Die Korrekturmöglichkeit liegt nur in der Zukunft
@Tberger: Da Sie „große Leistungen“ nicht in Anführungszeichen gesetzt haben, gehe ich davon aus, dass Sie es so meinen, wie Sie schreiben. „Politische Korrektheit“ ist allerdings ein semantisches Ungetüm, denn „korrekt“, im Sinne von „wahr“, darf nur die Betrachtung einer solchen (Politik) sein. Wenn die zu beschreibende Politik aber selber „korrekt“ sein sollte, dann wäre dies gleichzusetzen mit geschönt. Und genau dies ist nicht Aufgabe eines Geschichtsbuches.
Die Interpretation einer Geschichtsepoche kann aber kritisch wie auch apologetisch sein (im Sinne von verherrlichend, unkritisch übernehmend…). Und in diesem Sinne, finde ich, gehören viele Geschichtsbücher, insbesondere Schulgeschichtsbücher, überarbeitet.
Die Fakten sollen nicht geleugnet, oder gar verheimlicht, werden, sondern gewertet. Allerdings vor dem Hintergrund des mit vorgefundenen „Zeitgeistes“. Also nicht nachträglich „korrigiert“. Und wie groß dann gewisse Leistungen gewesen sind, lässt sich eben auch nur ermessen, im Kontext jenes Zeitgeistes, und den womöglich verhinderten Möglichkeiten. Verhindert in der Wirklichkeit des damaligen Klassenkampfes.
Die griechische Antike kann man nicht (kritisch) verstehen ohne das junge griechische Patriarchat. Bedauerlicherweise wird aber genau dies nicht selten versucht.
Und da dem so ist, bleibt sie den meisten Schülern ein einziges Orakel. Ein Mythos. Und wie ein Mythos Identität stiftet – im negativen Sinne des Wortes – lässt sich an den Irrungen gerade der deutschen Romantik gut ablesen. Vom Peloponnesischen Krieg bis zum 2. Weltkrieg eine einzige „Nabelschau“ männlich-germanischer (christlich-abendländischer) Provenienz.
Denn auch gerade die komplizierte Rolle Spartas wird verflacht. Obwohl untergehende, ja „reaktionäre“ Macht (gerade auch im Verhältnis zu Athen), wäre sie auch und gerade im Kontext des Übergangs von matrilinearen (Sparta) zu patrilinearen Gesellschaften eine wertvolle Quelle gerade für die modernste Geschichtsforschung, wie eben für die Kritik des „Patriarchats“. Eine Kritik, die in der Retrospektive auch und gerade diesbezüglich Sparta hätte gerechter werden können. (Spartas Militarismus muss nicht unbedingt nur im männlichen Sinne zu verstehen – und darin zu verherrlichen/oder abzulehnen – sein!)
So wie das Patriarchat begann, zumindest in Griechenland, so scheint es irgendwie enden zu wollen – seine homoerotisch konnotierten Komplexe (Die Risse in seiner Männlichkeit/die Fehlstrukturen in seiner Identität) nunmehr in der (vielleicht gar selbst gewählten) „Androgynität“ (Bornemann/Das Patriarchat) aufhebend. Dennoch darin nicht mehr Tragisches, „Unabwendbares“, denn eigentlich Vermeidbares. Wo aber der Klassenkampf als Motor der Geschichte geleugnet wird, und womöglich durch Gender Mainstreaming ersetzt, da wirken dennoch die historisch gesetzten Vektoren.
So will es mir kein Zufall , sondern geradezu ein Beleg für die vielleicht gar über die Jahrtausende aufgehobene Rache eines Weibes sein, dass ausgerechnet eine Frau nunmehr den Zugriff sich verschafft auf eben diese „Uridentität“ ihres verhassten Gegners. Wo sie nunmehr, darin gar ihre Chance nutzend, diese nachträglich ein wenig zu „korrigieren“ sucht. Korrekte Sprache wie korrekte Politik Synonyme quasi für die (nachträgliche) weibliche Betrachtung einer Geschichte, welche dennoch ihr als Geschichte nicht mehr korrigierbar sein will. Es wäre eine böse Ironie, im Übrigen auch für das Weib. Die Korrekturmöglichkeit liegt nur in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit.