Der folgende Kommentar ist ein Ausschnitt aus einer Diskussion in Facebook, initiert von Susan Bonath, Redakteurin bei Junge Welt. Bedauerlicherweise ist ihre Privatsphäre so eingestellt, dass ich den Link zu dieser Diskussion nicht hergestellt bekomme. Ob der Bedeutung diese Themas möchte ich dennoch die von mir vorgebrachten grundsätzlichen Ansichten in meinem Blog festhalten (siehe auch die Fortsetzung der Debatte unter ):
„Ausgesprochen gute sozialpsychologische Analyse des kapitalistischen Subjekts. Passt speziell übrigens sehr gut auf den sog. Borderliner. Deswegen rede ich auch vom „gesellschaftlichen Borderliner“…
…Ein sehr empathische und mutige (selbstoutende) Klarstellung. Danke dafür. Ich persönlich fühle mich durch Sabas Reaktion nicht gekränkt. Mich kränken, das konnte man nur, solange wie ich mir noch kein Verständnis zu solchen Störungen erarbeitet hatte. Allerdings reagiere ich äußerst sensibel auf Verhaltens- bzw. Diskussionsstile, die entsprechend aussehen. Damit meine ich aber nicht, dass jeder der sich so verhält, ein Borderliner ist, doch ich erkenne darin ein entsprechendes Verhalten. Und dieses Verhalten ist in der Tat Produkt einer gesellschaftlichen Prägung, welche eben solches goutiert. Sich wie ein Borderliner verhalten, bedeutet sich gewisser Gewalt-, Demütigungs- und Durchsetzungsstrategien des herrschenden Systems zu bedienen. Das ist in diesem Moment nicht unbedingt Ausdruck einer entsprechenden psychischen Störung (kann es aber sein), doch auf jeden Fall einer sozialen Störung. Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass wir als Subjekte dieser Gesellschaft strukturell alle davon betroffen sind. Und es ist eben auch und ganz besonders Aufgabe des revolutionär geführten Klassenkampfes, sich solcher (verinnerlichten) Strukturen mit zu erledigen. Viele in unserer Geschichte veranstalteten und solchermaßen schwerwiegenden Verbrechen, ich nenne jetzt mal nur die stalinschen als die bekanntesten, sind Ausdruck eines solchen eben nicht geleisteten Klassenkampfes. Dass wir Führerfiguren wie Stalin oder Pol Pot akzeptieren, dürfte Ausdruck eben einer solchen verinnerlichten, resp. abgespaltenen „Kränkung“ sein. Kurz: Nicht nur die Jahrhunderte der zuletzt erfahrenen Klassenunterdrückung durch das Kapital, sondern überhaupt die Jahrtausende der durchlebten Klassenunterdrückungen lassen eine entsprechende Signatur in der gesamten Gattung „Mensch“ zurück. Wobei, und das wäre jetzt ganz typisch wiederum für das „Borderline-Subjekt“, wir im Wechsel Opfer wie Täter sind. Das ist ja das perfide der Klassengesellschaft, dass sie dem Unterdrückten emotional nur einen Ausweg lässt – sich selbst wo immer nur möglich als Unterdrücker zu verhalten, um halbwegs psychisch stabil zu bleiben. Der „Borderliner“ ist somit nicht nur als psychische Störung zu erkennen, sondern als gewissermaßen „erfolgreiche“ Strategie gegen diese Störung. Darin liegt übrigens Jungs, bzw. Mitscherlichs wahre revolutionäre Erkenntnis mit ihrem „Pathologie der Normalität“. Um „normal“ zu bleiben müssen wir uns den uns angebotenen pathologischen Strategien bedienen. Der „Borderliner“ kann daher im Regelfall gar keine Krankheitseinsicht entwickeln, weil er sich mit einem gewissen Recht gar im Besitz der einzig möglichen Strategie wähnt, um nicht krank zu werden. Nur wenn die Störung ihn ob der Folgen für ihn selbst (maximale soziale Isolierung, Selbstmordfantasien etc.) entsprechendes Leiden erfahren lässt, kommt er zu gewissen Einsichten. Und mit der Gesellschaft verhält sich das analog. Sozialistische Revolution hat daher nicht nur den Widerstand der herrschenden Klasse zu brechen, sondern unser aller Widerstand gegen die Aufhebung herrschender Strukturen in uns selber. Strukturen, die wir nur dann bereit sind zu bekämpfen, wenn sie uns mehr Leid als Lust verschaffen. Allerdings ist gestörte Subjekt sehr erfindungsreich, indem es nämlich Strategien entwickelt Lust am eigenen Leid zu genießen. Ich nenne das das nihilistische Subjekt. Auch der Borderliner versteht was davon…“