Lernen wir zu leben
Wie auch immer, das mit dem sich niemals ganz satt essen, gleich, ob jetzt 80 oder 90 % gefüllter Magen, und nahezu gleich, was dessen Inhalt ist, halte ich auch so. Und darüber hinaus esse ich nur, wenn ich richtig hungrig bin, und nur das, was mir schmeckt. Einfache Dinge ziehe ich komplexen Genüssen vor. Obwohl ich diese auch nicht meide. Doch dann verbunden mit gewissen Ritualen, dem Gefühl des Besonderen. Genießen halt, aber mit Verstand. Ein wenig nach Epikur: Genießen heißt Prioritäten setzen. Und seitdem ich das tue, habe ich keinerlei Nahrungsmittelunverträglichkeiten mehr, und kaum noch Migräne, es sei denn nach zu viel, zumal schlechtem Rotwein. Und da sind wir schon beim vielleicht wichtigsten Thema. Wie schädlich ist Alkohol im Verhältnis zur Schädlichkeit von billigen Gewohnheiten? Also den Dingen, die wir unter unseren Möglichkeiten anstellen? Also den Dingen, die uns nicht nur überfordern, sondern eher unterfordern. Schlechter Wein mag unseren empfindlichen biologischen Organismus überfordern, aber vor allem unterfordert er unseren Geschmack, also unsere ästhetischen Möglichkeiten. (Wenn wir uns nur schlechten Wein leisten können, sollten wir ihn ganz lassen, und vielleicht auf andere, billigere und bessere Laster umsteigen!)
Worauf es ankommt, ist die Gesamtheit und die Wechselwirkung aller Einflüsse. Einflüsse, die alle zusammen, in ihrer Zellschädigung, miteinander und auch gegeneinander wirken. Dass wir 100 werden können und sogar älter und dabei vor allem gesund bleiben, ist gar keine Frage. Doch wollen wir das auch, wenn wir doch fast unser ganzes Leben lang Langeweile erleiden müssen? Unterforderung! Unser Herz, hab ich mal gelesen, ist auf 150 Jahre Lebenszeit angelegt. Sterben tun wir dann oft aber an Nierenversagen, Diabetes, oder eben dann schlichtweg an Überdruss, infolge von Unterforderung – Langeweile. Organversagen vs. Lebensversagen. Lernen wir zu leben, dann werden wir vielleicht auch alt. Hoffen wir dann, dass das nicht zum Überdruss unserer Umwelt wird.
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