Auch das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Nämlich die Begründung von Abgeordnetenwatch.de, warum Sie meine letzte Stellungnahme – siehe unten – nicht mehr veröffentlichen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich bedaure diese Ihre Entscheidung. Hatte dies aber schon so erwartet. Es steht Ihnen frei, so zu handeln, und ich kann das auch nachvollziehen. Doch finde ich, es wäre gerade die von mir versuchte öffentliche Auseinandersetzung weder für den Wahlkampf noch für Abgeordnetenwatch.de von Nachteil gewesen. Ganz im Gegenteil. Ist es doch gerade der von Herrn Etzel so beispielhaft wie naiv demonstrierte Pragmatismus, welcher genau zu dem Elend führt, das Sie von Abgeordnetenwatch.de so wortführend beklagen. Die Korruption folgt dem Pragmatismus! Ich werde Sie daher mit Sicherheit nicht verlassen. Ich habe meinen eigenen Blog (blog.herold-binsack.eu) und dort steht die ganze Debatte – zum Nachlesen und Nachdenken. Auch diese mit Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Herold Binsack
—–Ursprüngliche Nachricht—–
Von: abgeordnetenwatch.de [mailto:moderation@abgeordnetenwatch.de]
Gesendet: Donnerstag, 29. August 2013 14:01
An: Herold Binsack
Betreff: Ihre Mail an Herrn Steffen Etzel
Guten Tag Herold Binsack,
vielen Dank für Ihre Nachricht an Herrn Steffen Etzel über abgeordnetenwatch.de.
Wir tun uns allerdings schwer Ihre Mail frei zu schalten, weil sie gegen den Moderations-Codex verstößt. Sie fällt in die Kategorie:
– mehrere Nachfragen, in der Regel mehr als eine
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir auf abgeordnetenwatch.de möglichst vielen Menschen, die Möglichkeit geben wollen, Fragen zu stellen. Das bedeutet, dass wir pro Fragesteller die Anzahl der Fragen bzw.
Nachfragen begrenzen müssen.
Wir werden Herrn Steffen Etzel Ihre Nachricht aber zur Kenntnisnahme weiterleiten (aus Datenschutzgründen ohne Ihre e-Mail-Adresse).
Wir hoffen auf Ihr Verständnis und darauf, dass Sie abgeordnetenwatch.de weiterhin nutzen.
Wenn Sie Fragen zur Moderationsentscheidung haben, dann bitten wir um eine kurze Rückmeldung an moderation@abgeordnetenwatch.de. Bitte verändern Sie dabei NICHT den Betreff und Ursprungstext der eMail, damit eine zeitnahe Bearbeitung Ihrer Anfrage stattfinden kann.
Den Moderations-Codex finden Sie unter: www.abgeordnetenwatch.de/codex
Mit freundlichen Grüßen
Samuel Decker
(abgeordnetenwatch.de)
Linke Orakel statt klare linke Antwort
Wie ich schon erwartet hatte, hat Steffan Etzel keine Antwort gegeben, die auf den Kern meiner Frage bezogen gewesen wäre. Stattdessen wird über die EU und die „Freizügigkeit innerhalb der EU“ orakelt. Auch das wäre angreifbar, denn es ist dies eine klassiche sozialdemokratische Antwort. Somit eigentlich nicht einer „Linke“ würdig. Doch das war nicht das Thema.
Meine Antwort darauf können Sie weiter unten lesen. Zur Antwort von Steffan Etzel werden Sie durch den Link geführt.
Nachtrag zu diesem Posting:
Abgeordnetenwatch.de moniert, dass meine Kritik nicht in der geforderten Frageform vorgetragen wird und daher nicht freigeschaltet werden kann. Ich halte das wohl für kleinlich, zumal meine Frage ja nicht wirklich beantwortet war und das die Reaktion darauf ist, aber ich komme der Bitte der Sache wegen nach. Den geänderten Text können Sie unten lesen.
2. Nachtrag
Nun liegt mir die neue Stellungnahme von Herrn Etzel vor. Da ich den weiteren Diskurs für müßig halte, habe ich meine Antwort erst gar nicht mehr in der Frageform gefasst, wie von Abgeordnetenwatch.de gewünscht. Herr Etzel wird sie auf jeden Fall zu lesen bekommen. Sie können sie hier in meinem Blog lesen. Siehe unten.
„Die Linke“ wildert im chauvinistischen Lager
Untenstehende Frage habe ich über abgeordnetenwatch.de an die Partei „Die Linke“ gestellt. Eine Antwort steht noch aus. Auf diese dürfen wir gespannt sein.
Ich halte es für einen Skandal, dass „Die Linke“ in der Frage der Zuwanderung ganz offen im chauvinistischen Lager wildert. Gerade von diesem Lager gälte es, und zwar nicht nur und nicht mal hauptsächlich ob des Auftretens der konservativen AfD in diesem Wahlkampf, den offenen Kampf gegen die Zunahme von Bespitzelung, Repression und Fremdenfeindlichkeit zu führen. Der Schaden, der von solchen Strömungen ausgeht, wäre ein für die „Linke“ nicht nur zu begrenzender, sondern gar ein gewissermaßen taktisch nützlicher. Denn der Hauptschaden liegt im Moment in der Spaltung des bürgerlichen Lagers. Doch „Die Linke“ betreibt genau das Gegenteil. Offener Chauvinismus statt internationale Solidarität, das ist ihre Reaktion. Die vielleicht einmalige Chance für ein revolutionäres Ausnutzen der gegenwärtigen politischen Krise im bürgerlichen Lager wird somit nicht einfach nur vertan, es wird diesem bürgerlichen Lager der Steigbügel gehalten. Und damit wird der Schaden zu einem geradezu universellen. Nicht nur eine revolutionäre Bewegung, die sich da gründen könnte, wird damit schon in den Anfängen abgewürgt, sondern auch und gerade die bürgerliche Demokratie. Das Kapital wird ein weiteres Mal über seine Krise hinweg gerettet, auf Kosten der Lebensinteressen der breiten Massen.
Frage an Partei „Die Linke“ zur Bundestagswahl:
Ihre Partei formuliert zur Frage der Begrenzung von Zuwanderung folgendes: „Eine unbeschränkte Zuwanderung überfordert unsere Leistungsfähigkeit.“ Vorausgesetzt, Sie beziehen sich damit explizit auf die Wanderungsbewegungen der vom transnationalen Kapital um Arbeit und Brot gebrachten arbeitenden Massen in allen Teilen der Welt (wovon ich ausgehe), erkenne ich hierin ihre fehlende Abgrenzung von den Interessen des Kapitals. Es wäre ein Ausdruck von internationaler Solidarität, wenn Sie deutlich machten, dass Sie als Partei der Linke die Folgekosten dieser vom Kapital verursachten Wanderungsbewegungen nicht einfach von sich wiesen, sondern im (auch nationalen) Klassenkampf zwischen Arbeit und Kapital auszuhandeln suchten. Seit Marx und Engels wissen die arbeitenden Klassen, dass Sie kein Vaterland haben! Haben Sie das schon vergessen?
Sehr geehrter Herr Etzel,
Sie haben meine Frage nicht wirklich beantwortet. Es ging mir hier nicht um die Freizügigkeit innerhalb der EU. Es geht um die Zuwanderung ganz generell. Es geht um die Haltung einer „Linke“ im Kontext des Kapitalexports in die sog. Länder der „3.Welt“, infolge dessen dort die Menschen um Arbeit und Brot gebracht werden. Der Kapitalexport führt in diesen Ländern mitnichten zu einer Verbesserung der ökonomischen Infrastrukturen und damit zu einer Verbesserung der Lebenssituation der arbeitenden Menschen dort, sondern um deren Zerstörung. All die, denen es nicht gelingt unter den miserablen Einkommensverhältnissen dort ihren Lebensunterhalt zu sichern, werden zur Abwanderung gezwungen. Dass der Druck auf die dortigen Verhältnisse auch die hiesigen beeinflusst, steht nicht zur Debatte, ist aber natürlich Teil des Problems. Denn durch den Kapitalexport gehen natürlich auch Arbeitsplätze hier verloren, was den Druck auf die Lohnarbeiter auch hier erhöht. Das Kapital versucht die Folgekosten dort wie hier auf chauvinistische Weise zu lösen. Nicht die Wanderungsbewegung des Kapitals wird den Lohnarbeitern hier als das Problem dargestellt, sondern die Wanderungsbewegung der vom Hunger bedrohten Massen. Darauf zu reagieren mit der Aussage, dass unsere „Sozialsysteme überfordert werden“, liegt in der Logik dieses Chauvinismus‘. Und es ist politische Heuchelei zu versprechen oder zu fordern, dass die ökonomischen Verhältnisse dort – mit der Hilfe unseres Kapitalexports womöglich – verbessert gehörten. Wer sollte das tun? Es ist ein Gebot der internationalen Solidarität den nach Arbeit und Brot strebenden Massen nicht die Türe zu verschließen, sondern Verantwortung zu übernehmen für das, was u.a. unser Kapital dort angerichtet hat. Diese internationale Solidarität verschärft natürlich den Klassenkampf. Und sie hebt das Bewusstsein der arbeitenden Massen besonders hier, dass diese begreifen, was es heißt, dass der Arbeiter kein Vaterland hat.
Geänderter Text:
Sehr geehrter Herr Etzel,
Sie haben meine Frage nicht wirklich beantwortet. Die Frage war nicht begrenzt auf die Freizügigkeit innerhalb der EU. Ich befragte sie nach der Haltung einer „Linke“ im Kontext des Kapitalexports in die sog. Länder der „3.Welt“. Ich stelle daher meine Fragen ganz konkret: Sind Sie nicht der Meinung, dass der Kapitalexport in diese Länder zu der Verschlechterung der Lebenssituation der arbeitenden Menschen dort führt, infolge dessen, die zur Abwanderung gezwungen werden, denen unter den damit verbundenen miserablen Einkommensverhältnissen das Überleben unmöglich gemacht wird? Und sind Sie nicht der Meinung, dass das Kapital die Folgekosten dort wie hier auf chauvinistische Weise abzuwälzen sucht, u.a. natürlich auf den Steuerzahler hier? Doch nicht die Wanderungsbewegung der nach Arbeit und Brot strebenden Massen, sondern die Wanderungsbewegung des Kapitals stellt das Problem dar. Und halten Sie es daher für eine angemessene linke Reaktion, mit der Aussage zu reagieren, dass unsere „Sozialsysteme überfordert werden“ und daher die Zuwanderung begrenzt werden muss? Und liegt es nicht in der Logik dieses Chauvinismus‘, bzw. ist es nicht politische Heuchelei, zu versprechen oder zu fordern, dass anstatt den hilfesuchenden Massen hier Zuflucht zu gewähren, diese darauf zu verweisen, dass die ökonomischen Verhältnisse dort – mit der Hilfe unseres Kapitalexports natürlich – verbessert gehörten? Ist es hingegen nicht ein Gebot der internationalen Solidarität diesen der Verelendung zu entfliehen suchenden Massen die Türen zu öffnen, auch unter dem Gesichtspunkt der Übernahme von Verantwortung für das, was u.a. unser Kapital dort angerichtet hat? Ich bin mir natürlich bewusst, dass eine solche internationale Solidarität den Klassenkampf verschärft. Doch sind nicht Sie zusammen mit der revolutionären Linken der Auffassung, dass das Bewusstsein der arbeitenden Massen dahin gehoben werden muss, dass diese erkennen, dass der Arbeiter kein Vaterland hat?
Sehr geehrter Herr Etzel,
ich danke Ihnen für die sehr ausführliche Stellungnahme
Doch warum überrascht mich Ihre darin gezeigte theoretische Unbekümmertheit nicht? Nun, ich habe keine andere Antwort erwartet (wenn auch im Stillen erhofft). So fühlen Sie sich in der „pragmatischen Politik“ zuhause, ohne vermutlich zu wissen, mit wessen philosophischem und theoretischem Werkzeug Sie hier hantieren. Mir liegt ein Buch vor, mit dem Titel „Der Pragmatismus eine Philosophie des Imperialismus.“ Dieses Buch wurde 1957 vom Dietzverlag heraus gegeben. Und es stammt von einem damals bekannten US-amerikanischen marxistischen Theoretiker. Harry K. Wells. Wie schon der Titel verspricht, ist es ein eher philosophisches als theoretisches oder gar taktisches Werk, somit sicherlich auch heute noch hochaktuell. Und wie aktuell, das zeigt mir negativ Ihre Bezugnahme. Ich empfehle die Lektüre. In der pragmatischen Politik zuhause sein zu wollen, das hat natürlich Folgen. Eine davon ist, dass Sie ebenso unbekümmert von einer „Zuwanderungsbegrenzung“ reden, ohne sich dessen vermutlich bewusst zu sein, wie nahe Sie da gewissen Kräften kommen, denen Sie sich ganz subjektiv sicherlich nicht verbunden fühlen.
So wird dieser Tage eine Naziparole in allen möglichen Foren verbreitet. Sie lautet: „Geld für die Oma, statt für Sinti und Roma“. Alle offenen wie verdeckten Rassisten lachen sich darüber zu Tode und Linke regen sich auf. Ich auch. Doch, bemerken Sie es? Wer das deutsche Sozialsystem überfordert sieht, der kann durchaus zu solchen Parolen gelangen!
So leicht ist es vom Pragmatismus, über den Imperialismus zum Faschismus zu gelangen.
Und dort kommt man hin, wenn man eine nicht nur wichtige theoretische Erkenntnis des Marxismus, sondern eben auch und gerade blutig erfahrene Lehre aus der Arbeiterbewegung als reine Semantik abtut.
Wer das deutsche Sozialsystem vom Klassenkampf abkoppelt, macht es zur Fessel der Arbeiterbewegung, übereignet es den Chauvinisten. Denn wie gesagt: Der Arbeiter hat kein Vaterland.
abgeordnetenwatch.de/frage_an_steffen_etzel
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[…] bedauerlicherweise, denn die wichtigsten Eckpfeiler im linken Wahlprogramm unterscheiden sich nur graduell/ von dem der Sozialdemokraten -, wie als raffinierte Taktik der CDU/CSU-Führung dahingehend zu […]