Franzose will er sein

Die gibt es also auch, Blogs in denen nach FAZ-Art gnadenlos zensiert wird. Untenstehender Beitrag wartet seit gestern auf seine Freischaltung. Versuche es ein zweites mal.

Wie uncool
Ich muss es wohl zur Kenntnis nehmen, da gibt es eine „Blog-Wartin“ (Die Windows-Korrektur will das gar in „Wirtin“ umbenennen, und Luhmann?, der wird seine Freude daran gehabt haben, aber dazu gleich mehr), die meinen Beitrag nicht mag, meine Beiträge insgesamt wohl nicht. Und daher lieber riskiert, dass überhaupt kein Kommentar ihren Blog verziert, als meine Unzierde da stehen zu haben.
Nun, damit könnte ich leben, wäre es nicht eine Frau. Denn, soviel Mangel an coolness stößt einem eigentlich nur beim anderen Geschlecht negativ auf. Wo wir beim Thema wären. Wie sagte Luhmann? „Frauen neigen nämlich zur Übertreibung“, so stand es dieser Tage in der FAZ (Aus Luhmanns Nachlass: Das Deutsch der Geschlechter).
Ich wage es nicht zu bestätigen, ist das doch ein männliches Vorurteil. Aber hier wird wieder einmal so ein Vorurteil bestätigt. Sind sie bösartig, dann sind sie wohl am bösartigsten, sind sie uncool, mangelt es ihnen völlig an coolness, sind sie repressiv gar, also nach meinem Verständnis: reaktionär eingestellt, dann sind in allem gerade erschreckend perfekt. In der Politik gibt es da nicht wenig Beispiele für. Nehmen wir nur Madam Thatcher – die Eiserne Lady -, beim Hören jenes Adjektivs dieser Dame, bekomme ich als Mann nur Kaureflexe (und das bezieht sich keineswegs auf ihren Widerstand gegen die deutsche Wiedervereinigung, dafür sei ihr gedankt), so als würde ich das rostige Eisen gar schmecken, keinen anderen Reflex, glauben Sie mir!
„Blog-Wart“ ist natürlich eine bösartiges Wortspiel, aber ist es doch die einzige Möglichkeit, sich ein wenig dafür zu rächen. Und Blog-Wartin, naja, eigentlich ist der „Blockwart“ männlichen Geschlechtes und als solcher für seine – ergo männlich konnotierte – und solchermaßen eigentlich kaum zu überbietende anpassungsgeübte Heimtücke verrufen, und als Frau…
Nun ja, da Frauen sich nun mal behaupten müssen, in dieser männlich-bösartigen Welt, können sie nur bösartiger sein, wenn sie sich davon nicht abheben wollen, will heißen: In der FAZ sich einen guten Namen machen wollen.
Wie uncool!

Franzose will er sein
Es gibt wohl kein größeres Missverständnis als das zwischen dem französischen Radikalismus und dem deutschen Klassenkampf. Der Franzose ist radikal auf bäuerliche Art, auf kleinbürgerliche, wie der Deutsche auch verächtlich zu sagen pflegt. Der Deutsche führt den Klassenkampf wie ein Krämer. Er führt Buch über all die Aktionen, die er nicht gestartet hat. Buch führen ist die Aktion. Theorie ist die Praxis, die ihm einzig mögliche. So ist der Deutsche gezwungen von der französischen Praxis zu lernen, einer jenen, die er nicht versteht, und der Franzose ist begeistert von der Organisiertheit der Deutschen, einer solchen, die eigentlich nichts beinhaltet, als Selbstzweck, Formvollendung.
Wenn der Franzose, der radikale, seine Herren einsperrt, entführt, ja tötet, die Fabriken in die Luft sprengt, dann scheint das dem Deutschen wie einst die Taten einer RAF. Es will ihm nicht in den Sinn, dass diese Taten mit der deutschen Wirklichkeit so wenig gemein haben – auch mit der einer terroristischen – wie die Vorstellung von einer Grand Nation mit eines Deutschen Untertanengeist, aber auch recht wenig mit eines deutschen Klassenkampf.
Der Franzose kämpft hier noch um sein Selbstbestimmungsrecht, so als wäre er noch mitten in der französischen Revolution. Und ein solcher Kampf hat mehr gemein mit dem Nationalismus einer ETA in Spanien und einer IRA in Irland, als mit dem Sozialismus eines Deutschen, gleich ob darin radikal oder reformistisch. Es ist der Kampf um die Identität gegen die Anmaßung einer französischen Aristokratie, die wohl nicht von Adel ist in der Gene (dies beendete die Guillotine), aber wohl doch in ihrer Vorstellung wie im Habitus. Die französische herrschende Klasse ist fast durchweg katholisch, wie die meisten Franzosen auch, wie der Bauer, der Arbeiter und die Mehrheit der Intellektuellen (die muslimischen Migranten müssen wir hiervon ausnehmen), und das System ist dementsprechend aristokratisch, konservativ, eigentlich feudal, mehr von persönlicher Abhängigkeit als von wirtschaftlicher geprägt; u. U. begegnet man sich gar in der Kirche am Sonntag, aber vermutlich dann nicht in der selben Bankreihe.
Wenn der französische Arbeiter von seinem Patron redet, denkt man, er redet von einem Grundherren. Vertraut und doch voller Hass, irgendwie ständig enttäuscht in seinen Erwartungen.
Und das ist der Witz an der Geschichte. Die Franzosen, die die blutigste bürgerliche Revolution hervor gebracht haben, die die europäische Geschichte kennt, haben die aristokratischste Bourgeoisie von ganz Europa erhalten. Und die Deutschen, die von dieser Revolution nur getrieben wurden, haben eine beinahe proletarische Bourgeoisie, eine plebejische allemal.
Daraus ergibt sich: Der deutsche Proletarier ist seiner Bourgeoisie nicht fremd genug, dieser sozial wie habituell zu nahe, daher ist sein Klassenkampf so wenig konsequent, ja ihm so fremd, wie die verfeindete Klasse ihm eigentlich sein sollte. Der französische Proletarier hingegen ist im Kern immer noch der Bauer, der von der Bourgeoisie abhängige, von ihr politisch missbrauchte, und daher von ihr nicht mehr zu trennende. Erstere schlagen sich und arrangieren sich, schließen Kompromisse, trennen sich, letztere begegnen sich mit dem Messer zwischen den Zähnen um sich dann gemeinsam als Franzosen zu feiern.
Denn Franzose will er sein, der französische Arbeiter wie der Bauer (der Bourgeois ist es, der Intellektuelle auch), Arbeiter will er sein, der Deutsche, der Bauer wie der Arbeiter, der Bourgeois wie der Intellektuelle.

Darin liegt das Wesen des Missverständnisses.

faz.net/blogs/frankreich/archive/2009/09/30/was-treibt-die-franzosen-in-den-tod

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2 Trackbacks

  • Von Abschottung aus Angst am 20. November 2009 um 20:54 Uhr veröffentlicht

    […] wie das Thema, über das sie schreiben. Bringe ihn hiermit passenderweise zur Kenntnis, per Link:Franzose will er sein. @ Filou: Aus dem Gesagten geht auch hervor, dass das französische Proletariat als ein solches […]

  • Von Den Biss halten! am 6. Oktober 2010 um 12:10 Uhr veröffentlicht

    […] Habe da gerade wieder mal einen starken Frust wegstecken müssen, hier in einem Blog (siehe: Franzose will er sein). Aber ich kann wegstecken, so wie ich auch austeile! Ach ja: Die „Nachfrage“, die nach der […]

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