Semantisch korrekt ≡ politisch inkorrekt

Semantisch korrekt ≡ politisch inkorrekt
Als ich in einem Leserkommentar mal fragte: „Kann es sein, dass unsere Regierenden Autisten sind?“ (17.06.2014, vgl. auch Herolds Weblog unter demselben Titel), erntete ich prompt einen Shitstorm via Twitter. Nicht von den Regierenden, die wähnen sich wohl sicher in der Blase ihrer eigenen Wirklichkeit, sondern von einer Autisten-Betroffenengruppe. Sie fühlten sich beleidigt, ob der „ungeprüften“ Verwendung dieses Begriffs. Diese Aufregung machte mir deutlich, wie wenig die Sprache als Metapher die Wirklichkeit noch abbildet, denn ist sie doch längst zur Karikatur derselbigen geworden. Müßig mein Versuch den Autisten zu erklären, dass sie nicht gemeint waren. Denn bös-ironischerweise waren sie es – auch! Ist doch ihre Empörung Pumpe wie Ventil jener eben eigenen Wirklichkeitsblase. Eine absurde Dialektik, welche die sich Empörenden mit dem Empörenden verbindet. Oder in der Sprache der Mathematik als Identitätsgleichung (für Autisten): Semantisch korrekt ≡ politisch inkorrekt.

Empörung allein reicht nicht
Marco Gergele: Wo Sie glauben, dass Sie mich duzen dürfen, oder den „Schwuchteln“ ihr „Schwuchtel-sein“ nicht zu erklären vermögen, sehen Sie den diesbezüglichen Balken im Auge nicht. Und somit nicht, was die gesellschaftlich Betroffenen gleich welcher diskriminierten wie diskriminierenden Gruppe in den Strukturen der Gesellschaft verbindet. Die Chance somit verpassen, ihr Anderssein nicht der semantischen Übereinkunft, also dem Metapher, übereignen, und sich somit nicht der rein sprachlich geübten gesellschaftlichen Toleranz fügen. „Distanzlosigkeit“ wie „Abgeschottet-sein“ können unter „besondere Wahrnehmung“ subsumiert werden, werden sie aber, ob eines sprachlich bereinigten Diskurses, den Herrschenden als ihr diesbezügliches Privileg übereignet, wird der Mensch verschwinden, der diesen Unterschied überhaupt noch zu erkennen vermag, und damit jeder Unterschied und jede Distanz. Mit Jane Fonda (zur MeToo-Bewegung) sage ich daher: „Empörung allein reicht nicht.“

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