Eine Matte aus Stacheldraht unters Ehebett

Eine Matte aus Stacheldraht unters Ehebett
@Don Alphonso:„Vielleicht wird diesmal die Familie als perfekte Kontrollinstanz wieder modern, vielleicht entdeckt man für und gegen Frauen die Schönheiten des Herdes wieder, vielleicht sogar findet man sich damit ab, dass die Regeln nun andere machen, denen ein Haus am Tegernsee nichts bedeutet, und hofft, dass sie einen in Ruhe lassen.“
Es ist sicherlich so, dass die Menschen zunächst mal so reagieren, wie in einem Wasser, das sie in die Tiefe zieht, dann aber doch noch einen Strohhalm, wie zum Witz, nach oben treiben lässt. So ein Strohhalm dürfte die Familie sein, denn diese säuft eben gerade auch ab. Und da erzähle ich Ihnen wohl nichts Neues, zumindest was die Lage in den oberen Klassen betrifft. Aber auch in den unteren Klassen sieht es nicht besser aus. 30 % des sog. Mittelstandes (und wer gehört da nicht alles zu?) hat massive Probleme mit der Entwicklung, sprich der Erziehung, der Kinder, mehr als 50 % aller Ehen scheitern – sichtbar, die anderen tun das nur etwas langsamer. Die Frauen haben längst in das Klassenkampfgeschehen eingegriffen, und zwar ganz anders als das sich das (männliche) Proletariat so gedacht hat. Sie sind Konkurrenz zu ihrem eigenen Mann. Im Zweifel verliert die Liebe, und den Teufel hole die Familie. Da beschweren sich zuhauf die Männer, dass sie als Kindesväter abgewrackt werden, sie dürfen nur noch zahlen. Aber weit und breit kein Begriff davon, was hier eigentlich geschieht.
Dass das Proletariat, zusammen mit seinen Frauen, also gemeinsam das elende Schicksal erträgt, wurde auch von den Begründern des wissenschaftlichen Sozialismus so wirklich niemandem versprochen (es wurde bestenfalls nur so eine Hoffnung diesbezüglich ausgedrückt, allerdings tendiere ich eher zu einer anderen „marxistischen“ Interpretation: ein Proletariat, das sich nicht wehrt, das sich an die Sklaverei gewöhnt, ist einer treuen wie loyalen Frau nicht wert). Der Untergang der (bürgerlichen) Familie wurde hingegen sehr wohl voraus gesehen. Und auch eine proletarische Familie ist dahingehend eine bürgerliche.
Somit Klassenkampf an allen Fronten, am härtesten im Ehebett!
An diesen Strohhalm sich zu hängen, bedeutet sich an den Henker zu klammern.
Diese Krise wird daher die Mutter aller Krisen werden (der gute Saddam hatte doch wenigstens noch Sinn für eine gewisse boshafte Ironie, indem er all dies und jenes, was da von nun an über uns kommt, weiblich belegt).
Und was die Hoffnung auf das Stillhalten, das „Weiter so“, wenigstens in Beziehung zu solchen Destinationen wie dem Tegernsee angeht, so denke ich doch, dass die nächste („Umwelt“)Krise, die nächste „Überschwemmung“, diesen Schwachsinn wegschmiert.
Wenn eine Pyramide, und als eine solche muss man sich den Kapitalismus vorstellen, ins Wanken kommt, dann sorgt eine jene Statik, die da auf der Erdoberfläche lagert wie auf Rollen (die Rollen muss man sich als die proletarische Unterschicht vorstellen), für, dass es erst unten ins Rutschen gerät und dann oben ins Purzeln.
Insofern mögen sich die Herren (und deren Damen) da oben noch einstweilen sicher fühlen, aber das ist doch eher wie auf einer Titanic, wo die erste Klasse natürlich ein wenig länger hoffen darf (sie sind schließlich auf dem Oberdeck), aber ins rettende Boot steigen, durften auch nur die Damen, im Zweifel gar die aus dem Unterdeck, die Herren hatten ritterlich zu sterben oder weniger ritterlich die Damen vom Boot zu werfen.
Und genau solches, nämlich, dass da nicht wenige Ganoven sind, die sie im Zweifel vom Boot werfen, das wissen die Damen längst, entgegen allen lyrisch beschönten Versprechungen, also, dass sie nicht mit Rittern, sondern mit Strauchdieben und Angsthasen das Ehebett teilen. – Raubritter sind halt alles andere als Ritter, und Schafhirte glaubten schon in ihrer Frühzeit nur all zu gerne, dass ihre Damen von der Gauklergottheit Pan heimgesucht wurden! Der Besitz und schon gar nicht der Kleinbesitz machen halt noch lange nicht männlich, auch wenn Eigentum männlich konnotiert sein soll (vgl. Strobls Parallelblog, eigentum-ist-maennlich). So legt man dem Angebeteten recht bald eine Matte aus Stacheldraht unter, als das wärmende Deckchen.

Nur die halbe Sache
@Don Alphonso: Was die Leute glauben, ändert eigentlich nicht viel an der Geschichte, sondern bringt nur bei Gelegenheit, die eine oder andere besondere Dramatik nach oben, und doch ist genau dies die wahre Geschichte. In jeder Hinsicht verhalten wir uns alle so, als würde es uns nicht treffen, das gilt zum Beispiel ja auch im Straßenverkehr, eine Art Krieg, wo man keine Soldaten für braucht; und es sterben doch so viele wie in einem großen Krieg. Das ist vielleicht gar die größte Leistung dieses Systems, nämlich den Menschen die Illusion eben n i c h t zu nehmen, und daher überleben auch gewisse produktive Illusionen. Eine Gesellschaft, die alles durchrationalisiert, mag die bessere sein, aber sie ist wenig attraktiv. Und genau dies nicht wahr haben zu wollen, ist vielleicht des bisherigen Sozialismus größter Fehler. Es ist nicht die produktive Seite am Kapitalismus, die es zu erhalten gibt, wie da Gysi kürzlich meinte, die ist kein Geheimnis (siehe auch: „Denn was ist schlecht daran?“, Leserbrief zu: „Bankenverband trägt Spott mit Fassung“), sondern das Geheimnis eben genau jenes unproduktiven Ideals. Denn, dass der Tod so vieler Menschen im Straßenverkehr produktiv sei, kann man ja nicht wirklich annehmen, und doch liegt hierbei womöglich der tiefere Grund für die Produktivität dieses Systems an ganz anderer Stelle. Und genau so ist es mit der Familie. Die Familie stirbt, aber noch im Sterben, schafft sie es, sich als wahre Überlebende zu imaginieren. Und darin, und nicht in der Familie selbst, liegt die Quelle für eine ständige Erneuerung, einer Erneuerung, die viele Opfer kostet, zu viele, und doch immer wieder stattfindet. Und so stirbt auch das Kapital auf ähnliche Weise und somit nicht wirklich. Ich glaube daher nicht an sog. „innere Schranken“ (Robert Kurz).
Ein solches System zu schlagen, bedeutet in erster Linie die menschlichen Empfindungen zu begreifen, nicht die ökonomischen Zusammenhänge. Ich bin mir daher bewusst, dass meine Analyse nur die halbe Sache ist.

Gut und Schlecht
Mein lieber Don, dich hat nicht die Schweinegrippe, aber die Grippe eines jenes „Schweinesystems“ erfasst, um mal diese so unpopulär verbliebene Betitelung neu zu gebrauchen – da wo sie passt womöglich. Schauen wir uns doch Schweine an, sind sie nicht niedlich? Wer ahnt schon, was da für ein Dreck drin steckt, in diesen niedlichen Körpern. Sie fressen wohl (beinahe) dasselbe wie wir, aber sie haben vermutlich ein anderes Verdauungssystem. Hinzu kommt, dass sie uns in unseren Krankheiten, wie auch in so manch unserer Gewohnheit – welcher Mann hat noch nicht von seiner Frau zu hören bekommen: hör auf so zu grunzen, wenn du auf mir liegst? – so furchtbar ähnlich sind. So kommt es, dass nur die, die ihr Fleisch verschmähen, die Moslems zum Beispiel, wissen, was für gefährlich-eklige Kreaturen sie sind. Man muss sie ja nicht unbedingt töten, im Zeitalter von Animal Peace und Amnestie International, aber man sollte nicht einen zu nahen Umgang mit ihnen haben. Die Ökonomie, auf der das ganze (Missverständnis?) beruht, ist bedauerlicherweise nie ganz verstanden worden. Nämlich den Schweinen geben wir oft das bessere Futter, obwohl sie eine perfektere Verdauung haben als wir Menschen, das mag vielleicht daran liegen, dass wir Menschen zu gut zu diesen Schweinen sind.

faz.net/blogs/stuetzen/2009/06/08/flucht-an-das-ende-des-regenbogens

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