Wo es doch nur deren Preis verteuerte!

Wo es doch nur deren Preis verteuerte!
An dem zu vermutenden Schicksal der Inklusion, die ja schon längst nicht mehr eine nur um die Beschulung ist, wird sich zeigen, woran nicht nur dieses Projekt krankt. Solange Bildung als Möglichkeit eines sozialen Aufstieges verkauft wird, muss sie exklusiv bleiben. Bildung ist ein Handelsgut, eine Ware, bzw. „soziales Kapital“, wie Bourdieu uns klarmacht. Die Klassengesellschaft erscheint vor diesem Hintergrund nicht mehr nur als ökonomische Notwendigkeit einer bestimmten Wirtschaftsweise, jener Wirtschaftsweise, in der der Produzent vom Konsument ebenso getrennt ist wie der Eigentümer vom Lohnarbeiter, sondern als sozialer Wille ihrer Subjekte. Dass diese Subjekte einen ihnen verborgenen „Vertrag“ abgeschlossen haben, einen von der „unsichtbaren Hand“ gesteuerten, will so als von menschengemacht erscheinen, als bewusste Handlung derselbigen. Und diese Handlung will dem Individuum eingeschrieben sein, jenem Subjekt, dem in der bürgerlichen Verfassung sogar ein „Recht auf Glück“ versprochen wird. Dass dieses Glücksstreben auf Vereinzelung hinausläuft, das wissen nur die Psychotherapeuten. Dass ausgerechnet das Wesen, das die Welt sich untertan gemacht haben will, sich in seinem eigenen Habitat einsperrt, mag ein Thema für die Philosophie sein. Und ich hab’s irgendwo auch mal so beschrieben, nämlich, dass wir, beginnend mit unseren PKWS auf dem Weg zum Büro bis hin zu unseren städtischen Appartements via Heimreise von dort und Zwischenstopp in irgendwelchen Supermärkten, uns doch immer nur innerhalb geschlossener Räume „bewegen“. Zielsicher gesteuert von den anonymen Kräften des Marktes wie den Phantasmen des eigenen bürgerlichen Subjektseins. Was das bedeutet, bzw. wohin das notwendigerweise hinführt, können wir uns nicht einmal mehr dann vorstellen, wenn diese anonymen Kräfte dann doch plötzlich einen Namen erhalten: PRISM, zum Beispiel. Sind wir doch längst alle PRISM.

Und der somit jetzt schon als gescheitert zu beurteilenden Inklusion (der Philosoph Precht sagte kürzlich: „Der, der die Inklusion wolle, müsste ein anderes Schulsystem haben wollen; und ich ergänze: Wer ein anderes Schulsystem haben will, muss eine andere Gesellschaft haben wollen!), wird die „Inklusivität“ auf den Fuß folgen.

Auf Ihre Frage somit antwortend, sage ich daher: Der Kapitalismus ist eine sog. ökonomische Gesellschaftsformation. Diesbezüglich hatte er wohl auch eine gewisse historische Berechtigung, und zwar in etwa so wie die Erfindung des Amerikanischen Journals für die Buchhaltung kleinerer Unternehmungen. Doch schon die ökologische Herausforderung scheint diese ökonomische Gesellschaft nicht wirklich zu bewältigen (heute lesen wir in dieser Zeitung, dass gewisse Aspekte der Klimaerwärmung nicht mehr zurück zu führen seien!). Und was die Architektur daher anbelangt, nun ja, deren blinde Anpassung an die so selbstsicher proklamierten ökologischen Attribute (welche ja in Wirklichkeit nur die Gewinninteressen kaschieren), halte ich persönlich für eine Fehlorientierung, trotz nicht weniger sinnvolle Projekte hier und dort (bei „dort“ denke ich an gewisse energieneutrale Projekte in den Emiraten zum Beispiel). Doch die Architektur „hier“ müsste wohl eher den Mut haben, nochmals reichlich Energie zu verschwenden, um mitzuhelfen, den Kapitalismus, als den ganz großen Verschwender, das kapitalistische Denken, dessen Krämerdenken, zu überwinden. Auch wenn die Langhäuser aus der Frühgeschichte der Menschheit, allein schon aus Platzgründen kein Vorbild mehr sein können (interessanter sind da eher schon die Hochbauten im Jemen), so kann ich mir persönlich doch nicht vorstellen, wie der kreative Überschuss anders entstanden sein soll, der den Menschen ja aus dem Dunkel dieser Räume und dieser Zeit in das Zeitalter von Licht mit quasi Lichtgeschwindigkeit (gemessen an den Zeiten von Selektion und Mutation) geschleudert hat.

Jede Gesellschaftsformation seit dieser Zeit, welche ja bis dato eine ökonomische war, profitierte hiervon. Und der Kapitalismus tut das in besonderem Maße. Er vermarktet frech die Kreativität, die sich eigentlich gegen solche Gesellschaftsordnungen und deren gemeinsamen Geist, nämlich ob deren Klassenprivilegien, behauptet (nämlich in den Hinterhöfen und in den Winkeln seiner Paläste) als ureigenes Erfolgsmodell. So als wäre der Kapitalismus schon zur Zeit der Erfindung des Höhlengleichnis‘ durch Platon auf der Welt gewesen. Doch weniger die Produktion als die Aneignung ist dessen ureigenes Erfolgsgeheimnis. Er eignet sich an, was er selber nicht geschaffen hat. Ja mehr noch: es ist ihm daran gelegen, diese Triebkräfte und Ursprünge eben dieser Entwicklung zusätzlich zu verdunkeln. Warum also sollte aus dieser Gesellschaft heraus eine Architektur begünstigt werden, die die Exklusivität von Palästen in Frage stellt? Warum sollte diese Gesellschaft die Hinterhöfe aufwerten? Wo das doch nur deren Preis verteuerte!

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