Die Zeugen der (Un-)Vernunft

Die Zeugen der (Un-)Vernunft
Wo (kapitalistische) Politik sich den (kapitalistischen) Finanzmärkten nicht unterwerfen will, dort steht sie ihren eigenen Grundlagen ohnmächtig gegenüber. Die Finanzmärkte sind nicht einfach („virtuelle“) Geldmärkte, die der „Realwirtschaft“ metaphysisch gegengestellt sind. Das „Finanzkapital“ ist die in Geld ausdrückbare (wie durch „abstrakte Arbeit“ geschaffene) Werteanhäufung. Und die darin sich zeigende „Entfremdung“ ist eben nicht nur eine zwischen Kapital und Arbeit, sondern auch die, die das „notwendige Phantasma“ (Marx) des bürgerlichen Subjekts begründet. Dies begreift seine eigene Diktatur eben nicht als Unterordnung unter die Diktatur der Werteansammlung. Und selbst die (klügste) Kritik kann nur die Widersprüche aufdecken, die den Kapitalismus dahingehend immer wieder an die Grenzen seiner „Vernunft“ stoßen lassen. Die politischen Beschlüsse – gleich wie gut oder schlecht – können nur die Zeugen einer solchen (Un-)Vernunft sein.

Kapitalist wie Antikapitalist
Wie sollen wir die Eigentumsfrage beschreiben, Herr Weise? Wo das Kapital sich selber schon enteignet – im Sinne von „entwertet“, worauf mein Kommentar schließlich referiert –, sehe ich selbst aus der Perspektive des Kapitals immer weniger Spielraum für ein Eigentum an Produktionsmitteln. Wenn die „Diktatur der Werteanhäufung“ sich in der Form der Wette auf diese „Werte“ (Produktionsmittel) darstellt, dann erhält die Eigentumsfrage eine merkwürdige Schlagseite. Der, der vom Börsenparkett aus agiert, und von dort aus die Substanz des Kapitals atomisiert, scheint in ein und demselben Moment Kapitalist wie Antikapitalist zu sein. Und genarrt ist nicht nur ein (revolutionäres) Proletariat, welches sich da um seine Mission betrogen sieht, sondern auch der konservative Bourgeois, der sich an diese Substanz klammert.

(Selbst-)Enteignungstendenzen
Es war der „Bärtige aus Trier“ der erkannte („Grundrisse“, MEW Bd. 42), dass der Kapitalismus sich an seinen Grenzen immer wieder selbst in Frage stellt. Der Widerspruch zwischen der privaten Form der Produktion – eben in Form von Privateigentum – und deren gesellschaftlichen Charakter drängt in dieser Krise zur Lösung. Dies ist nicht nur ein objektiver Faktor, sondern auch eine indirekte Triebkraft für das revolutionäre Subjekt. Die aktuelle Krise des Kapitals fordert die Theoretiker des revolutionären Subjekts heraus, die Theorie vom wissenschaftlichen Sozialismus dahingehend neu zu formulieren, sodass die direkten wie indirekten Triebkräfte der Revolution zusammenkommen? So geht es u.a. darum die (Selbst-)Enteignungstendenzen innerhalb des Kapitals (im Kontext dessen Virtualisierung als Kehrseite der Prekarisierung eines Proletariats) so zu beschreiben, dass das Privateigentum an Produktionsmitteln nunmehr nicht nur im historischen Sinne, sondern ganz konkret, obsolet erscheint.

faz.net/aktuell/wirtschaft/essay-die-waehrungsunion-auf-dem-weg-zur-fiskalunion-06-01-12

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Ein Trackback

  • Von Vermeidbares oder unvermeidbares Phantasma? am 26. Januar 2012 um 16:34 Uhr veröffentlicht

    […] zu werden. Es stellt sich die Frage, inwieweit hier ein vermeidbares oder ein unvermeidbares „Phantasma“ des Kapitals (als Subjekt) vorliegt. Marx nannte es noch ein unvermeidbares. Allerdings sollte man […]

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