwaffe scheint sie den Trotzkisten zu sein. Verhilft ihnen doch diese Forderung zu einer radikalen Phrase, die dem Inhalt in keinster Weise entspricht. Es ist der Salto Mortale der Trotzkisten aus einer im Wesentlichen rechten, nämlich reformistischen Gruppierung, in eine linksradikale.
Außerhalb einer bestimmten historischen Situation und da auch nur innerhalb eines sehr engen zeitlichen und taktischen Korridors ist diese Losung purer Unsinn. So scheint sie der russischen Oktoberrevolution abgekupfert, und erweckt daher den Anschein einer besonders radikalen kommunistischen Taktik (siehe auch folgende wirklich gute Kritik aus der Internationalen Bibliothek der kommunistischen Linken).
Aufgrund des relativ schnellen Übergangs der russischen Revolution von der demokratischen zur sozialistischen Etappe, und zwar ob der Schwäche der russischen Bourgeoisie, und der kriegsbedingten Differenzen innerhalb des gesamten bürgerlichen Lagers im Weltmaßstab, gelang den Bolschewiki dieser Geniestreich. Über eine kurze Phase der Doppelherrschaft, innerhalb derer sich die bürgerlichen Kräfte völlig aufbrauchten, gelang es den Bolschewiki die radikal-demokratischen Massenorgane, wie die der noch jungen Sowjets, in sozialistische zu verwandeln, diese also einer Art „Arbeiterkontrolle“ zu unterwerfen. Der Klassencharakter der Bewegung hatte sich verändert und daher auch die Form.
In Katalonien haben wir es mit einer ausgeprägten radikal-demokratischen Bewegung, hauptsächlich wohl unter bürgerlicher und kleinbürgerlicher Führung, auf der einen Seite, und einer unter Führung der Arbeiterbürokratien Kataloniens und Spaniens stehenden ergo: opportunistische Arbeiterbewegung zu tun. Und zudem mit einer ausgebufften und machterfahrenen europäischen Bourgeoisie. „Arbeiterkontrolle“ als Losung aufzustellen, bedeutet sowohl die eigene Schwäche, d.h. die Schwäche der Arbeiterklasse zu verkennen, eine Klasse, die in Bezug auf Spanien der Schwanz ist, mit dem die franquistische Bourgeoisie wedelt, und die auch in Katalonien weit davon entfernt ist, die Führung inne zu haben, und eben darin auch die eigene sozialistische Zukunft zu vernebeln. Das heißt, die linksradikale Phraseologie verbirgt das rechtsopportunistische Wesen, nämlich die Klasse davon abzuhalten, ihre eigene Aufgaben (und natürlich ihre eigenen Schwächen) wahrzunehmen.
Im Übrigen ist auch in Katalonien die sozialistische Republik, also auch eine reelle „Arbeiterkontrolle“, nämlich in Form einer sozialistischen Staatsmacht (gleich ob als Doppelherrschaft oder nicht), nicht die Tageslosung. Die unabhängige demokratische Republik wäre eine revolutionäre Losung, auch und gerade für die Arbeiterklasse – Kataloniens wie Spaniens -, insoweit diese nämlich dadurch den Spalt geöffnet bekäme, den sie bitter nötig hätte, um dem Franquismus und Monarchismus offensiv zu begegnen. Und ohne diese Offensive, ist die „sozialistische Republik“ (in Katalonien wie in Spanien) eine so verführerische wie gefährliche Losung.
Und so wie es scheint, gar noch gefährlicher. Denn hinter der geheuchelten „Entschuldigung“ der franquistischen spanischen Zentralregierung gegenüber den Katalanen werden die Messer schon gewetzt. Und weder das katalonische noch das spanische Volk sind darauf vorbereitet.
Und Tageslosungen, die dieser Gefahr begegnen, sehe ich weit und breit nicht. Das Volk hungert nicht nach Entschuldigungen, sondern nach echten demokratischen Rechten. Darauf müssen die Losungen zugespitzt werden.
Und das bedeutet für Katalonien nicht die föderale Republik, sondern die unabhängige Republik. Und für Spanien die Abschaffung der franquistischen Monarchie und die Installation einer demokratischen Republik. Einer Republik, die das Recht auf Lostrennung in ihrer Verfassung enthielte.
Das zu fordern wäre eine revolutionäre Tat und eben nicht nur radikale Phrase.