Negative Dialektik

Negative Dialektik
Um diesen Beitrag weht ein Skandal, wie ich ihn in der Bloggerszene noch nie erlebt habe. Nachdem er bereits freigeschaltet war, verschwand er plötzlich wieder. Auf meinen Protest hin und einem 2. Versuch, erhielt ich eine Email von dem dafür verantwortlichen Blogger in der FAZ.
Aber lesen Sie selber:

—–Ursprüngliche Nachricht—–
Von: Marco Herack (mh) [mailto:mh120480@web.de]
Gesendet: Donnerstag, 6. Juni 2013 13:41
An: h.binsack@freenet.de
Betreff: AW: [Wostkinder] „DDR-Debatte: Differenziert Euch!“

Sehr geehrter Herr Binsack,

der Beitrag wurde rausgenommen, weil er mehr einer Eigenwerbung entspricht und zudem etwas wenig Bezug zum Thema hat. Die Regeln der Hausherrin lassen diesbezüglich leider wenig Spielraum.

Vorschlag zur Güte:
Entfernen Sie doch die Verlinkungen im Text und geben dem ganzen etwas mehr Drall zum Thema hin, dann schalten wir das gerne frei.

P.S.: Seien Sie in Bezug auf das Thema bitte gerne kritisch.

Beste Grüße aus Oldenburg
Marco Herack

Sehr geehrter Herr Herack,
das ist ein Blog und kein Leserkommentar. In den Leserkommentaren wünscht die FAZ-Redaktion keine Links. Das ist mir bekannt. Sie alleine bestimmen aber in Ihrem Blog, ob Sie einen Beitrag freischalten oder nicht. Das was Sie Eigenwerbung nennen, ist abgesehen davon, dass es ein berechtigtes Interesse von mir ist, dass man meinen Blog liest, die sinnvollste Methode um dem Leser die Möglichkeit zu geben, meine Beiträge aus den dazugehörigen Kontexten zu verstehen. Und diese sind wichtig, da der Marxismus aus sich heraus mehr missverstanden als verstanden wird. Meine Leserkommentare und mehr noch meine Blogeinträge bauen daher gewissermaßen alle aufeinander auf. Sie folgen einem inneren Plan.
Wenn Sie glauben, meine Beiträge nicht freischalten zu müssen, ist das Ihre Angelegenheit, wenn auch eine traurige.
Ich glaube nicht, dass man in der Bloggerszene dafür allzu viel Verständnis haben wird.
Für mich stellt Ihre Zensur und noch mehr ihre feige Begründung genau das dar, was Sie am Beispiel der Kanzlerin Merkel glauben wiederlegt zu haben. Ist doch die Hauptkritik an Frau Merkel, dass sie in Wahrheit keinerlei Botschaften rüberbringt, sondern nur leere Floskeln.
Sie begibt sich nicht in Gefahr. So in etwa versuchen Sie es hier auch mit mir. Bitte verstecken Sie sich nicht hinter dem „Hausherrn“. Das kommt bei mir nur als schäbig an. Und das Thema habe ich ganz bestimmt nicht verfehlt. Allerdings wird mir erst durch Ihre Zensur klar, wie ich es getroffen haben muss.

Mit freundlichen Grüßen
Herold Binsack

Kürzlich hörte ich im Fernsehen jemanden sagen, dass der Kapitalismus den Sozialismus nicht besiegt habe, sondern eben einfach nur übrig geblieben sei. Ein Gedanke, dem ich gerne folge. Für mich als Marxist bleibt der Sozialismus als wissenschaftliche Theorie nicht überwunden, sondern wohl eher auf seine Weiterentwicklung harrend. Der Kapitalismus hingegen besäße eigentlich gar keine Theorie, wenn es die Kritik der politischen Ökonomie (des Kapitals) durch Marx nicht gäbe. Ohne Marx kann ein Adam Smith (oder gar Ricardo) gar nicht zu Ende gedacht werden, geschweige denn verstanden. Auch in diesem Sinne bleibt der Kapitalismus an den Sozialismus gebunden. Allerdings in der Form der „negativen Dialektik“, wie die Frankfurter Schule womöglich sagen würde.

Und jene einseitig negative Projektion auf die Geschichte der DDR ist somit von existenzieller Bedeutung – für den Kapitalismus. Es ist dies nicht nur eine verspätete „Rache“ an Marx. Ohne diese lässt sich der Kapitalismus nicht nur nicht rechtfertigen, sondern überhaupt verstehen. Ohne Marxens Kritik wäre der Kapitalismus nicht nur ein blinder Fleck bezüglich unserer Selbstwahrnehmung, sondern gar nur ein schwarzes Loch in der Geschichte. Ein nie ganz zu verstehendes Monster. Dessen durchweg antisemitisch konnotierte Kritik – Selbstkritik? – aus eigener (nicht mehr nur geistiger) Anstrengung, mag ein Beleg dafür sein.

Zudem gab es auch Gemeinsamkeiten zwischen West- und Ostdeutschland. Beide Teile sind Ergebnis des 2. Weltkrieges und sind seitdem besetzte, also nicht vollständig souveräne Staaten. Nicht nur Revanchisten wollen erkennen, dass Deutschland, auch und gerade nach seiner Wiedervereinigung, immer noch ein besetztes Land ist. Die USA scheinen nicht nur in der Finanzpolitik Deutschlands, resp. Europas, immer noch das letzte Wort zu haben. So soll gar die paramilitärisch organisierte europäische Eingreiftruppe auf US-Initiative entstanden sein.

Revanchisten regt daran auf, dass das Deutschland daran hindere „zu sich“ zu kommen. Mich, als Marxisten ärgert daran, dass es so kaum möglich sein wird, das deutsche Kapital in seiner Verantwortung zu packen. Müssen und Wollen liegen in der Klassengesellschaft ehe schon nahe beieinander. Fremdbestimmt ist das Subjekt. Daher sein „notwendiges Phantasma“, wie Marx sagen würde. Doch, was ist fremdes Verschulden, im vollen Sinne des Wortes, und was ist „selbstverschuldet“. Die Antworten Wolf Singers greifen mir eh zu kurz. Die „selbstverschuldete Unmündigkeit“ wird dort wie hier der dialektischen Betrachtung entzogen, der sie entstammt.

Und eine weitere Dialektik scheint uns nicht loszulassen. Es ist dies die unselige Kameradschaft zwischen östlich konnotierten Minderwertigkeitsgefühlen und westlich-großdeutschem Dünkel, wie ich es kürzlich anlässlich der Verfolgungen von Antifaschisten in Sachsen und anderswo ausgemacht haben wollte, und dem westdeutschen Beifall, bzw. der Zensur hierzu.

blogs.faz.net/wost/2013/06/06/ddr-debatte-differenziert-euch

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  • Von Eine neue Epoche der Sklaverei am 26. Juni 2013 um 21:46 Uhr veröffentlicht

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  • Von Wir alle sind Prism_02 am 20. Juli 2013 um 00:05 Uhr veröffentlicht

    […] Übereinkunft, zeigt sich in der Ware als Ideologie (bzgl. derselbigen). Als des Subjekts „notwendiges Phantasma“, wie Marx sich ausdrückte. Was gewissermaßen in jeder Ware als Geist mitzirkuliert. Wir alle sind […]

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