Mitnichten wie Phönix aus der Asche
@Strobl: „wenn es extreme Einkommensunterschiede gäbe“, schreibt er, „dann wäre es allemal besser und für die Betroffenen auch würdevoller, wenn sie auf den „anonymen“ Kräften des Marktes beruhen, denn auf zentraler staatlicher Verteilungspolitik.“ Das ist nett, wie hier an die Würde der vom Kapitalismus in die Armut Verbannten gedacht wird. Aber eigentlich möchte ich gar nicht solches oder jenes im Einzelnen diskutieren, das ist wahrlich Schnee von gestern. Interessanter ist da vielleicht mein Lektürevorschlag als Kontrapunkt: wie wäre es mit Tim Weiners „CIA“ – „die ganze Geschichte“, wie er verspricht.
Nicht, dass es da was gäbe, was einem Linken nicht längst bekannt war: Keine Militärdiktatur auf diesem Planeten, die nicht von diesem CIA finanziert worden wäre (manchmal sogar mit direktem Waffeneinsatz, Guatemala, Kuba, Indonesien, Iran…). Und beileibe, es geht mir nicht um die Frage: welche Moral ist die Bessere, die es wert wäre, mit definitiv unmoralischen Mitteln durchzusetzen? Denn selbstredend war das genau die Zeit, in der auch ein KGB nicht von gestern war. Er war sogar der Bessere, von beiden, wenn man jetzt vom Mossad absehen möchte.
Mir geht es darum, wie Werte von gestern schamlos, skrupellos, gnadenlos mit Füßen getreten werden. Wie man mit ehemaligen Feinden (deutschen oder japanischen Faschisten zum Beispiel) von heut auf morgen gemeinsame Einsätze macht, gegen den aktuellen Feind, den eigentlichen offenbar, den Kommunisten, wie es immer wieder heißt.
Es ist entsetzlich zu lesen, dass alle Werte, nur für die Massen sind (oder für gewisse Intellektuelle), da stehen die Demokraten den Kommunisten keineswegs nach.
So war zum Beispiel Mossadegh kein Kommunist, aber er wollte sich von den Briten nicht mehr weiter so bestehlen lassen, flugs wird er von den Briten, mit massiver Unterstützung des CIA, aus der Regierung geputscht. Alles Kommunisten, wie gesagt, dem Hauptfeind.
Und solches, nun von Hayek zu lesendes, ist mir in Stil und Inhalt, nach der Lektüre dieses „CIA“ wahrlich nicht fremd, bildet es doch die semantische Brücke für deren Einsätze, zum Beispiel auch solche mit „Agent Orange“ über den Wäldern Vietnams: alles gegen die Kommunisten, gegen die Zentralisten, gegen die, die mit der Planwirtschaft daherkommen.
So einfach geht das heute nicht mehr, Herr Strobl. Die Messlatte ist etwas höher anzusetzen.
Im Übrigen, gehen zurzeit alle „sozialistische Maßnahmen“ vom Kapital selber aus, oder von was reden Sie? Und bestätigt das nicht einen gewissen objektiven Lauf der Dinge? Die Planwirtschaft ist das unmittelbare Ergebnis der kapitalistischen Marktwirtschaft (so wie die soziale Revolution das des Klassenkampfes in der kapitalistischen Gesellschaft), denn sie kommt mitnichten wie Phönix aus der Asche.
Missbrauch, Tendenz und trojanische Pferde
@Strobl: „Mich interessierte vielmehr seine Darstellung des schleichenden Übergangs von marktwirtschaftlichen zu kollektivistischen Ordnungsprinzipien, einhergehend mit einem graduellen Verlust persönlicher Freiheiten.“
Das sehe ich übrigens auch so, allerdings nicht mit sozialistischem Vorzeichen, sondern unter kapitalistischem (und unter Missbrauch sozialistischer Begriffe und doch ist dieser Missbrauch ein Hinweis auf die Tendenz, einer in Richtung Sozialismus).
Der Sozialismus hingegen hat gelernt/muss lernen, dass er in Puncto Freiheit nicht unter den Kapitalismus gehen kann, obwohl die Einschränkung der Freiheit, nämlich die des Privateigentums, definitiv sein Programm ist und bleibt.
Die Lösung daraus habe ich schon mal vorskizziert: Sie geht nur durch eine parallele wie teilweise paradoxe Intervention. Die politische Freiheit, der Kampf für Demokratie, muss viel mehr das Programm der Sozialisten bestimmen, wie zugleich hinsichtlich der Abschaffung des Privateigentums der Produktionsmittel keinerlei faule Kompromisse gemacht werden dürfen.
Ersteres bedeutet aber eine Erweiterung der Optionen im Hinblick auf das Kleinbürgertum, den Kleinbesitz, den Bauern. Ich denke auch, dass die Kernfehler – auch und gerade Stalins – im Umgang mit diesen Teilen des Volkes lagen. Und das waren konsequent Fehler im Umgang mit der Demokratie. Das Ergebnis war die Zerstörung auch und gerade der sozialistischen Demokratie. Und genau dies ist die Herausforderung für die Abschaffung des Privateigentums. Denn das Kleineigentum an Produktionsmitteln ist und bleibt die Keimzelle jeglichen Eigentums an Produktionsmitteln. Diesen Widerspruch klug, demokratisch und doch prinzipiell anzugehen, erfordert nicht nur die ganze Kraft einer sozialistischen Theorie, sondern auch und gerade die Fähigkeit zur Selbstkritik, in der Praxis wie in der Theorie. – Und die Erfahrung der Massen!
Zu dieser Selbstkritik ist der Marxismus fähig, nicht nur weil Marx unbedingt klarstellte, dass ohne Kampf für die Demokratie (und damit meinte er eben nicht nur die bürgerliche Demokratie seiner Zeit), der Kampf für den Sozialismus auf verlorenen Boden steht, sondern weil der Marxismus die einzig in sich geschlossene wirtschaftliche, politische, soziale wie philosophische Wissenschaft ist. Eine solche, die nicht nur aus der Bewegung der Massen, sondern auch aus eigenen Fehlern lernt.
Was sind Hayek, Keynes, Popper und all die anderen dagegen? Wenn sie von Marx nicht geklaut haben, dann haben sie ihn verraten, ja so weit wie möglich für den Gebrauch verdorben. Sie sind Versatzstücke bürgerlicher Hilfstheorien. Solche, welche in Krisen geboren und in der nächsten gestorben sind. Und all zu oft trojanische Pferde in den Reihen der Revolutionären Linken.
faz.net/blogs/2009/05/19/mit-500-ps-auf-der-road-to-serfdom?
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[…] ging es leider nur in die Hosen, dank dieser Bürokratie im Übrigen (man kann diese auch als das trojanische Pferd der Klassengesellschaft im Sozialismus […]
[…] merkwürdige Schamgrenze. Es sei denn, man hielte faschistische Massaker, wie sie zum Beispiel auf Indonesien wenigstens einer halben Million Menschen das Leben gekostet haben, für weniger skandalös als das […]