Unentschiedene Staatskrise
Wenn der Bundespräsident auf solch außergewöhnliche Weise in die Pflicht genommen wird, dann offenbart das eine Staatskrise, eine notorisch verschleppte, würde ich jetzt mal sagen. Das bürgerliche Lager ist sich nicht mehr grün, eher gelb vor Ärger. Die ideologischen Querelen referieren auf einen Zerfall aller nur denkbaren (bürgerlichen) Koalitionen. Die Hartz-IV-Debatte, mit der ja alles auch begann – mit Schröder und Fischer -, zeigt deutlich, dass das Kleinbürgertum entschieden mehr nach rechts rücken möchte als selbst die herrschende Bourgeoisie. Zunächst wurde der Sozialdemokratismus geopfert, dann der alte Neoliberalismus (einschließlich einer „Grünen“ Provenienz), verschont zunächst blieb ein – allerdings sozialdemokratisierter – Konservatismus und jener patriotische Neoliberalismus (von Westerwelle bis Künast reichend). Am (linken) Rand darf man dann eine neue revisionistische Strömung beobachten, eine jene, in der die Nischen der alten westlichen Arbeiteraristokratie hinüber gerettet wurden zur nostalgisch gehätschelten alten östlichen Bourgeoisie. Der rechte Rand liegt auf der Lauer, denn die Staatskrise zeigt sich, zaghaft noch, ob ihrer Unentschiedenheit: offeriert sie nun revolutionäre oder konterrevolutionäre Optionen?
faz.net/Horst Köhler:Das Schweigen des Präsidenten, 17.03.2010
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[…] in progress Diese Staatskrise haben wir doch längst, werter Herr Raack. Quasi „in progress“. Sie findet vermutlich nie ihren Abschluss, wie manches Kunstwerk. Und ja: die Regie scheint sich […]