Bassgeigeeffekt

Bassgeigeeffekt
Keynes oder Friedman, das ist eine oft genötigte Glaubensfrage, eine solche, wie sie nur zwischen Sekten skandalisiert wird. Beide – Keynes wie Friedman – suchen das Pferd von hinten aufzuzügeln, und wundern sich nicht mal, ob der Tritte, die sie da bekommen. Keynes ist dafür, den Konsum zu füttern (den Patienten zu mästen), Friedman will dem Patienten eine Schlankheitskur verpassen, hoffend, dass er dann produktiver wird, den „Bassgeigeeffekt“ einer jeden Schlankheitskur in Bezug auf die Figur (der geplagte Körper ist danach nicht wirklich schlanker oder gar schöner) völlig unterschätzend. Mit Smith und Marx wissend, dass nur verkaufte Waren Kapital schaffen, also den Wert schöpfen (den Zins erwirtschaften), der in den Waren enthalten ist (und der sich als Kapitalverzinsung auf dem Markt zeigt), glauben beide an die Allmacht des Geldes, der eine an dessen Verbreitung, der andere, an dessen Hortung. Und während der eine nicht begreifen will, dass das Geld nur einmal ausgegeben wird, welches einem Wert gegenüber steht (und alles weitere nur eine Spekulation auf zukünftige Werte ist), will der andere den Zins auch da abgreifen, wo dem kein ausreichender innerer Markt entgegensteht. So verschlanken beider Patienten an den Muskeln und verfetten am Gewebe.

Auf hohem technischen Niveau, hart am Rande des Abgrundes
@Rabatto: Das bessere Auto ist noch nicht geschaffen, vom Standpunkt der Energieeffizienz, zum Beispiel. Sie argumentieren, eben wie Keynes oder Friedman, systemimmanent, apologetisch, affirmativ, und bemerken dabei nicht, dass das Auto, das, welches fossile Brennstoffe eben verschleudert (und damit auch die Umwelt zerstört, bzw. die Armut großer Massen mit verursacht!), nur eine Zwischenlösung gewesen sein kann. Und wenn ich mich nicht irre, war der Trabbi so gesehen, sogar das „bessere“ Fahrzeug. Dass ein Trabbi sich dort auch nur wenige leisten konnten, war wohl eine Blamage im Verhältnis zum Westen, doch in Bezug auf die Energiebilanz eher günstig. Der technische Fortschritt eines VW Passat (gegenüber einem Trabbi, zum Beispiel) ist nur möglich zu Lasten besserer Alternativen, dies in Abhängigkeit nämlich von den Ölmultis und dem übrigen Großkapital, insbesondere der Finanzwirtschaft/Kreditwirtschaft – 80 % aller Fahrzeuge hier sind kreditfinanziert! – , also jenen Kräften, welche die Wirtschaft im Kapitalismus beherrschen. Schließlich und endlich hat uns das dort hin geführt, wo wir uns jetzt befinden: auf hohem technischem Niveau, hart am Rande des Abgrundes.

Spekulation statt Theorie
@Rabatto: „wie unterschiedlich Betrachtungswinkel sind“, Bingo! „Keynes versus Friedman“ befreit die darin gefangene aporetische Perspektive sowenig wie modernste Rechner den Ökonomen von der Theorie. Eine richtige Theorie hat es aber nach Marx nicht mehr gegeben. Alle antimarxistischen Positionen, auch die von Keynes, basieren auf den von Marx kritisierten Theorien der bürgerlichen Politischen Ökonomie, letztlich eines A. Smith. Smiths blinder Fleck in Bezug auf die Quelle des Mehrwerts konnte auch nicht durch dessen „unsichtbaren Hand“ – auf dem Markt – kompensiert werden. „Marktgeschehen“ kapriziert sich auf die Sphäre der Verteilung (letztlich des Konsums!), Marxens Kritik auf die Sphäre der Produktion, bzw. der Re-Produktion des Kapitals. Jeder Versuch einer solchen theoretischen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen, z. B. durch hochkomplexe Zins-und Zinseszinsberechnungen endet als „Spekulation“ – mit der Spekulation. Der Spekulation auf dem Geldmarkt geht also schon eine Spekulation statt Theorie voraus. Das Grunddilemma ist, dass das Kapital mit dem Überschreiten seines Zenits auch seine ökonomischen Paradigmen verändert hat. Revolutionär (produktiv) war ein Kapital solange die Produktion die Konsumtion bestimmte, nun scheint es umgekehrt.

faz.net/Euro-Krise:Wie es zur Inflation kommt, 25.05.2010

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2 Trackbacks

  • Von Es erhöhte nur den Spielraum für den Reichtum am 26. Februar 2011 um 19:38 Uhr veröffentlicht

    […] muss man in seinem besonderen Verhältnis zur Herausbildung des bürgerlichen Subjekts sehen, des inneren Marktes schließlich. Ohne diesen gäbe es nicht die Einheit von Ausbeutung der abstrakten Lohnarbeit und […]

  • Von Sehr kryptisch am 12. Februar 2013 um 14:54 Uhr veröffentlicht

    […] kryptisch Was soll man davon halten? Es macht sich nicht bezahlt, Philosophie ohne eine klare ökonomische Theorie zu betreiben. Der ökonomische Wert ist in der Ware insofern enthalten, als die Ware „geronnene […]

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