Wie der Hase und der Igel

Wie der Hase und der Igel
Das ist ja ein Ding, diesem Sloterdijk-Steuerbürgerkrieg jage ich hinterher, wie der arme Hase in der bekannten Fabel, kaum dass ich ihn wieder habe, ist er schon verschwunden – im kostenpflichtigen Archiv. Nun haben Sie ihn wieder ausgegraben. Danke. Ich bin Ihnen schon wieder was schuldig. Und da ich das diesem „Philosophen der Deutschen“ (klingt wie die Volksaktie der Deutschen), eben jenem Sloterdijk, nicht gönne – nicht die Einnahmen für seinen Beitrag in der FAZ, die gönne ich ihm, so wie die Steuer, die er vermutlich doch nicht zahlt, trotz allen Gejammers, nein, diese meine Kritik ständig verschwinden sehen zu müssen, zusammen mit seinen aphoristischen Weltbetrachtungen – , hier ist mein Leserbrief (siehe auch: Schuldner und Gläubiger) noch einmal, in der Hoffnung, dass er nun nicht mehr verschwindet, in irgendein Archiv.

Schuldner und Gläubiger, Kapital und Arbeit, Barrikaden und Scheiterhaufen
Hinter dem Gegensatz von Schuldnern und Gläubigern steckt weiterhin der Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital, denn Schuldner wie Gläubiger zertifizieren sich gegenseitig, was ein anderer erarbeitet hat, wenn sie nicht gar ganz deckungsgleich mit Arbeit und Kapital sind. Und dass ein Philosoph wie Sloterdijk zu solch einer Tiefenbetrachtung der Dinge nicht mehr durchzusteigen wagt, hängt wohl damit zusammen, dass sein Hauptfeind als Intellektueller nur noch das Finanzamt ist. Er hat wohl ganz vergessen, zwischen all seinen aphoristischen Betrachtungen der Welt, woher das Kapital herkommt, dass er da irgendwo in Aktien, Wertpapieren, oder sei es auch in Sachanlagen (verzinst) angelegt hat. Und es käme halt auch schlecht an, wenn er sich, als der „Philosoph Deutschlands“, neben gewissen deutschen, philosophisch sicherlich recht unbedarften, Fussballstars und noch harmloseren Musiksternchen, irgendwo in einem Steuerparadies ansiedeln würde. Also Ihr „Bürger“, geht auf die Barrikaden, aber bedenkt, dass diese dann auch als Scheiterhaufen für euch genutzt werden können. Und das geschieht regelmäßig dort, wo man das Volk in den Kampf gegen Chimären jagt. Deutschland hat da eine lange Geschichte zu.

Genie und Tratschtante
@Don Alphonso: „Gerade Sloterdijks – meines Erachtens – sagenhaft ignoranter Beitrag, der so tut, als wäre der Staat ein schwarzes Loch für Geld und keine Umverteilungsmaschine, die den Reichen in den letzten 25 Jahren Traumzuwächse beschert hat, ist ein prima Beispiel für die Nebelkerzen, die da geworfen werden. (Mal abgesehen davon, dass man aus jeder Zeile merkt, dass er wenig mit Reichen zu tun hat)“
Gut erkannt, und ich nehme an, Sie wissen auch, dass Sloterdijk genau jener Nebelkerzenwerfer ist!? Nur in einem irren Sie: er hat mit Reichen zu tun, nur nicht von Angesicht zu Angesicht, oder gar als Mitglied ihrer Loge, nein, als ihr Hofnarr. In früheren Zeiten war er Bhagwan-Priester, nun spielt er selbst den Guru. Das ist die Kunst, rechtzeitig begriffen zu haben, wann man genug gelernt hat, um sich nun selber seine Schüler zu suchen. Darin steckt sein „Genie“, das muss man ihm lassen.
Selbst auf Heidegger will er mittlerweile pfeifen, obwohl jede bessere Zeile eine Kopie von ihm ist, auch mit Hölderlin schmückt er sich, obwohl er vermutlich kein Wort von ihm verstanden hat. Hölderlin war kein Blender, er hingegen ist es. Hölderlin hätte nie über einen Gegner /einen Konkurrenten schlecht geredet, wenn er nicht das Zeugs gehabt (oder nicht die Notwendigkeit gesehen) hätte, dies nur mit besten Argumenten und höchstpersönlich zu tun. Goethe war so ein ganz Großer, das wusste Hölderlin, und obwohl er es nie überwunden hat, dass er ihn so kalt hat stehen lassen, damals bei Schiller, hat er nie ein Wort über ihn gesagt, denn er wusste, dass Goethe der Bessere, auf jeden Fall aber der Wichtigere war. Allerdings nicht überall, nicht dort, wo Hölderlin für Goethe unerreichbar blieb. Die Menschen, das einfache Volk, eines das zu großen Taten bereit war/bereit sein sollte, ihren Göttern gleich gemacht zu haben, das war Hölderlins Genie, ein Goethe verstand es nur, den Literaten zu vergöttlichen, und darin blieb er gewöhnlich. Ein großer Philosoph – und Hölderlin war natürlich auch ein Philosoph -, spürt die Anwesenheit eines Ebenbürtigen und nimmt das schweigend zur Kenntnis, wenn Schweigen besser ist. Der wahre Dichter schweigt, sagte Hölderlin, und damit auch meinte er sich selbst in Bezug eben auf diesen Goethe, und er begriff, dass eines Goethes Schweigen hingegen Schwäche war, eine, eines Hölderlin nicht wirklich abträglich, aber eines Goethe unwürdig.
Und da kommt diese Tratschtante und lästert den toten Marx ab, und dass das ohne Stil ist, nicht einfach nur Schwäche, das erkannt zu haben, das spricht für die Leser der FAZ, selbst wenn sie deshalb noch lange keine Marxisten sind/nicht sein müssen.

Der Revolutionär und der Konservative
Der Don ist doch in Wahrheit ein braver Junge, er berichtet halt nur gerne. Und was hat er schon zu berichten? Eben über den Klassenkampf, den von oben. Und dafür bin ich ihm ausgesprochen dankbar. Denn Betroffene merken oft gar nicht, dass sie betroffen sind, daher ist hin und wieder ein Perspektivenwechsel angesagt. Der Klassenkampf von unten, um den ich mich ja so bemühe – manche haben es richtig bemerkt -, stockt, schon lange. Warum wohl, weil die Betroffenen ihr Betroffensein ignorieren (dafür melden sich dann immer wieder mal ganz andere „Betroffene“ – Sloterdijk zum Beispiel).
Und das in der FAZ zu wagen, ist so verkehrt nicht, denn in jedem Revolutionär steckt doch auch ein konservativer Kern, der, der das Gute zu erhalten sucht, und manchmal dabei merkt, dass das nicht geht. Slavoj Zizek zum Beispiel hob ausdrücklich auf den Erzkonservativen – heute würde man sagen Spießer – Kant ab, wie dieser doch die Welt revolutioniert habe. Was wäre die Aufklärung ohne Kant, und auch: was wäre ihr Ende ohne ihn. Erst danach kamen doch alle die Alt- und Neukantianer. Und jetzt entdecken sogar die Marxisten (Zizek, und ich auch) einen gewissen Kant in uns allen (Das Ding, das in Wahrheit eine Lücke ist!, vgl. „Logik, Dialektik und mitnichten Nichts“)
Oder Marx! Der wollte doch eigentlich nur ein Professor werden, was man ihm aber nicht gestatten wollte, wegen so ein paar Geschichten über (und aus dem antiken) Griechenland – dass Demokrit und Heraklit die ersten Revolutionäre waren (und beide waren von edler Abstammung, schon merkwürdig, nicht wahr?), das wusste doch damals beinahe jedes Kind. Also wurde er Revolutionär, um endlich das sagen zu können, was diese beiden vor mehr als 2500 Jahren unbeschränkt hatten sagen dürfen, und wie hat er dabei die Welt verändert! – mehr als all diesen und jenen Konservativen wie Revolutionären wirklich bewusst ist.
Also, lieber Don: Weiter so, durch gewisse, immer wieder auftretende, Missverständnisse kräftig hindurch.

faz.net/blogs/stuetzen/2009/06/12/fussfaule-millionaere-oder-der-buergerkrieg-der-nicht-kommt

   Sende Artikel als PDF   
Dieser Beitrag wurde in Blogs veröffentlicht. Ein Lesezeichen auf das Permalink. setzen. Kommentieren oder einen Trackback hinterlassen: Trackback-URL.

2 Trackbacks

  • […] treibt der Konflikt der bürgerlichen Klasse mit den „Schlechtergestellten“? Siehe auch: Wie der Hase und der Igel Hier streiten zwei Moralphilosophen (Kantianer kontra Hegelianer, subjektiver gegen objektiven […]

  • Von Heine und Hölderlin am 29. Oktober 2009 um 22:28 Uhr veröffentlicht

    […] Irdischen göttlicher Natur. Und vielleicht auch dies noch: So wenig wie ein Sloterdijk sich auf Hölderlin berufen kann, darf ein Bohrer dies mit […]

Einen Kommentar hinterlassen

Sie müssen angemeldet sein, um zu kommentieren.