Der Zwang zur Farce
Ich glaube, die einzige Revolution, die die bürgerliche Klasse, die moderne, wie schon die antike, ohne Reue bejubelt, ist genau diese, zerfetzte sie doch definitiv und irreversibel den Mythos, der das Patriarchat vom „Matriarchat“ (dem „Matrismus“ – Bornemann) nicht zu trennen drohte. Und schuf einen neuen, den wir auch als das Orakel von Delphi kennen. Denn war doch auch dieses Orakel in jene Geschichte verbandelt, wodurch erst die Geschichte zum Mythos wurde.
Als Geschichte wäre sie vielleicht ohne Bedeutung in die Geschichte gegangen, als überlieferter Mythos sollte sie heute noch das (Unter-)Bewusstsein der Menschen prägen. Erleiden doch zum Beispiel die Iraner, die Nachkommen jener Perser, der damals noch „arischen“, offenbar gerade gegenwärtig so eine Art posttraumatisches Syndrom, wenn sie sich im Angesicht der westlichen Isolationspolitik noch einmal ihrer Vertreibung aus dem Abendland vergegenwärtigen.
Die Perserkriege, deren Ausgänge vom Orakel so vorher bestimmt gewesen sein sollen, waren nicht nur das sichtbare Symbol für die Abtrennung all dessen, was wir später, viel später, als das Morgenland, den Orient, zu begreifen suchen (ein wunderbare Schrift ist immer noch „Der gordische Knoten“, von Ernst Jünger, die einzige Schrift, für die man bedenkenlos werben kann) , und schufen somit das, was wir ebenso später, erheblich später, und solchermaßen hypostasierend, schaffen sollten, nämlich das Abendland. Es war auch Vernichtung all dessen, was die noch jungen Helden an ihre Mütter erinnern wollte, die Nabelschnur mehr als eben nur die Ahnung hierüber, all das, was die griechischen Männer noch mit der Herrschaft des Weibes in Verbindung gesehen haben wollten. Eine Herrschaft war das nicht, nicht im modernen Sinne, aber definitiv eine Macht, eine mythische (Bornemann).
Der Mythos der Fruchtbarkeit war überwunden und damit geschaffen der der Göttlichkeit. Vom Gotte abstammend, das wollten alle Helden.
Und der Sieg des sonnengleichen Apollon über das vormals matristische Orakel von Delphi war das mythische Äquivalent hierfür (vgl.: Was dem Manne sein Orakel). Alle Siege gingen von hier aus, oder waren keine.
Das Thema kommt der Bourgeoisie aber inzwischen nicht mehr geheuer vor. Der eigenen Revolution, der bürgerlichen, scheint man sich längst zu schämen, nicht wegen der guillotinierten Zöpfe infolge der Mutter aller modernen Revolutionen, der französischen (wieder so ein Begriff, der an das Böse im Weibe erinnern möchte, so wie der Franzose selbst im europäischen Europa dem Deutschen immer noch für das Böse schlechthin zu stehen scheint, selbst wenn dieses im konservativen Gewande daher kommt), sondern ob des ewigen Zweifels darüber, ob man je Herr geworden ist, nicht nur über die Massen, sondern ob man Herr vom Weibe ist.
Die gegenwärtige Epoche, die sich da auch darstellt als eine neue „weibische“, als eine hermaphroditische gewissermaßen, scheint doch eben jener Büchse der Pandora entwichen – wer schimpfte da nicht über die Kanzlerin – eben dieser, die da alle Hoffnung zunichte machen möchte, auf eine ewige Dauer ihrer Herrschaft, wie auf die der Männer überhaupt.
Solcher Selbstzweifel, ja Selbsthass, und ein Thomas Mann, er wurde genannt, wäre für letzteres ein wunderbares Beispiel, nicht nur in Bezug auf dessen Literatur, die sich den männischen Nationalismus abstreifte um sich jenen bigotten, sprich: weibischen postbürgerlichen Demokratismus überzustreifen, einen solchen, den der Thomas seinem Heinrich nie verzieh, und damit sich selbst nicht. Denn steht er doch für eine wunderbare Antizipation des dann folgenden?
Sollte sich nicht die deutsche Bourgeoisie nach dem verlorenen Kriege als jene, nämlich dann kastrierte, Herrschaft wieder erkennen? Übermannt von den Siegermächten, gezwungen zu einer Demokratie, die doch niemals im deutschen Wesen verankert gewesen sei?
Nun ja, vielleicht erleben wir eine Wiederholung der Geschichte, und zwar so, wie uns (bzw. stellvertretend dem Hegel) Karl Marx ins Stammbuch schrieb: „Alle grossen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen ereignen sich sozusagen zweimal, das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ (Marx-Engels-Werke, Band 8, „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“, S. 115-123 , Dietz Verlag, Berlin/DDR 1972). Denn die Deutschen haben vielleicht jenen Zwang zur Wiederholung, den da Freud bei gewissen seelischen Verfasstheiten zu diagnostizieren glaubte, und sie fürchten womöglich nicht mal die Farce.
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[…] Ebene selbst nur eine abgeleitete. Auch Jünger forderte schon ein raumzeitliches Denken in seinem „Der Gordische Knoten“. Doch hinderte das auch ihn nicht politisch eine jeweils reaktionäre Haltung einzunehmen. Sein […]
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