Brutale Übertönung des kindlichen Gehörs

Brutale Übertönung des kindlichen Gehörs
Das mit der Begabung ist mit Sicherheit eine falsche Sicht der Dinge, die Sicht einer gewissen Klasse, einer jenen, die es sich leisten kann, die Fähigkeiten von Kindern, noch im richtigen Alter aufzugreifen und zu fördern. Ich behaupte, dass alle Kinder, in dem Alter, in dem sie vor allem auf das Hören spezialisiert sind (bis zum Schulalter, wo ihnen das dann als Ständiges-zu-hören-müssen wieder abgewöhnt wird) gleichermaßen „begabt“ sind. Es ist eine Frage, welche Schaltkreise da im Hirn so eines kleinen Menschen ignoriert oder wie gesagt gefördert werden. Gelingt das rechtzeitig, dürfte das mit dem „Fleiß“ nicht mehr so schwierig sein, denn Kinder sind im allgemeinen stark zu beeindrucken, wenn man ihnen den Erfolg entsprechend honoriert, denn mit Belohnung und nicht so viel Bestrafung. Wird dieser Zeitpunkt nicht richtig erfass, oder dann das Fördern falsch angegangen, wird das eine bösartige Plackerei.
Wenn es dann gelingen sollte, bei diesen Menschen das Zuhören zu perfektionieren, dann hören sie die Welt besser, anstatt sie ständig und solchermaßen dann all zu falsch sehen zu müssen. Das ist in etwa so, als wenn wir die Welt durch reale Bilder in Form von Fraktale-Algorithmen sehen würden – mit bloßem Auge -, welch Scheußlichkeiten blieben uns da erspart. Daher ist diesen „Genies“ der Zugang zur Mathematik ein leichtes, da sie in den abstrakten Formeln und Gleichungen gewissermaßen sinnlich wahrnehmbare Existenzen zu erblicken vermögen. Ich bin überzeugt, gelänge es uns, unseren Kindern rechtzeitig das entsprechende Gehör zu schenken, schenkten sie ein solches uns ebenso; und die Welt wäre nicht nur um ein vielfaches reicher, sondern auch (v)erträglicher. Was dem aber immer noch im Weg steht, ist vor allem dieser widerliche Klassendünkel, der da glaubt, dass nur Genies die Welt (besser) verstünden und solche selbstredend nur einer gewissen Klasse entspringen können.
Und da die Welt eben so und nicht anders organisiert ist, vorerst jedenfalls, kann zum Beispiel ein gewisser Don vom kindlichen Gemüt nichts anderes verstehen als dessen Lust auf eine unerträgliche Lautstärke neben einer noch unerträglicheren Ignoranz. Diese Lautstärke und jene Ignoranz sind aber nur die verdiente Antwort, die nicht zu vermeidende Reaktion, auf die seinerseits penetrante Ignoranz gegenüber einer jenen Lebensphase im Leben eines jeden Menschen, in der weniger gesprochen als zugehört wird, sprich: einer brutalen Übertönung des kindlichen Gehörs wie Gemüts.
Die Blockflöte ist im Übrigen nur deshalb allzu oft das schlechteste aller Instrumente, weil es in der Regel schon sehr frühzeitig dazu dient, die ersten kindlichen musischen Regungen ruhig zu stellen, statt gerade jetzt diesem Kind noch besser zuzuhören.

Je nach Klassenherkunft
@Don Alphonso: Nichts für ungut, ich meine sowas nie persönlich. Ich finde es außerdem gut, wenn man sich rechtzeitig zu seinen Schwachstellen bekennt. Aber ich halte es halt für noch wichtiger, gewissen, sagen wir mal „gesellschaftlichen Schwachstellen“ nachzugehen.
Das bedeutet jetzt keineswegs, dass ich die Weisheit mit Löffeln gefressen habe (oder ich meine Klassenherkunft stilisiere), aber ich hatte halt schon öfters Gelegenheit meine eigenen Schwachstellen zu erkennen (leider nicht immer rechtzeitig – 2 Ehen, 2 Kinder -; und das hat ja auch was mit dem Alter zu tun, je älter man wird, desto später entdeckt man seine Fehler).
Und gerade was das Leid der Kinder angeht, mach ich mir große Sorgen, nicht nur weil ich selber Kinder habe, sondern, weil mir alle Kinder gleich viel bedeuten.
Ich denke gar manchmal an das Kind, wenn ich da so einen Verbrecher vor mir sehe, und denke: was hätte doch aus diesem werden können, wenn nicht…
So einer wie Ackermann hat sicher schon als Kind seine Freunde beim Murmelnspielen (fränkisch: Klickerspielen) zu bescheissen gesucht, da wette ich drauf. Und irgendwie muss er dabei all zu oft Erfolg gehabt haben. Der eine schummelt dann mit Zertifikaten und Derivaten, also wird Banker, der andere Hütchenspieler, je nach Klassenherkunft vermutlich, oder?

Immer wieder mischen, das Zeugs
@Mawu/Don Alphonso: Zunächst mal ein kleines Missverständnis ausräumend: Natürlich unterscheiden sich die Kinder in puncto Charakter, wie überhaupt in vielerlei Hinsicht. Das mit dem Hören als Lebensphase, halte ich aber für unumgänglich, es sei denn, es handelt sich um ein schwerhöriges Kind (dann aber „hört“ das Kind über seine übrigen Sinne). Unterschiedlich sind schließlich auch die jeweiligen Phasen in der Entwicklung, doch gibt es diese Phasen bei allen Kindern. Auch der Umgang selber, den die Kinder mit ihren Phasen haben, ist ein völlig verschiedener. Und der jeweilige Zugang zu den besonderen Musikinstrumenten wiederum ein anderer. Ich denke auch, dass das Vorbild der Eltern (der Erzieher), nicht unerheblich sein wird. Schlicht in all dem Chaos zeigt sich eine gewisse Regel: Im Mutterleib beginnend ist das Kind auf Hören hin abgerichtet. Dieses „Hören“ ist nicht nur mit den Ohren gemeint, es kann auch Fühlen oder Schmecken meinen. Da Klänge über das Hören abgetastet werden, sind somit alle Kinder bis zu einem gewissen Alter gleichermaßen „begabt“ (nicht mit gleichem Charakter versehen, das ist wieder etwas komplexer). Im Übrigen sind meine beiden Kinder musikalisch, was mit Sicherheit nicht an mir liegt, jedenfalls nicht genetisch (allerdings bin ich mir da nicht so sicher, denn mein Vater war musikalisch), sondern wohl eher an meinen beiden Frauen. Beide meiner Frauen kommen aus dem Orient, und dort wird einfach mehr Musik gemacht, mehr getanzt, und last not least: mehr zugehört. Das Plappern kommt erst viel später, und dann will es auch nicht mehr aufhören.
Bzgl. Dons Gene wäre ich nicht so pessimistisch. Ich glaube, dass wir heute alle Gene brauchen, damit die Menschheit sich gesund und hoffentlich auch bald klüger weiter entwickelt. Bei den 6 Milliarden Menschen sind ehe viel zu viel miteinander verwandt. Ich komme aus Unterfranken, ich weiß wovon ich rede.
Immer wieder anständig mischen das Zeugs – darauf kommt es an.

faz.net/blogs/stuetzen/archive/2009/07/04/die-vergeblichkeit-musikalischer-zwangsmassnahmen

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