Die Kehrseite der Herrschaft der Klasse

Die Kehrseite der Herrschaft der Klasse
Regeln werden andauernd gebrochen. In aller Regel von denen, die sie erlassen – für andere. Was heißen will, dass Regeln die Machtfrage betreffen. Wer darf Regel erlassen? Wer muss sie befolgen? In der Klassengesellschaft ist die Antwort eine einfache: die herrschende Klasse erlässt die Regeln! Sie sichert damit ihren Machtanspruch. Da in aller Regel daher die Beherrschten nur über wenig Macht verfügen, sieht man davon ab, dass sie ein Kaninchen in den Stall, die Kinder ins Kinderzimmer und die Ehefrau ins Ehebett (manchmal auch nur in die Küche) zu sperren vermögen – soweit wir hier der patriarchalischen Familienregel mal folgen (ich weiß, es ist nicht mehr ganz so) – suchen sie nach Kompensation für diese Machtlosigkeit. Der Nachbar bietet sich da in aller Regel an. Es geht dabei um die Regeln, von denen er annehmen möchte, dass sie ihm das Leben leichter machen – das ohnmächtige. Doch hadert er mit der Ohnmacht, so verstärkt er sie nur. In des Nachbarn „Regellosigkeit“ will er nicht seine Ohnmacht sehen, nicht das Chaos des Kosmos, den er nicht beherrscht – niemals beherrscht. Und schon gar nicht die Kehrseite der Herrschaft der Klasse, die sie beide bedrückt.

Dass diese Ohnmacht zu beseitigen ginge, durch ein gewisses Maß an Regellosigkeit, das liegt vielleicht nicht auf jedermanns Hand, aber doch im Gemüt nachdenkender Menschen. Im Klassenkampfgeschehen wäre das Solidarität. In nachbarschaftlichen Verhältnissen Toleranz. Der Ehefrau wie auch den Kindern gegenüber Respekt (auch eine Form von „Liebe“), usw. usf. All das soll aber nicht so leicht möglich sein, denn dann wären herrschende Klassen kaum entstanden schon wieder verschwunden.

Eine der ersten Regeln, die das noch junge Patriarchat wohl erließ, war die Verbannung der menstruierenden Frau aus dem Kreise der Gesellschaft. Eine Regel, die nur die Umkehrung einer älteren gewesen war. Doch rekurrierte sie auf die umgekehrten Machtverhältnisse, auf ein völlig verändertes gesellschaftliches Denken. Nahm man bis dato an, das Menstruationsblut heilig sei, so nun verflucht. Beweis der Macht der weiblichen Fruchtbarkeit, nun Beweis ihrer Teufelei.

Regel wie diese mögen uns heute verrückt erscheinen, doch zeigen gerade diese „verrückten“, scheinbar überwundenen, also nicht (mehr) verinnerlichten, (jedermann) den Klassenstandpunkt, dem sie entsprechen, die Gesellschaftsordnung, die zu erhalten, sie dienen.

Regeln verändern, heißt die Gesellschaft verändern. Was natürlich auch bedeutet, dass alle Regeln daraufhin überprüft werden. Nämlich auf ihr Verhältnis eben zum jeweiligen Klassenstandpunkt.
Regeln im Klassenkampf machen dennoch Sinn. Wenn sie nicht unbewusst befolgt werden. Und darauf kommt es an: wie bewusst sind wir uns all dieser Regeln?

faz.net/blogs/skurril/archive/2012/01/16/eine-elegie-an-unsere-hausordnung

   Sende Artikel als PDF   
Dieser Beitrag wurde in Blogs veröffentlicht. Ein Lesezeichen auf das Permalink. setzen. Kommentieren oder einen Trackback hinterlassen: Trackback-URL.

Ein Trackback

  • Von In Irland wird nicht nur geprügelt und gesoffen am 25. Oktober 2013 um 17:29 Uhr veröffentlicht

    […] Irland wird nicht nur geprügelt und gesoffen Oh ja, in Zeiten, wo dem Volk die eigene Machtlosigkeit wieder mal vor Augen geführt wird, wo diese gar droht ihm zum Bewusstsein zu gelangen, braucht es […]

Einen Kommentar hinterlassen

Sie müssen angemeldet sein, um zu kommentieren.