Koste es, was es wolle; oder auch: Wer ist Freund, wer ist Feind?

Dieser Beitrag ist die Kopie meines Facebookeintrages, welches sich wiederum auf einen Blogeintrag, bezieht, den der Stern als Gastbeitrag übernommen hat.

Koste es, was es wolle; oder auch: Wer ist Freund, wer ist Feind?
Dieser Beitrag ist es wert, etwas ausführlicher kommentiert zu werden. Zumal er die Gelegenheit bietet, ein paar grundsätzliche wie auch taktische Positionen aus der Perspektive der marxistischen Linken zum Besten zu geben. Die progressive Minderheit, und damit meine ich jetzt nicht ausschließlich die noch kleinere marxistische Minderheit, obwohl die natürlich besonders angesprochen ist, sollte nicht den hehren Wahn hegen, dass es in der aktuell herrschenden Politik irgendetwas gäbe, was man aus progressiver Sicht zu fördern hätte. Es gibt keine Gemeinsamkeiten, nicht einmal auf kleinstem Nenner. Die Politik der herrschenden Klasse, und das ist die herrschende Politik, gegenüber den Flüchtlingen, ist davon gekennzeichnet, den Wettkampf um die Führung in der sog. Neuen Weltordnung zu gewinnen. Dabei scheint ihnen jedes Mittel recht. Sogar das progressive. Doch wenn die herrschende bürgerliche Klasse, eine Klasse, die mit allen Wassern gewaschen ist, sich progressiv gibt, ist höchste Vorsicht geboten. Die herrschende Klassen aller kapitalistischen Länder, resp. deren politischer Ausschüsse, führen einen offenen wie verdeckten Krieg gegeneinander und miteinander gegen ihre gemeinsamen Klassenfeinde. Sie wissen, wenn ihnen das, was sie gerade inszenieren, um die Ohren fliegt, ist das ihr Ende. Das Ende des Kapitals, gleich was auch immer danach kommt. Und natürlich wissen sie Bescheid über die Schwächen, Eitelkeiten und Vorlieben der Linken, insbesondere, da es sich nicht selten um Elemente aus ihrer eigenen Klasse handelt. Ja, der linke Bourgeois scheint im Moment der einzige Linke zu sein.

Er lässt sich auch gerne als „Gutbürger“ betiteln, wenn’s hilft. Natürlich geht es darum der marxistischen Linken das Wasser abzugraben, bzw. diese vorzuführen. Und diese lässt sich vorführen. Ganz besonders, wenn sie sich auf einen Schmusekurs mit den Konservativen einlässt. Ein nicht unwesentlicher Teil dieser Schicht mutiert im Moment ungeniert zum „Wutbürger“. Man schaue nur mal in Don Alphonsos Blog in der FAZ! Zum Bedenkenträger, bzw. Wortführer einer „Leitkultur“, die sich von diesen muslimischen Barbaren nicht die Butter vom Brot nehmen lässt.

Doch das ist nicht die einzige Gefahr. Und vermutlich nicht mal die schlimmste. Von links kommt sie. Und diesbezüglich ist die deutsche Bourgeoisie besonders begabt. Man präsentiert alle Minderheiten, die man selber um Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte stigmatisiert, bekämpft, ja verfolgt hat. Mal feministisch, mal schwul, mal jüdisch. Oder gar alles zusammen. Das westlich, weiße, männliche Subjekt scheint nicht nur Kreide gefressen zu haben, sondern auch Farbe aufgelegt, und auch transsexuell mutiert zu sein. Androgyn, multikulturell, wie sexuell amorph. Ja beinahe so, wie es Bornemann in seinem „Patriarchat“ vor Jahrzehnten angekündigt hat. Ja das bürgerliche Subjekt (bei Sarrazin identisch mit dem „Deutschen“) scheint sich selbst abzuwickeln.

Doch lassen wir uns nicht täuschen: es ist das letzte Aufgebot der herrschenden Klasse. So ähnlich wie man den Sozialismus zu verhindern sucht, indem man diesen imitiert (die Bankenrettung als Quasi-Sozialismus lässt grüßen), okkupiert man die revolutionäre Kritik durch den linken Provokateur. Sogar die Gassensprache scheint en voque. Mal ist vom „Pack“ die Rede, das da auf den Straßen wütet, und jetzt vom „Dorfdeppen“, der seinen „lahmen Arsch“ nicht hochbekommt. Verräterisch allerdings das Angebot doch bitte dort hinzugehen, wo die herrschende Klasse ihre Arbeitsplätze feil bietet. Raffiniert umgehend, dass neben den Arbeitsplätzen, die es dort nämlich nicht gibt, vor allem keinen Wohnraum gibt. Wo sollen sie denn wohnen, die ganzen „Dorfdeppen“? Sollen sie ihre Hütten mitnehmen?

Diese Art von Polemik ist weder in Sprache noch im Inhalt revolutionär-links. Es ist die Sprache, die auch die Rechte spricht. Und sie zielt auch auf dasselbe. Auf die Teilung der Massen, auf die Spaltung zwischen den Lohnarbeitern in der Stadt und den Bewohnern auf dem Land. Und es spielt die Armen gegen die Flüchtlinge aus, nur eben von „links“. Diese Kritik ignoriert nämlich den Klassencharakter der Politik der Herrschenden, deren ökonomischen, wie strategisch-taktischen Interessen. Sie tut so, als gäbe es eine progressive Politik über alle Klassen hinweg. Die revolutionäre Linke hat nicht die Aufgabe, die Krise des Kapitals, und um genau eine solche handelt es sich bei der Flüchtlingskrise, gemeinsam mit dieser zu schultern. Denn das geht nicht nur zu ihren Lasten, sondern auch auf Kosten ihrer eigenen Klasseninteressen. Die aktuelle Flüchtlingskrise ist Teil eines jetzt schon als Weltbürgerkrieg zu bezeichnenden Geschehens. Und in diesem Bürgerkrieg gibt es nur noch zwei Klassen: das Kapital und die Lohnarbeit. Hier ist die Trennungslinie! Und soweit die Flüchtlinge sich als Teil der lohnarbeitenden Klasse verstehen, der einzig internationalen Klasse, sind sie an der Seite der Proletarier aller Länder herzlich willkommen. Und ihre gemeinsamen Klasseninteressen machen einen gemeinsamen Kampf erforderlich. Der Kampf um Brot und Arbeit ist wichtig, aber er darf nicht alles sein. Es geht um eine klassenlose Zukunft oder um die aktuell kapitalistische Barbarei.

Und so wie die Hauptfrage in der aktuellen Epoche „Wer – wen“? ist, stellt sich allen verarmten, bzw. von der Verarmung bedrohten lohnarbeitenden Massen, die Frage: wie lange noch? Wie lange noch wollen wir uns von den Repräsentanten der Bourgeoisie an der Nase lang führen lassen? Wie lange noch wollen wir glauben, dass autochthone Lohnarbeiter mehr Rechte haben als Fremde, „Zugereiste“? Wie lange noch wollen wir hoffen, dass die Welt um uns untergehen darf, solange es uns nicht erwischt? Wie lange noch wollen wir unseren Klassenbrüdern auf dieser Welt die ganze Last der kapitalistischen Welt aufbürden, wir aber selber von Zumutungen befreit sein? Wie lange noch wollen wir den roten Hahn nur auf des Nachbars Haus angezündet sehen?

Und auch die Flüchtlinge dürfen sich die Frage stellen, ob sie wirklich glauben, dass sie hier in ein kapitalistisches Paradies einwandern? Ja, sie müssen sich fragen, wer ihr wahrer Freund ist: der kapitalistische Heuchler, der ihnen morgen bestenfalls einen Job zu Hungerlöhnen anbieten wird, oder der Arme, der sich mit ihnen gerade die Gammelprodukte der „Tafel“ teilt. Und natürlich Angst hat – um sein nacktes Überleben, und sie daher mit gemischten Gefühlen betrachtet. Und vergessen wir nicht: Die radikalsten Wortführer auf den Mobveranstaltungen dieser Tage sind nicht diese Armen, es sind die Leute aus dem Bürgertum, die sich mal rechts mal links geben. Nicht selten aber sind sie von den Provokateuren der Verfassungsschutzorgane gestellt. Leute, deren einzige Aufgabe es ist, den Kapitalismus auch durch diese Krise zu retten, koste es, was es wolle.

stern.de/politik/deutschland/fluechtlinge-in-deutschland–es-ist-zeit-den-kreislauf-zu-durchbrechen—gastbeitrag-von-frank-stauss

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