Der blinde Fleck

Der blinde Fleck
Wir sind nur deshalb so irritiert, weil wir getäuscht sind, ob unserer eigenen retrospektiven Sicht der Dinge. Aus der Perspektive der historischen Aufarbeitung/Aneignung, mag es so aussehen, als ob unsere Revolutionen klaren Programmen gefolgt seien, einer Proklamation gar, die da von der „Vorhut“ vorweg gestellt worden wäre. Und dass das letztlich der Schlüssel zum Erfolg gewesen wäre. Erst Aufklärung, dann Massenmobilisierung. Genau so war es aber nicht. Wer von den revolutionären Massen, gleich ob in Paris, oder in den diversen deutschen Hinterhöfen der Revolution, wusste da schon was von irgendeinem Programm irgendwelcher Jakobiner oder Märzrevolutionäre? Sie „wussten“, dass der Moment der Freiheit gekommen war, oder sie ahnten schon die Niederlage (was sie allerdings nicht daran hindern sollte, für das „Unmögliche“ zu streiten, wie in Deutschland eben). Aber gleich wie auch immer – am Ende wurde es eine Revolution nur dort, wo die Massen die Initiative nicht mehr aus der Hand gaben. Wo sie den Aufstand gegen das (äußere) Regime verwandelten in einen inneren Aufruhr, einen gegen sich selbst. Und dass wir das den Arabern nicht abnehmen wollen, diese „innere Aufruhr“, liegt wohl daran, dass in dieser Retrospektion keine Araber enthalten sind.

faz.net/im-gespraech-atef-botros-den-tahrirplatz-nimmt-uns-keiner-mehr-10-08-2011

   Sende Artikel als PDF   
Dieser Beitrag wurde in Arbeit und Kapital, Krise des Kapitals veröffentlicht. Ein Lesezeichen auf das Permalink. setzen. Kommentieren oder einen Trackback hinterlassen: Trackback-URL.

Einen Kommentar hinterlassen

Sie müssen angemeldet sein, um zu kommentieren.