Wo die Breiviks hinter jedem Strauch lauern

Wo die Breiviks hinter jedem Strauch lauern
„Hochintelligent, sensibel aber zur Gewalt neigend, das spricht weniger für die Mutter als sie vermutlich ahnt, denn dürfte sie doch daran nicht ganz unbeteiligt gewesen sein. Die ohnmächtige Wut solcher Kids, vor allem wenn sie als hochintelligent eingeschätzt werden, macht nämlich den Druck deutlich, den Erwartungsdruck, der hier und zwar in aller Regel vom Elternhaus auf ihm lastet. Denn selten wird Intelligenz als soziale Kompetenz verstanden, denn wohl eher als Durchsetzungsvermögen im Konkurrenzgeschäft der Bildungsindustrie. Dass so nur die „Arturo Uis“ (Brecht) fabriziert werden, bemerken solche Eltern in aller Regel erst, wenn es zu spät ist. Dass Schulkinder auf Schulkinder (und Eltern) feuern, drückt nicht nur ohnmächtige Wut aus, sondern mehr noch mächtigen Hass. Hass auf den Konkurrenten, Hass auf die Verantwortlichen. Und das ist nur die eine Seite. Die Seite der „Genies“.
Auf der anderen Seite bildet sich ein Millionenheer von zu kurz Gekommenen heraus. Derer, denen ihr Narzissmus mit offenbar unauffälligeren Mitteln zu befriedigen ist. Und wo daher nicht auf die Konkurrenz geschossen wird, da schießt das Treiben im Netz in die Höhe.
Eine geradezu exhibitionistisch anmutende Treibjagd. Zu der übrigens auch das Stalking gehört.
Wo die Befriedigung der gewissermaßen gesunden narzisstischen wie übrigens auch libidinösen Triebe ins Hintertreffen gerät, da feiert die seelische Not – allerdings weniger fröhlich – Urständ.
Ich denke, meine Generation (50 plus) wird die letzte sein, die dann den Therapeuten aufsucht. Das Netz ist doch die unverbindlichere Variante.
Allerdings sollte uns das nicht in falsche Sicherheit wiegen lassen, denn die Breiviks lauern hinter jedem Strauch.

Im Unbewussten vergraben
@Teresa Maria Bücker: „Ist der Grund, warum die älteren Generationen den Therapeuten meiden nicht die Stigmatisierung von psychisch erkrankten Menschen?“
Natürlich gibt es diese Generation. Nur, wer ist das? Nach meinem Dafürhalten ist es jene, die noch die Nazizeit erlebt hat. Meine Generation, damit meine ich Jahrgang 1950 plus ist da schon etwas befreiter von.
Und natürlich, Sie haben recht. Das Internet kann helfen. Nur wie hilft es?
Mein Beitrag wollte darauf verweisen, dass das Internet nicht unbedingt eine Hilfe ist, sondern womöglich nur eine Kompensation anbietet. Psychische/seelische Probleme erfordern definitiv eine fachmännische Behandlung/Therapie. Das Internet kann da bestenfalls nur Adressen und Anregungen liefern. Aber auch nur dem, der sich des Problems bewusst ist.

@Perfekt57: Und da komme ich zu dem Punkt, über den Sie sich so aufgeregt haben, lieber Perfekt57. (@devin „oh ich warne!“ – war das nicht schon immer die billigste variante der gesprächsteilnahme und ausübung sozialer macht? der relativierung anderer – um nicht selbst relativierter da zu stehen? („wer warnt sollte wenigstens wissen was/das er/s macht – und womöglich warum„).

Nun ja, ich bestreite das nicht. Sehr wahrscheinlich kompensieren all die, die einen entsprechenden Diskurs anzetteln, immer auch eigene Probleme/Defekte. Doch hier wäre Reden – um mal eine gängige Volksweisheit umzukehren – eben nicht „Silber“, sondern „Gold“. Auch Adorno hat sich da mal ähnlich zu geäußert.

Besser reden als töten wäre da die Devise. Auch ein Breivik hat ja seine Taten angekündigt. Nur, wer hat die Botschaft schon verstanden. Sind wir doch fast immer die falsche Adresse – ob unserer eigenen Verdrängungsleistung. Selbst und gerade die Eltern eines Breivik waren diesbezüglich überfordert.

Ich denke, dass Autoren, in dem sie ein Thema verfremden, z.B. zur Literatur (und/oder als öffentliche Drohung) ein gutes Stück noch an sich arbeiten. Sie streiten selbst dann noch mit sich selbst, wenn sie den Leser damit konfrontieren. Der Leser ist ihr Medium.

Für mich ist klar. Wenn ich hier und dort über Diktatur (der Bourgeoisie, oder des Proletariats) rede, dann aus mehreren Gründen. Bevor ich mir hierzu ein wissenschaftliches Verständnis angeeignet hatte, fürchtete ich jede Diktatur (durch eigene „Gewalterfahrungen“ z. B., durch die Konfrontation mit der „Idiotie“ in deren so reinsten wie arriviertesten Form). Und ich fürchte sie immer noch. Doch genau dies ist der Grund, warum ich sehr wahrscheinlich – ohne ein bezügliches Bewusstsein davon haben zu können – gar zur Gewalt neige. Wie gesagt: ich habe kein Bewusstsein darüber, doch eine Ahnung. Und daher suche ich nach verfremdeten Lösungen.
Und ja: Da ich nicht zu den „Genies“ gehöre (vermutlich), übe ich keine Gewalt aus (entgegen meiner Neigung – dieser Theorie nach), sondern kompensiere fleißig, indem ich theoretisiere.

Es gibt keine wissenschaftliche Theorie, die völlig frei wäre von solch subjektiven Beimischungen. Ohne Interessen und Projektionen gibt es vermutlich gar keine Erkenntnisse, auch keine wissenschaftlich fundierten. So ist die Erkenntnis der Entropiezunahme (gemäß dem 2. Satz der Thermodynamik) auch der verzweifelten Hoffnung auf das Auffinden des diesbezüglichen Perpetuum mobile geschuldet. Hier finden wir nämlich die Hybris des Subjekts, welches Energieverschwendung für die Mutter aller Verschwendungen hält. So gibt es längst Ingenieurdienste, die die Ausbeutung des Lohnarbeiters zu maximieren suchen. Mit wissenschaftlichen Methoden wird die Belastungsgrenze unter immer neuen Bedingungen ausgetestet. Etwa so: Wie klein muss eine Belastung innerhalb eines kleinstmöglichen Zeitquantums sein, so dass, über den Arbeitstag verteilt, ein Maximum an Leistung erzielt wird.

Die Leute, die an solchen Projekten mitarbeiten sind ganz sicherlich auch Meister der Selbstausbeutung. Und gleichzeitig suchen sie sich der diesbezüglichen Selbsterkenntnis zu entledigen, indem sie sie durch Verwissenschaftlichung im Unbewussten vergraben.

faz.net/blogs/deus/archive/2012/12/17/zu-tode-kuratiert

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2 Trackbacks

  • Von Ist das Denken eine „gebrochene Dimension“? am 22. Dezember 2012 um 12:30 Uhr veröffentlicht

    […] vor einiger Zeit schon die Vorstellung zu eigen gemacht, dass die Hybris eines Kapitals, welche da Energieverschwendung für die Grundverschwendung schlechthin hält, der eigentliche Motor bei der Entdeckung des 2. Satzes der Thermodynamik gewesen ist. Bezogen habe […]

  • Von Bedauerlich am 10. September 2013 um 21:01 Uhr veröffentlicht

    […] Treppenwitz abhandeln. Wäre da nicht da nicht dieser bedauerliche Zwischenfall gewesen, mit jenem Breivik. Eine furchtbare Tragödie, daher wirklich bedauerlich, aber auch „bedauerlich“ in Bezug auf […]

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