Rätsel

Rätsel
@Diener: Es gibt Leute, die haben an Weihnachten regelmäßig ihre Depression, denen möchte ich dann auch am liebsten entfliehen. So rätsele ich halt noch ein wenig, warum ausgerechnet an Weihnachten? – Vielleicht gar wegen des Dämmerlichtes!
@Savall: Ich wundere mich immer wieder: es gibt Leute „ohne Ideologie“! Das ist für mich etwa so, als wenn jemand sagen würde, er sei ein Mensch ohne menschliches (Hirn).
Zu Upton Sinclar: Nichts und niemand an ihm schadet, außer den Leuten, die ihn nicht zu lesen verstehen, denn auch: sie begreifen nichts von dem, was er schrieb.
Und wenn wir schon bei den Vergleichen sind: Upton Sinclair ohne Ideologie, wäre wie John Reed („Reds“) ohne die benannten „10 Tage“, die ja bekanntlich „die Welt erschütterten“ (mlwerke).
– Ich gestehe es: Der Link zu „ML-Werke“ ist wohlweislich provokant.

So ideologiefrei wie nicht existent
@Diener: Es mag so sein, dass Literatur diese oder jene Aufgabe hat, aber ob einem da Fragen beantwortet werden, oder nur die eigenen neu formuliert, ist letztlich eine Frage der Perspektive. Und jede gesonderte Perspektive ist auch eine ideologische. Ideologie hat jeder von uns, und in dieser Allgemeinheit – eine falsche, eine nämlich, die in aller Regel den eigenen blinden Fleck ausmacht. Daher sollte man ideologiekritisch sein, also selbstkritisch, aber „ohne Ideologie“?, das ist eben so ein „blinder Fleck“ (Žižek) – eine Selbsttäuschung, wenn nicht gar Sinnestäuschung. Das „eigene Selbst“ wäre so eine Selbsttäuschung, weil damit sowohl der gesellschaftliche Gehalt – die gesellschaftliche Ideologie – all dessen, was in uns steckt, ignoriert wird, wie aber auch schon, das „eigene“ Fremde in einem Selbst. „Fremd“ deshalb, weil wir uns selbst nur wahrnehmen, indem wir unsere äußere Umwelt auf eine ganz bestimmte Weise erkennen, und darin vermittelt – uns. Unser „Ich“ ist transparent, daher können wir uns „gegenwärtlich“, also „authentisch, nur „sehen“, weil darin Spuren der Vergangenheit sind, ohne diese kein Selbst-Bewusstsein, kein Bewusstsein bzgl. unseres Selbst (darin unterscheiden wir uns vermutlich von der übrigen Kreatur, weil uns so die „Zeit“, und diese als „Geschichte“ erscheint). Wie viel Ideologie hierbei produziert wird (z. B. in der Form der Überhöhung der Geschichte, oder einzelner Gestalten in ihr), wie viele blinde Flecke also da übersehen werden, können wir nur ahnen. Denn das, was da als authentisches Selbst durch die moderne Geschichte geistert, als modernes – ideologiefreies – Subjekt ist immer nur ein jeweils zu unterscheidendes – und solchermaßen nie abgeschlossenes – Teilstück aus dem Ensemble der sozialen Gattung Mensch, und dabei ein Konstrukt, welches die darin verschieden gewonnenen Perspektiven, in aller Regel nicht wahrnimmt. Keinesfalls ist es das das, was wir als Individuum begreifen wollen, nämlich isolierte Identität (und eine solche wäre so ideologiefrei wie eben nicht existent).
Wir wüssten wahrscheinlich mehr über uns, wenn wir wüssten, was wir nicht wissen, aber selbst das ist uns nicht möglich, so wenig, wie es uns möglich ist, zu wissen, wie viele Sandkörner die Sahara hat. Das ist vielleicht der Grund, warum Sie glauben, die Literatur solle keine Fragen beantworten. Doch, sie tut das, aber bestenfalls als eine weitere Frage.

faz.net/blogs/ding/archive/2009/12/17/szenen-in-archaischer-beleuchtung-die-kerze

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