Der Troll ist in uns!

Der Troll ist in uns!
Ich denke nicht, dass man/frau Sexismus wegpädagogisieren kann. Der Sexismus ist strukturell wie materiell mit der bürgerlichen (Klassen-)Gesellschaft verbunden. Er ist zudem unmittelbarer Ausdruck der Krise sowohl des Patriarchats als auch des Kapitals. Ist nunmehr Ausdruck auch der Prekarisierung des bürgerlichen Subjekts, welche sich zunächst noch als Prekarisierung des Proletariats darstellt. Dennoch: dieses Subjekt ist männlich konnotiert, da das Kapital in der Tradition einer strukturell patriarchalen Gesellschaft verweilt, somit erfasst es nach und nach alle Bereiche der Subjektdarstellung.

Die Frauen, obwohl sie sich von diesem Subjekt als „abgespalten“ (Roswitha Scholz) darstellen, werden von dieser Krise insofern auch erfasst, als sie dieses Subjekt wohl nicht authentisch vermitteln, dennoch es quasi „geklont“ nachahmen. Soweit die Frauen nicht bewusst Teil nehmen am Kampf gegen Kapital und Patriarchat (ich betone „bewusst“ und die Verbindung beider Kämpfe!), sind sie nicht nur Opfer von Kapital und Patriarchat, sondern werden nicht selten zu dessen Tätern. Will heißen: sie klonen sich selber als Abbild von eines Täters-sein. Es würde mich nicht wundern, wenn nicht wenige jener Trollbeiträge in feministischen Blogs von Frauen stammten. Man kann das feststellen, wenn man das will, z. B. über die Analyse des semantischen „Fingerabdrucks“.

Die in letzter Zeit bekannt geworden Serien von Verbrechen an Kindern durch Frauen, durch Mütter, in Komplizenschaft mit dem Manne oder auch völlig alleine, sprechen da eine weitere deutliche Sprache. Aber auch gewisse öffentlich ausgetragene Gewalterfahrungen in Beziehungen gewisser Prominenter, machen deutlich wie weit dieses Subjekt mit seiner Krise verbandelt ist. Wie es diese Krise täglich auslebt und dabei vertieft. Der Fall Kachelmann zeigt auch wie deutlich desavouiert schon der Feminismus dabei selber ist. Die Rolle einer Frau Schwarzer sei da nur als Beispiel erwähnt. Auch hier wird etwas monetarisiert, was man als Bedrohung für das eigene Geschlecht empfindet. Man verkauft nicht nur sich an Bild oder Bunte, sondern gleich das ganze „unterdrückte Geschlecht“. Man vermittelt es in die kapitalistische Verwertung. Besser, als das patriarchalisch konnotierte Kapital das gar selber könnte.

Und durch Pädagogisierung (oder Monetarisierung, was ja nichts anderes ist) wird das Problem nur verschoben. Mag sein, dass man Trolle (Sexisten) auf diese Weise der öffentlichen Belustigung übereignet, aber man enteignet sich damit quasi des politischen Zugriffs auf die Thematik. Auch der Fall Kachelmann, gleich wie er ausgeht, kann nur noch Glosse werden, Schmierentheater auf einer bürgerlichen öffentlichen Bühne.
Die Tragik stellt sich nur noch negativ dar – im Verschwinden des Geschlechterkonflikts als quasi „Klassenkonflikt“.

Ich bin dafür, gegen solche Artikel immer zu argumentieren. Gleich wie „blöde“ sie sind. Denn es geht ja nicht um den Inhalt, sondern um den Tatbestand eines solchen Artikels schlechthin. Systemimmanente Denker, also solche, die das System der „Verwertung des Werts“ nicht in Frage stellen, und eben zu solchen zählen solche Trolle ganz definitiv, fühlen sich nicht nur bestätigt, sondern auch geschmeichelt/aufgewertet, durch solch Monetarisierung. Man muss sich nur die Unzahl von Trollbeiträgen in der „Zeit-online z.B. anschauen, um zu sehen, wie Troll sich fühlt, wenn er einfach nur von der Bühne verdrängt werden soll. Man muss sie in jedem Fall ernst nehmen, was nicht heißt ihre Argumente ernst nehmen, dennoch die Tatsache ihres Nichtargumentierens. Solches dargestellt lässt sie u. U. in ein tieferes Loch fallen, als jedes Ignorieren oder gar jedes Pseudopublizieren (wie ich das Monetarisieren schon bezeichnen würde) erreichen könnte.

Es muss ihnen der Nimbus des Außenseiters genommen werden. Sie müssen erkennen, dass sie genau dort stehen, wo sie sich am wenigsten wähnen: in der Mitte genau jener Gesellschaft, die im Allgemeinen so unbewusst agiert, wie sie selber (nur ein bisschen klüger vielleicht). Das nimmt ihnen nicht nur den Spaß, sondern schult auch ihre Kritiker. Macht die Klugen klüger, da bewusster, kritischer, auch und vor allem gegen sich selbst.

Es wird Zeit für eine offene, kritische, wie selbstkritische Debatte über das Verhältnis von Frau, Klasse und Bewusstsein im Kapitalismus. Und so wie der Troll für ein Antibewusstsein schlechthin stehen mag, so steht die aktuell stattfindende arabische Revolution z.B. für ein Gegenteil hiervon. Für eine Bewegung nämlich, die sich aktiv gegen jede Art von Troll-sein verhält. Und diese Revolution ist nicht von ungefähr eine von Frauen veranstaltete, und gerade darin eine dem „bürgerlichen Feminismus“ völlig fremde.

Soweit diese und jene Veranstaltungen aber ökonomische Zwangsidentitäten nicht aufheben, also die Klassengesellschaft nicht radikal in Frage stellen, wird auch ein Trolldasein nicht wirklich aufzuheben sein. Der Troll ist das „Automatische Subjekt“ im Bereich des Denkens – der „Geistesarbeit“. Wer Trolle nur hässlicher dargestellt haben will, sucht nur Deutschlands hässlichsten Superstar und bleibt damit im üblichen Mainstream. Und eins wird auch hier deutlich werden: das Kapital weiß das zu schätzen, eben zu verwerten. Die politische Kritik hingegen offenbar nicht.
Bleiben wir daher locker: der Troll ist in uns.

Der Troll ist immer sexistisch
@Vroni: Sie haben Recht, insofern ich wohl vom anfänglichen Thema abgewichen bin. Anfänglich ging es mir noch um den sexistischen Troll, welchen ich dann aber nicht nur als Besonderheit, sondern als geradezu Allgemeinheit für den Troll erkannt haben wollte. In dem Sinne nämlich, als ich den Troll ganz generell, also nicht nur den sexistischen Troll, für das „Automatische Subjekt im Denken“ ausgemacht habe. Doch in der Form des „Antibewusstseins“ . Richtig ist natürlich, dass es Trolle gibt, die nicht „sexistisch sind“, insofern sie nicht offen sexistisch auftreten. Doch insofern sie, wie der sexistische Troll auch, für das „Antibewusstsein“ stehen, erleiden sie das Schicksal eines „Automatischen Subjekts“, wie es Marx bzgl. der Fetischzusammenhänge von Markt, Wert und „Subjekt“ beschrieben hat.

Einen leeren Raum gibt es nicht im ideologischen Bereich, selbst total „leere Hirne“ sind somit immer gefüllt. Den Sexismus überwindet man bewusst – nicht antibewusst – oder eben gar nicht. Und insofern man das tut, greift das Bewusstsein, welches sich dem spontan bildenden Unbewusstsein entgegen stellt. Und in dem Sinne wie die patriarchalische Gesellschaft per definitionem sexistisch ist, kann ein „Antibewusstsein“ solchen Sexismus nicht überwinden. Im Gegenteil: er muss sich diesem beugen!

So erklärt sich auch, dass Opfer des Sexismus, also die Frauen, aber auch Homosexuelle z. B., immer dort zu Täter werden können, wo sie das spontane „Unbewusstsein“ antizipieren. Wo sie sich der allgemeinen Bewusstlosigkeit gleichermaßen stumm unterordnen. Neben Frauen, können dann vor allem auch die Kinder zu Opfer werden. Aber auch, und wir haben es im Kontext der Übergriffskandale in Heimen, Schulen und Zeltlagern erleben dürfen, sogar zu Tätern. Und man/frau glaubt es vielleicht nicht: auch alte Menschen können das werden – Sexualopfer wie Sexualtäter. Wer das nicht glauben will, der soll sich mal die Zustände in Altersheimen anschauen. Dort findet er die Kehrseite des Kindesmissbrauchs, in all dessen Schattierungen.

Der Troll, somit sexistisch auftretend oder nicht, ist des Sexismus per se zu verdächtigen. Eine diesbezügliche „Unschuld“ kann er nur beweisen, wo er sein Troll-sein, ergo: sein „Antibewusstsein“ überwindet, somit sein Bewusstsein entwickelt.
Das gilt im Übrigen nicht nur für Trolle, das mit dem Sexismus. Denn wie gesagt, diesen überwindet man bewusst, in Frontstellung zu Kapital und Patriarchat, oder eben gar nicht.
Und darin, will heißen: dort, wo das nicht geschehen will/soll, herrscht auch ein kleiner Troll in uns.

@Minna: Ich verstehe! Doch „klüger“ kann der „Kluge“ nur werden, wenn er auch die fremdeste Verpackung nicht scheut. Denn die Wahrheit offenbart sich auf gar merkwürdige Weise. Ich sage nicht – auf meine Weise! (Die Möglichkeit der Ersetzung meiner „Klassenkampfsemantik“ sehe ich noch nicht, wenn ich auch einen diesbezüglichen Irrtum gerade auch meinerseits definitiv nicht ausschließen will, ja manchmal gerade herbei sehnen würde!) Dennoch auf fast immer wohl „fremde“ Weise.

faz.net/blogs/deus/archive/2011/04/18/wohin-mit-dem-hass

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  • Von Ein gerontokratisches kapitalistisches Patriarchat am 26. April 2011 um 18:40 Uhr veröffentlicht

    […] oder andere Bartholomäusnacht bescheren. Die Geduld der Jugend scheint zu Ende. So wie die der Frauen schon lange zuvor. Die arabische Revolution lässt […]

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