Privat- oder Kollektiveigentum, die alles entscheidende Frage!
Irgendwie bewegt sich dieses Interview auf der Ebene der reinen Anekdote. Worauf zielt die Kritik an Heinsohn und Steiger denn wirklich ab? So wie ich das im Moment lese, doch wohl nur auf derer beider „Hybris“. Welche Rolle aber die „Eigentumsökonomik“ im ökonomischen Diskurs überhaupt hat, erfahren wir nicht. Auch vorhandene Kritiken werden nicht (für den Leser) rezipiert.
Eine Kritik, die mich persönlich nicht nur sehr beeindruckt, sondern auch weitgehend (nämlich auch darüber hinaus) überzeugt, ist die von Bernd Senf, die ich – auch mittels dreier zitierten Passagen – hiermit vorstelle (vgl. Bernd Senf Juni 1999 / zeitschrift für sozialökonomie
Die korpernikanische Wende in der Ökonomie?
Eine Würdigung und Kritik des Buches „Eigentum, Zins und Geld“
von Gunnar Heinsohn und Otto Steiger – berndsenf.de/pdf/Heinsohn_Steiger.pdf).
Vorneweg meine wichtigste Schlussfolgerung: Die Geschichte der Verbindung von Gewalt und Ökonomie beginnt nicht erst mit den hier bemühten „Sklavenaufständen“, sondern schon wesentlich früher. Bernd Senf nimmt als Beispiel die Saharasia-These“ von James DeMeo, welche einen Zusammenhang zwischen einer Klimakatastrophe in Afrika und Asien und der Entstehung von Privateigentum und Patriarchat, erklärt. Überhaupt scheint mir der theoretische Hauptmangel dieser Eigentumsökonomik darin zu liegen, dass es die Entstehung des Privateigentums in Mythen, Halbwahrheiten und kryptischen Begriffen versteckt. Wenn die Unterscheidung zwischen Kollektiveigentum und Privateigentum nämlich nicht so konsequent unterschlagen worden wäre, würde das ganze Theoriegebäude von Beginn an als auf Sand gebaut erscheinen. Kollektiveigentum kann sehr wohl „ausgetauscht“ werden, was auch in den tausenden von Jahren vor dem ersten Privateigentum regelmäßig erfolgte, soweit „Überschüsse“ zu teilen waren. Mag sein, dass stellvertretend für die ganze Sippschaft irgendeine herausragende Persönlichkeit (PriesterIn, KönigIn…) diesen Tausch vollzog, doch stellte dies regelmäßig eine Form der Eigentumsübertragung dar, nämlich von einem Kollektiv in das andere. Vielleicht „abgesichert“ durch gleichzeitig geschaffene „familiare“ Bande. Wie auch immer: Der Tausch war älter als jedes Privateigentum.
„Daß Heinsohn/Steiger dem Absolutheitsanspruch (oder dem absoluten Gültigkeitsanspruch)
insbesondere der klassischen und neoklassischen Theorie entgegentreten, ist nur allzu
berechtigt. Sie sind darin allerdings nicht die ersten. Schon Marx hatte ja zwischen
verschiedenen Gesellschaftsformationen unterschieden: Urgesellschaft (Urkommunismus),
Sklavengesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus, und in seiner Vision noch Sozialismus und
Kommunismus. Und er hatte dabei geltend gemacht, daß die Gesetze der Mehrwertproduktion
und Kapitalakkumulation eben nur im Rahmen kapitalistischer Warenproduktion gelten. (Ob
er mit seiner Unterscheidung von Privateigentum und Kollektiveigentum wesentliche
Stukturmerkmale des Wirtschaftens erfaßt oder ob auch er die wesentliche Unterscheidung
von Eigentum und Besitz verfehlt hat, wie Heinsohn/Steiger meinen, ist eine andere Frage.)“
…
„Durch eine dramatische Klimakatastrophe vor etwa sechstausend Jahren sind in kurzer Zeit
aus vorher fruchtbarem Land die großen Wüsten (Sahara, arabische und asiatische Wüste =
Saharasia) entstanden, und im Gefolge der Hungersnöte seien die vormals liebevollen,
matriarchalen Stammesgesellschaften zusammengebrochen. Unter den körperlichen und
emotionalen Leiden des Hungers seien erstmals in großer Zahl verhärtete, emotional
gepanzerte Charakterstrukturen entstanden, die nicht mehr hingebungsvoll, sondern
gewaltsam geworden waren, voller Angst, Mißtrauen und Haß gegenüber dem Lebendigen
und Liebevollen in den heranwachsenden Kindern und Jugendlichen ebenso wie in anderen
noch liebevollen Stämmen, auf die sie auf ihrer Flucht vor dem Hunger stießen. Die
Entstehung und Ausbreitung des Patriarchats und der Gewalt in der menschlichen
Gesellschaft habe hier ihre historische und geografische Wurzel. In diesem
Ausbreitungsprozeß, der einer „emotionalen Pest“ gleicht, wurden immer mehr Menschen
emotional derart deformiert, daß sie nicht mehr ihrer inneren Motivation, Intuition und
Inspiration folgten, sondern im wesentlichen auf äußeren Druck reagierten, sei es in Form
offener Gewalt durch Befehl und Herrschaft, sei es durch strukturelle Gewalt (zum Beispiel
wirtschaftlicher Sachzwänge).“
…
„Darin liegt eine der wesentlichen Botschaften von Heinsohn/Steiger: Ohne Eigentum kein
Kredit und Zins, und ohne Kredit und Zins kein Zwang zum Wirtschaften, zum Erwirtschaften
von Überschuß oder Profit. Und ohne diesen Zwang gebe es gesamtwirtschaftlich keine
Steigerung der Produktivität und des materiellen Wohlstands, gebe es kein
Wirtschaftswachstum. Jetzt also kommt die Katze aus dem Sack: Die radikalen Kritiker der
bisherigen Wirtschaftstheorien sind ihrerseits vehemente Befürworter und Verteidiger des
Eigentums, allem voran des Eigentums an Boden, sowie der Profitwirtschaft und des
permanenten Wachstumszwangs der Wirtschaft. Hallelujah!“
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