Für eine politische Hygiene
Die Solidarität mancher „Linker“ mit Polanski schadet ihm letztlich, ebenso wie der Linken. Wenn ein Ultrarechter wie Le Pen die Steilvorlage gegen gewisse seiner Verteidiger – wie den französischen Kulturminister Mitterrand – daraus zu entnehmen versteht, ist der Schaden schon irreversibel. Bei dieser Gelegenheit wird es wohl wenig nützen, diesen „Linken“ das Etikett links streitig zu machen; ich mache es trotzdem, denn weder Levy noch Mitterrand sind „Linke“ – hingegen aber Kulturbourgeois. Doch klebt an ihnen das Etikett, so als ginge es hier um eine linke Pädophilie. Und natürlich kommt die Retourkutsche all derer prompt, denen die Kritik an den pädophilen Priestern so langsam das Nervenkostüm aufreibt. Auch Polanski ist kein Linker, aber ein Holocaustopfer. Und eigentlich sollte man seinen Gemütszustand als ebenso dementsprechend geprägt betrachten, wie eben auch seine Kunst. Dass er zwischen Kunst und Realität womöglich nicht mehr unterscheiden kann (oder will), sowenig wie zwischen Innen- und Außenwelten, oder dass da gar merkwürdig Gespaltenes an seinem Bewusstsein erscheint („Tess“), darüber sollte man, vielleicht auch öffentlich, auch und gerade im Zusammenhang mit diesem Prozess, sprechen. Das nützte ihm mehr, wie auch der politischen Hygiene.
faz.net/Offener Brief Polanskis:Plädoyer an die Welt, 03.05.2010
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[…] dem so ist, in gewissen Kreisen, dort wo „die Gesellschaft“ sich trifft, und wo auch ein Herr Polanski zugehört, ist dem Einfalt nicht unbekannt – man liest ja so gewisse Blätter. Aber dass das […]
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