„Das Patriarchat in Hellas“

„Das Patriarchat in Hellas“
Eine wunderbare, und wie ich finde, wenig beachtete, Groteske, in Homers Ilias ist doch jene Verkleidung Achills, nämlich in Damengewändern, um dem Kriegsdienst zu entgehen. Mal abgesehen von dieser doch immer noch aktuell wirkenden Möglichkeit von Kriegsdienstverweigerung – Helden sind männlich -, will mir hier aber nur in den Sinn, wie sehr doch das griechische Patriarchat noch am Mutterzipfel hing. Und Thetis die Übermutter von Achill, des braven Sohns – welch liebevolle Beschreibung doch dessen, was das Patriarchat eigentlich ist: eine Männergesellschaft von lauter besorgten Müttern. Die andere Seite hierbei, wird in der Ilias nur angedeutet, da eben nie in Frage gestellt: Achills Homoerotik (nicht zu verwechseln mit heutiger Homosexualität), seine Liebe zu Patrokles, dessen Tod er weniger verschmerzen konnte als den Verlust gleich welcher weiblichen Gespielin. So mag er wohl einer Chryseis Ehre entdeckt haben, im Verlauf des Kampfes um ihren Besitz, und sie daher auch am Ende freigeben, aber mehr als sexuell konnotierte Beute war sie doch nie gewesen. Patrokles war Gefährte, geliebter Gefährte. Die darin als sexuelle Neurose zu definierende Beziehung der griechischen Helden zu ihren Frauen, ja auch zu ihren Müttern, wenn man doch den Orestes noch hinzu nehmen möchte, wird in Bornemanns „Das Patriachat“ heraus gearbeitet. Diese Neurose geht soweit, dass das Weib als Eheweib weniger sexuelle Attraktivität genoss als Sklaven – weibliche wie männliche. Dieser Zusammenhang zwischen dem Patriarchat und einem gestörten Sexualleben, bringt Ernest Bornemann im letzten Satz des 1. Kapitals, unter „Das Patriarchat in Hellas: Der sexuelle Überbau, wie folgt auf den Punkt:
„Frau und Kinder waren Teil seiner selbst: sie wurden nicht als separate Individuen empfunden; der Sklave andererseits war nur ein Ding, eine Arbeitskraft auf dem Niveau der Ochsen, und wurde deshalb nicht als ausgebeutet empfunden, da er überhaupt nicht als menschliches Wesen ins Bewußsein des ‚freien Griechen‘ eintrat. Und so geschah es also, daß diese Griechen, die tiefste Verachtung für die Unfreiheit der Bauern Ägyptens und Mesopotamiens empfanden, ihre Familien und Sklaven intensiver ausbeuteten als die orientalische Despoten ihre wehrlosesten Feldbauern“ (Fischer-Verlag, 1975, S. 160).
Die Frau war günstigstenfalls die Erste unter den Sklaven (siehe auch mein „Was dem Manne sein Orakel“), die die Aufsicht hatte über jene, aber ansonsten deren Schicksal teilte, unfrei war wie sie.
Dies wird dann auch wieder deutlicher in Homers Odysseus. Nicht nur, dass die 12 Mägden, die ja Sklavinnen waren, von ihm gnadenlos gemeuchelt wurden, nur weil sie während der Besetzung durch die Freier an seinem Hof, ihr Leben zu schützen suchten, bzw. auch ihrer Herrin zu Diensten waren, oder auch nur, weil sie einmal im Leben ihren Spaß haben wollten – eine freie Sexualität gar, nicht die unter Aufsicht ihres Herrn -, sondern auch seine Frau schwebte ständig in Lebensgefahr. Man stelle sich das heute mal vor: 20 Jahre war der Held weg, und die Frau hatte treu zu bleiben – der Held nicht, wie wir wissen -, bei Strafe ihres Untergangs.
Ihr Leben wäre nichts wert gewesen, wäre sie auch nur für einen Moment „schwach geworden“.
Solches erfahren wir nicht, gleich ob bei Voss, Fink oder in Schwabs Heldensagen. Nur Margaret Atwood, stellt die Frage: Wie kam es zur Hinrichtung der Mägde, und was tat und dachte Penelope wirklich, in ihrem kleinen Anti-Odysseus – „Die Penelopiade“ (Berlin-Verlag, 2005, rückseitiger Umschlag).

faz.net/blogs/antike/archive/2009/12/21/achill-kein-vieh

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5 Trackbacks

  • Von Klassenspezifische Beschränktheit(en) am 22. Dezember 2009 um 22:47 Uhr veröffentlicht

    […] bei Ernest Bornemann (Das Patriarchat, vgl. meinen Blogeintrag: Das Patriarchat in Hellas, bzw. herold-binsack.eu), auf S. 497 folgendes Zitat von […]

  • Von Ehen unter Verwandten werden bevorzugt am 6. Januar 2010 um 19:04 Uhr veröffentlicht

    […] Das allerdings steht im Gegensatz zum Pathos, einem solchen, wie ihn die Klassengesellschaft nun mal hervor gebracht hat, von Alters her, schon auf antiken Bühnen. Dieses Pathos ist nötig um die Entfremdung zu überbrücken, den antiken Helden (siehe oben) zu kaschieren, der ja in Wirklichkeit ein von Muttern gemachter war (siehe Achilles und die Affenliebe zwischen ihm und seiner Mutter Thetis, der Nymphe, und die Liebe zu seinem Patrokles in der Ilias, vgl. „Das Patriarchat in Hellas“ : faz.net/blogs/antike/archive/2009/12/21/achill-kein-vieh, bzw.: blog.herold-binsack.eu). […]

  • Von Ein bisschen Glück gehabt und noch mehr Schwein am 19. Januar 2010 um 14:20 Uhr veröffentlicht

    […] eingeholten Vorsprung des Westens, was wir fälschlicherweise, da wir darin Bezug nehmen auf die hellenistische Antike, „Abendland“ nennen. Ein solches ein modernes „Abendland“ schuf den modernen Menschen erst, […]

  • Von Um Welten getrennt am 31. Januar 2010 um 21:09 Uhr veröffentlicht

    […] von einem Aristoteles (wie zuvor schon von einem „Homer“ in der Figur des Odysseus, vgl. „Das Patriarchat in Hellas“), wenn auch natürlich weder Homer noch Aristoteles die „abstrakte Arbeit“ gekannt […]

  • Von Einen Marco Polo würde ich vermuten wollen! am 3. Februar 2010 um 21:02 Uhr veröffentlicht

    […] werden wollte, würde ich einem „Homer“ – mit seinem Odysseus – wohl zugestehen (vgl. : “Das Patriarchat in Hellas”), aber gar so was wie einen antiken „Archetypus“, der da um die hellenistische Welt geisterte, […]

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