Was der Richterspruch enthüllt
Dass dieser Richterspruch vermutlich von den Gewerkschaften begrüßt werden wird, die es trotz ihrer Massenkraft in den letzten Jahrzehnten nicht mehr vermochten, wenigstens die Kaufkraft der Massen zu sichern, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Und auch, dass christdemokratische Politiker den Sozialdemokraten heftig widersprechen, welche wiederum den bedrängten Gewerkschaftsführern zur Seite stehen, wenn es darum geht, den sog. Spartengewerkschaften auf scheinbar gewerkschaftliche Weise das Wort zu reden. Doch verweist dieser Richterspruch auf die wahren Interessen, die hier verhandelt werden.
Zunächst einmal sind die Spartengewerkschaften eine schallende Ohrfeige für die sog. Massengewerkschaften. Gewerkschaften die sich selber immer mehr vom gewerkschaftlichen Geist verabschiedet haben und die letzten Jahrzehnte nur noch „Bestandsschutz“ betrieben haben. Mit dem Ergebnis, dass es längst unterschiedliche Tarifverträge für ein und dieselbe „Sparte“ gibt. Die Jungen verdienen im Allgemeinen erheblich weniger als die Alten. Das Auftreten von Spartengewerkschaften liegt daher diesbezüglich im Trend.
Dass es sich um Gewerkschaften handelt, die aufgrund ihrer Schlüsselstellungen eine große Macht ausüben können, kann man so und so interpretieren.
Sollten diese Sparten für sog. berufsständische Interessen missbraucht werden, wäre es aus gewerkschaftlicher Sicht richtig, sie zu bekämpfen. Sollten sie aber die gewerkschaftliche Kampfkraft insgesamt verbessern, wären Gewerkschaftler gut beraten, wenn sie sie unterstützten.
Und hier liegt auch die eigentliche Linie bezüglich des Verständnisses jener konservativen Solidarität mit dem „gewerkschaftlichen Kampf“. Standesinteressen vs. Klasseninteressen, darum geht es. Scheinbar!
Doch dieser Richterspruch hat deutlich gemacht, dass in diesem Kampf eben die Klasseninteressen der Herrschenden belastet werden. Durch den Streik dieser „Spartengewerkschaft“.
Das sollte den gewerkschaftlichen Massen, gleich in welcher Gewerkschaft, zu Denken geben, und sie veranlassen, ihrerseits in den Solidaritätsstreik zu treten – gleich massenhaft. Dann wäre auch dieser Richterspruch obsolet. Denn Massenstreiks lassen sich so leicht nicht verbieten.
faz.net/blogs/wort/archive/2012/02/29/die-grenzen-der-solidaritaet