Wie der schlechteste Mensch in dieser kapitalistischen Klassengesellschaft

Wie der schlechteste Mensch in dieser kapitalistischen Klassengesellschaft
Gerade als Marxist verstehe ich Swetlana Alexiewitschs Kritik am Marxismus durchaus als Aufforderung zur Selbstkritik. Und ich halte den Marxismus zu dieser Selbstkritik für befähigt, ja einzig befähigt, wie ich glaube. Doch auch wenn der Marxismus in seiner Eigenschaft als Wissenschaft so etwas wie eine objektive, ergo zu verifizierende Theorie liefert, betont diese Theorie, wie kaum eine andere, die Rolle des Subjekts in der Geschichte. Und genau darin unterscheidet sich diese Wissenschaft eben ganz besonders vom bürgerlichen Positivismus. Die Theorie kann immer nur so gut sein, wie die Menschen, die sie machen. Und mit Brecht weiß auch der Marxismus, dass sein bevorzugtes Subjekt, die verarmte Klasse der Proletarier, eben nicht per se das bessere ist. Es kann auch das denkbar schlechteste sein. Auch aus diesem Grund bleibt die beste marxistische Kritik am Kapitalismus unter Umständen so schlecht, wie der schlechteste Mensch in dieser kapitalistischen, nämlich Klassengesellschaft.

Der Mensch kann lange Zeit mit seiner Unvollkommenheit leben, aber er liebt sie nicht
@Trickler: Ich sehe mich nicht in einer „verschmähten“ Beziehung zu den Kapitalisten. Sie sind das Gegenüber in einem Widerspruch, welches sich selbst als alternativlos sieht. Auf metaphysische Weise von quasi göttlicher Schickung. Nach Lesart des Marxismus ist lediglich der Widerspruch, hier: der Klassenantagonismus, „alternativlos“. Nicht „verschmäht“ also sind diese Kapitalisten für mich, sondern in ihrer historischen Bedingtheit lediglich von „endlicher Natur“. Wie der ganze Klassenwiderspruch. Die klassenlose Zukunft, wie der Marxismus aus der Zuspitzung dieses Klassenwiderspruchs heraus zu erkennen vermag, mag nach Robert Kurz einen „ontologischen Bruch“ darstellen, insofern nach Marx und Engels alle bisherige Geschichte eine von Klassenkämpfen ist. Doch wenn es stimmt, was sie in Bezug auf des Menschen „universelle Eigenschaft“ sagen, dann blickt dieser Mensch gerne auf seine Unvollkommenheit zurück. Auch wenn es so aussieht, dass er lange Zeit mit dieser leben kann, so liebt er sie nicht.

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