Wie viel Zeit bleibt uns noch?
„Plötzlich wird die Konkurrenz aus China schwächer, und auch die Fabrikarbeiter in Amerika haben bessere Chancen auf einen sinnvoll bezahlten Arbeitsplatz. So geht die Ungleichheit wieder zurück.“ Klar mit Algorithmen kann man viel erklären. Nur was haben die Menschen davon, dass im Jahre 2013 plus x irgendwo auf dieser Welt die „Ungleichheit“ zurück gegangen sein wird? Mal abgesehen davon, dass solche Statistiken beschönigen, reduzieren sie doch die zu verwendenden Kategorien. Wo in solchen Statistiken finden wir Antworten auf die Fragen nach einer jederzeit möglichen politischen Bewegung z.B. jener 200 Millionen und mehr Wanderarbeiter in China, die ein derart prekäres Leben führen, dass nur deren kleinste – und solchermaßen nicht kalkulierte – „Abweichung“ vom Üblichen eine nie dagewesene politische Lawine auslösen könnte? Im Oktober 1917 löste eine vergleichsweise noch kleine Lawine genau das aus, was ein gewisser Amerikaner, namens John Reed, als die „10 Tage“ bezeichnete, „die die Welt erschütterten“. Nahezu ein ganzes Jahrhundert verblieb innerhalb des Bannkreises jener 10 Tage.
Und welche Folgen kann es haben, wenn ausgerechnet innerhalb der reichsten Nation dieser Welt die schärfste Klassenteilung existiert, innerhalb der Nation, in der nicht nur fast jeder Bürger bewaffnet ist, sondern dessen Waffenarsenal insgesamt die Welt immer noch mehrfach vernichten könnte? Wie lange wird das amerikanische Volk es noch hinnehmen, das reichste und zugleich ärmste zu sein? Und welche Rolle spielt es wohl in solchen Berechnungen, wenn man annehmen darf, dass das amerikanische Aggressionspotential eben genau deswegen so hoch ist, weil dieses durch Armut und vielfacher Unbildung niedergehaltene Volk nach Kompensation schreit? Wenn es nicht jetzt schon der tiefere Grund dafür ist, dass man in den USA dem Präsidenten nicht nur wie römische Cäsaren huldigt, sondern, dass man diesen auch manchmal so meuchelt?
Die Massaker in den Schulhöfen sind für mich die geeigneten Vorboten für schlimmere Szenarien. Der Zeitfaktor mag ja in gewissen mathematischen Studien keine Rolle spielen, doch im politischen Leben des Menschen ist er alles entscheidend. Und wie viel Zeit bleibt uns noch?
faz.net/blogs/fazit/archive/2013/01/02/die-schere
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