Agnostische Physik

„Dialektik in der Natur“ konnte ich leider nicht mehr in der FAZ posten, da die Redaktion den Kommentar geschlossen hat. Merkwürdig!

Agnostische Physik
Nicht „ob“ wir brauchen, sondern „wozu“ wir was brauchen, ergäbe ganz sicher weniger falsche (unsinnige) Antworten. So unsinnig wie die Vorstellung, dass die Galaxien von „unsichtbarem Klebstoff“ zusammen gehalten sein könnten, welchen wir, ob dieser dunklen Idee, als „dunkle Materie“ identifizieren. Dass es in der physikalischen Welt so was wie „Klebstoff“ geben soll (vergleichbar den lange Zeit als Klebstoff missverstandenen Gliazellen im Hirn), also quasi Glia-tonen geben könnte, wäre schon eine selten metaphysische Verdunkelung um unsere reale Welt. Dass der Hauptteil der Materie in den großen (wie in den kleinen) schwarzen (oder weißen) Löchern gebunden ist, und diese wiederum die übrige Materie – „die Galaxien“ – „zusammen halten“ (was sehr gut zu eines Slavoj Žižeks Philosophie der „Parallaxen“ und seiner Dialektik von den „Lücken“ passt), kann dann auch als jene kosmische Dialektik von Masse (im schwarzen Loch z.B.) und (massefreiem) Licht (im kosmischen Vakuum), und damit auch als Dialektik von „Nichts“ und Sein begriffen werden. Was da ein „Higgs“ drin zu suchen hätte, zwischen diesem „Nichts“ und dem Sein, bzw. wofür wir einen Large Hadron Collider brauchen (um dies zu begreifen), wird uns diese agnostische Physik kaum beantworten.

Die Welt der Götter und die des logischen Denkens ist nicht eins (Teil 1)
@Schnappe: Genau darin liegt der gemeinsame Irrtum von Theologie und agnostischer Wissenschaft, Logik ist ein Werkzeug des denkenden Menschen, desjenigen, der den Blick auf die Wirklichkeit nur in Folge gerichtet (logisch) haben kann. Den Grund dafür finden wir in dem scheinbaren Paradox, dass das Bewusstsein, zunächst nur einen Blick auf das äußere Sein zulässt, und in Folge auf sich selbst, auf das eigene Sein. Das Bewusstsein ist nur logische Schlussfolgerung: wenn ich sehe, was ich sehe, muss ich das sein, der da sieht. Tatsache ist, dass in dem Moment, wo ich das sehe, was ich glaube gesehen zu haben, schon das Gesehene Vergangenheit ist. Was bleibt ist eine Vorstellung davon, wie die Welt vor kurzem ausgesehen haben könnte, einschließlich des Selbst, dass da Gesehenes wie Sehendes war. Während ich von der äußeren Welt eine mehr oder weniger zutreffende Erkenntnis gewinne, denn diese verändert sich langsamer als der Zustand in meinen Gehirn, ist die Rückspiegelung auf sich selbst eben aus diesem Grund eine verzerrte.

Die Welt der Götter und die des logischen Denkens ist nicht eins (Teil 2)
Daraus ergibt sich: da die Erkenntnis, die nicht auf die Person gerichtet ist, eine objektive (somit „ursächliche“) sein kann, hingegen die, die sich auf die eigene Person richtet, eine abgeleitete („reflektierte“) ist, kann das erkennende Subjekt zwischen Objekt und Subjekt nur schwer unterscheiden (daher war das magische Denken der Anfang des Denkens überhaupt). Die Logik ist in dem Moment entstanden, wo das Subjekt erkennt, dass die Welt in eine äußere und eine innere zu teilen ist, es also ein Objekt und ein Subjekt gibt, womit auch das so Erkannte in seinem Inneren zu strukturieren ist. Die Struktur kann nur analog von „ursächlich“ und „reflektiert“ begriffen werden, also streng logisch. Geist wie Bewusstsein, im Kontext einer sich entsprechend entwickelnden Sprache, sind zusammen entstanden, als Objekt, als Subjekt, als etwas, was sich zu begreifen sucht, als etwas, was von sich selber spricht. Ein Naturgesetz wäre die Logik, wenn dieser Geist in der Magie verhaften geblieben, also als denkendes Selbst gar nicht erst entstanden wäre. Da wo der denkende Geist sich von der Welt trennt, entsteht die Logik, verweht die Magie. Die Welt der Götter ist die der Magie, die Welt des Geistes, die des logischen Denkens.

Die Dialektik in der Natur
@Schnappe: Die Natur verhält sich dialektisch – Kräfte sind Wechselwirkung – was sie komplexer erscheinen lässt, als sie vermutlich ist (vorausgesetzt man versteht die Entropiezunahme als das eigentliche Gesetz im physikalischen Raum) und als die Logik sie zu fassen vermag. Mathematik oder Semantik, beides erfordert Folgerichtigkeit/Widerspruchsfreiheit. Wie schwer dies in der Mathematik aufzuheben scheint, zeigt uns die Diskussion über die Unendlichkeit – seit Aristoteles. Und wir sehen auch, dass hier immer schon auch um eine semantische (ideologische) Dimension gestritten wurde. Folgt die Unendlichkeit der Endlichkeit, oder ist das Endliche immer schon Teil des Unendlichen?, wie Poincare zu fragen wusste. In der Mathematik lässt sich nur mit ersterem umgehen, in der Philosophie ist eigentlich letzteres unumstritten, vorausgesetzt der Sonderstellung der theologischen Schulen, die alle auf einen „Anfang“ rekurrieren. Wenn nun die Philosophie (ergo: Semantik) die Unendlichkeit als anfangslos zu begreifen sucht, wird nicht nur die Logik überwunden, sondern womöglich auch die Objekt-Subjekt-Dichotomie (denn auch das Subjekt kann setzen oder gesetzt sein). Die Heuristik nun folgt demselben algorithmischen Formalismus wie die Mathematik, kann also zu letzterem sowenig sagen, wie zum Verhältnis von Quantität und Qualität. Und wie erkläre ich mir das dynamische Gleichgewicht im Moment eines Phasenübergangs logisch, wo „Wechselwirkung“ ungleiche Ladungszustände voraussetzt?

faz.net/Large Hadron Collider:Gutes Zeugnis für die Urknallmaschine,17.06.2011

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5 Trackbacks

  • Von Gewordene Tatsache am 24. September 2010 um 14:58 Uhr veröffentlicht

    […] einer solchen, die am Ende aufgeht, die Notwendigkeit siegen lässt, den Zufall beinahe eliminiert. Zizek nennt sie daher lieber eine „Parallaxe“, stark noch von der Spekulation um Kants „Ding an […]

  • Von Eine elegante Betrachtung am 30. Dezember 2010 um 11:05 Uhr veröffentlicht

    […] – Strahlung? – zu sein scheint, ist sie doch zugleich auch die Bedingung von Masseansammlung? (Das Thema Higgs-Teilchen will ich jetzt mal ausschließen, denn irgendwie will mir dessen Existenz e…) Jetzt mal rein bildhaft gedacht: Die Expansion des Universums scheint doch den Schwarzen Löchern […]

  • Von Die Dinge zu sagen, ohne was gesagt zu haben am 17. Januar 2011 um 14:48 Uhr veröffentlicht

    […] Ach ja, und der Schirrmacher: Er ist schon eine besondere Type. In Wirklichkeit ist er ja ein Konservativer – aber das sind wir ja praktisch alle -, aber einer, der die Themen wenigstens richtig http://blog.herold-binsack.eu/?p=993 setzt. Das ist der erste große Fortschritt in diesem Land, wo sich Romantiker für Dichter halten, wo sie doch nur Ideologen sind, oder Philosophen für Theoretiker, wo sie nur das Plagiat lieben und Wissenschaftler für Intellektuelle, wo sie nicht nur nicht als Handwerker durchgingen, aber womöglich als Prediger. […]

  • Von Der Kosmos ist nur dialektisch zu begreifen am 8. April 2011 um 20:06 Uhr veröffentlicht

    […] Die Bewegung verläuft grundsätzlich dialektisch. Und da die bürgerliche Wissenschaft, das nicht bedingungslos anerkennen will, forscht sie sozusagen im Nebel ihrer eigenen Ignoranz. […]

  • Von Das Licht, die Perspektive und die Zeit am 13. Dezember 2012 um 21:10 Uhr veröffentlicht

    […] machte somit den Kosmos erst räumlich, also 3-Dimensional. Eine solche Theorie würde auch die Objekt-Subjekt-Dichotomie auflösen helfen. Hingegen wären die rein physikalisch evidenten Dimensionen aufeinander bezogene […]

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