Diskrete (Selbst-)Kritik

Diskrete (Selbst-)Kritik
Nur ein Italiener, nein, ein Bertolucci kann einen Film wie 1900 drehen, ohne dass dieser sozialromantisch verkitscht. Ein Epos nicht nur als Genre, sondern über das Genre hinweg. Sein Erfolg mag nicht daherkommen, wie „Der letzte Kaiser“, aber letzteren habe ich mir nur 2 Mal angesehen, ersteren inzwischen mindestens 3 Mal. Dieses Epos scheint die Zeit überdauern zu wollen. Wer den Film genau betrachtet – er kommt ja vielleicht noch mal im Fernsehen -, erkennt das „Volk“, das italienische, eben so sehr, wie „das Volk“, nämlich das der Kommunisten, jener revolutionären Marxisten. Letztere stehen für keine Nation, sowenig wie Bertoluccis revolutionäre Hauptfigur, Olmo, verkörpert durch den genialen Depardieu. Nur wenige Hauptdarsteller sind übrigens Italiener. Depardieu ist Franzose und Robert de Niro Amerikaner, wie auch Burt Lancaster u.a… Vielleicht Zufall, dennoch sprechend für den internationalistischen Geist in diesem Film, wenn nicht gar für eine diskrete (Selbst-)Kritik bzgl. des, und darin im Film der historischen Vorlage folgend, Verrates, eben durch jene italienischen Kommunisten, ob der eingesammelten Waffen, ohne die Revolution beendet zu haben.

faz.net/Bernardo Bertolucci zum Siebzigsten:Der indiskrete Charme der Agonie,16.03.2010

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