Wenn die politische Topographie auf brutalst-mögliche Weise zerstört wird

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Wenn die politische Topographie auf brutalst-mögliche Weise zerstört wird
Auf Ihre Frage, Frau Özdemir-Rinke: Was ist mit der Türkei geschehen?, versuche ich jetzt mal eine Antwort. Ich fühle mich, als Ex-Schwager der Türkei (Enichte=Schwager hat man mich immer genannt, als ich noch der deutsche Ehemann einer Türkin war), dazu gewissermaßen berufen. Auch wenn ich nach meiner Scheidung nur noch 2 Mal in der Türkei war. Das letzte Mal dann 1995, als ich für einen Freund einen Artikel über Istanbul, in seinem Verhältnis auch und besonders zum Westen, schrieb. Herz der traditionellen und Kopf der modernen Türkei betitelte ich diesen Beitrag damals. Heute würde ich das so nicht mehr formulieren.

Schon Mitte der 80er des letzten Jahrtausends konstatierte ich eine Hinwendung zum Islamismus und damit eine Abkehr von der Modernität, wie sie bis dato besonders Instanbul verkörperte. (Ich hab das in meiner Diplomarbeit, die ich allerdings aus Rücksichtnahme auf meine Familie nie veröffentlichte, ausführlich behandelt.) Erdogan, also jener heutige Ministerpräsident, der sich wie ein osmanischer Sultan aufführt, war damals noch ein Protegé des Verbrechers Mehmet Agar, der es unter Ciller bis zum Innenminister brachte. Bis ihn der sog. Susurluk-Skandal stürzen ließ und mit ihm ein Großteil der Bande, die sich damals wie heute als „Kemalisten“ fühlten und dabei nur schamlos das Volk ausplünderten. Der Grund für diese Türkei, wie wir sie heute vorfinden, liegt genau in dieser Zeit. Der letzte Militärputsch 1981 unter Evren hat das zu verantworten, bzw. die Nato, die diesen Putsch organisierte. Im Ergebnis dieses Putsches wurde die Linke ausgeschaltet und Emporkömmlinge wie Erdogan kamen an die Oberfläche. Jener Mehmet Agar war damals noch ein kleiner Polizeioffizier, der es dann unter Erdogan bis zum Polizeichef Istanbuls brachte. Worin sich wohl auch die Umkehrung des Protegéverhältnisses spiegelte. Agars Todesschwadronen erledigten die schmutzige Arbeit, nämlich die physische Vernichtung der Linken und vergrößerten damit stets eine so nationalistisch wie islamistisch aufgeladene Wählerschaft. Und so ganz nebenbei avancierte Agar als Chef der Todesschwadronen, welche durch das Gladionetzwerk gedeckt waren, zum Capo di Capi von Istanbul und Ankara, was ihm schließlich den Innenministerposten einbrachte. Noch einmal kehrte sich das Protegéverhältnis.

Doch Erdogan nutzte seine Chance und schloss die ob eines Agars Wüten geschaffene politische Lücke. Geschickt wie kaum ein politischer Führer vor ihm, versteht er es, die durch diese „Kemalisten“ erniedrigten Massen zu ködern. In allen politischen Lagern. Das ist der Weg eines Landes und eines Volkes, wenn dessen politische „Topographie“ gewissermaßen auf brutalstmögliche Weise zerstört wird. Mehr darüber in meinem Blog.

blogs.faz.net/10vor8/2014/11/17/burkinis-gegen-bikinis

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