Wo die Versorgung mit ausreichend Nahrungsmitteln das erste Menschenrecht geworden sein wird…

Wo die Versorgung mit ausreichend Nahrungsmitteln das erste Menschenrecht geworden sein wird…

Die Ernährungsproblematik – und da gehört das Problem der Wasserversorgung mit dazu – ist ein wichtiges Indiz dafür, dass der Kapitalismus, das heißt: die Abhängigkeit der Welternährung vom Profitdenken, historisch an seine Grenzen gelangt ist. Wenigstens die Hälfte der Weltbevölkerung leidet unter Hunger oder Wassermangel, bzw. ist nicht ausreichend gesundheitlich versorgt. Und die andere Hälfte ist damit beschäftigt, sich vor einer solchen Katastrophe zu fürchten. Und das alles nur, damit eine kleine sog. Elite über die Alternativlosigkeit des Kapitalismus räsonieren, will heißen: sich dessen Vorteile sichern darf. Das Essen von Fleisch oder Fisch durch diese Minderheit – und ich bin kein Vegetarier oder Mitglied von Animal Peace/-Angels –, geht zu Lasten der Grundversorgung eben dieser Weltbevölkerung. So ganz nebenbei ist es ein Hauptgrund für die aktuelle Umweltkatastrophe. Ernährungsphysiologisch betrachtet ist Fleisch für den Menschen eher schädlich als nützlich, auf jeden Fall entbehrlich. Doch da Fleischessen u.a. auch ein Statussymbol ist, geht der Fleischkonsum in die Höhe. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Ob als Schwein, Rind oder Pferd, oder als Fisch, ob industriell oder beim Metzger um die Ecke verpackt – selbstschlachtende Metzger gibt es ehe kaum noch –, oder ob als „Biofleisch“ gar, Tiere müssen aufhören Nahrungsmittel für den Menschen zu sein. Da es sich hier aber auch um liebgewordene Gewohnheiten eben dieser Menschen handelt, also quasi um eine „Kultur“, die der „Markt“ gerne pflegt, kann man nur bewusst und organisiert dagegen steuern, das heißt: eben dies nicht dem Markt überlassen.

Der Kapitalismus wird diese Gegenbewegung nicht organisieren. Im Gegenteil. Er betrachtet sie als Bedrohung, als Eingriff in die „Menschenrechte“, vermutlich. Denn offenbar ist es ein Recht Tiere zu töten.
Die Gesellschaft des Menschen wird entweder lernen bewusst und planmäßig zu handeln, und das setzt die Aufhebung von Klassen wie die Abschaffung des Eigentums an Produktionsmitteln voraus, oder recht bald untergehen. Und wo die Versorgung mit ausreichend Nahrungsmitteln das erste Menschenrecht geworden ist, dort werden wir keine Fleischproduktion mehr vorfinden.
Und das und nichts anderes sind die Lehren aus all diesen Lebensmittelskandalen.

Die Biotechnologie ist der Teufel, der uns das Beten lehrt…
@Thorsten Haupts: „Warum wir damit für den Hunger auf der Welt verantwortlich sind, der in erster Linie einer zu schnell wachsenden Bevölkerung…“ Eine nette Theorie. Doch nehmen wir nur mal ein Land wie China. Und wer wolle den Chinesen unterstellen, dass sie zu schnell wachsen? Dort werden Jeans in Auftrag gegeben. Wir erlauben uns pro Jeans einen Preis von unter 4 € vorzugeben, damit wir diese hier für knapp unter 10 € absetzen können. Die Abhängigkeit der chinesischen Produzenten von dem Markt hier, ist so hoch, dass sie zu jedem Preis produzieren.

Die Leidtragenden sind die chinesischen Arbeiter (die kürzlich noch Bauern waren), die Umwelt Chinas, ja, und selbst gar die Verbraucher hier, welche wohl billige aber umweltschädliche Produkte erwerben. Ganz zu schweigen von der Wirtschaft hier, die in eine merkwürdige Abhängigkeit gerät von der Notwendigkeit in Ländern wie China die Armut aufrecht zu erhalten. Denn es ist deren Armut, die sie zu solchen Arbeitsbedingungen zwingt. Also brauchen wir diese Armut. Und da dies ein Kreislauf nach unten ist, erleben wir gerade auf dem Gebiet der Lebensmittelproduktion, wo die Gewinnspanne relativ niedrig ist, einen Skandal nach dem anderen. Denn natürlich zwingt ein solcher Wirtschaftskreislauf zur Verwendung minderwertiger Produkte. So vergiften wir mit wiederaufgetauten chinesischen Erdbeeren unsere Kinder und ruinieren mit vermutlich wenig „koscherem“ Pferdefleisch aus Rumänien – gleich ob das Fleisch mit Medikamenten kontaminiert ist – unsere „Liebe zum Tier“. Es leidet aber nicht nur das liebe Vieh darunter, das nochmal schlechter behandelt wird, wie der chinesische Arbeiter, sondern der gesamte Erdball. Diesem – also uns selbst – lassen wir wenig Empathie angedeihen.

Hier finden Sie unsere Verantwortung, wie unsere Betroffenheit, werter Herr Haupts. Mal abgesehen davon, wovon ich eigentlich sprach, was Sie aber als Konservativer, sprich: als deutscher Nationalist, nicht zu lesen vermögen. Nämlich davon, dass wir solche Verhältnisse eben nicht mehr marktkonform und lokal, sondern antimarktwirtschaftlich und global lösen müssen, bei Strafe des Untergangs. Wen interessiert das noch, ob wir in Europa noch genug Weiden haben und vielleicht nicht „überbevölkert“ sind, wenn unser Wirtschaftskreislauf Teil eines Systems ist, das im Weltmaßstab, Mensch, Natur und Kreatur zugrunderichtet.

Und Dreamtimer ist nicht zu widersprechen, denn die Produktion von Nahrungsmitteln wird schon in naher Zukunft keine landwirtschaftliche mehr sein. Nicht nur ob der sog. Überbevölkerung, gleich wo auch immer auf diesem Planeten, sondern ob der Falle der Produktivität, die die letzte Klassengesellschaft, die letzte ökonomische Formation – der Kapitalismus – hier aufgetan hat.

Die Biotechnologie öffnet – technisch betrachtet – den Weg zur nächsten schon nicht mehr ökonomischen Formation. Sie wird daher unser Segen und unser Fluch zugleich sein. Fluch, solange es ihr erlaubt ist, die marktwirtschaftlichen Verhältnisse, die sie hervorgebracht hat, auszubeuten. Denn solange, in der Tat, werden wir uns vielleicht noch mal wünschen, Tiere zu schlachten, um uns selbst als Kreatur zu retten. Doch auch unser Segen, weil sie demonstriert, dass eine höhere menschliche Produktionsweise, die sie nämlich voraussetzt, nur möglich ist, wo die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und somit auch die Ausbeutung von Natur und Mitkreatur abgeschafft sein wird.

Die Biotechnologie ist der Teufel, der uns das Beten lehrt und uns zugleich zwingend vor Augen führt, wie wenig das nützt.

faz.net/blogs/stuetzen/archive/2013/02/13/gewinner-sieger-und-andere-verlierer

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Ein Trackback

  • Von Die Armut ist nicht systemwidrig, sondern systembedingt am 21. August 2013 um 11:15 Uhr veröffentlicht

    […] gerade in dem so reichen Deutschland ganze Wirtschaftskreisläufe (vom Einzelhandel bis zum Schlachter) unmittelbar von der Ausbeutung der Armut leben, also dass dort Stundenlöhne weit unterhalb des […]

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