Hin zum platonischen Höhlengleichnis

Hin zum platonischen Höhlengleichnis
Dahinter verbirgt sich ein grundsätzlicher – innerkapitalistischer – Diskurs. Während es da immer noch Leute gibt, die an so was wie die Substanz des Kapitals glauben, und genau diese an die Wirkmächtigkeit eines realen Marktgeschehens gekoppelt sehen wollen (solange Wert verwertet wird, gibt es wohl den Wert), gibt es eben längst auch die, die aufgrund derselben Wirkmächtigkeit des Marktgeschehens das Kapital nur noch als virtuelles Geschehnis erkennen. Es mag dies auch das Thema sein zwischen Konservativen und Liberalen. Die Wahrheit ist wie immer einerseits komplexer, andererseits gar einfacher.

Welcher Wert wird denn da verwertet? Also was wäre denn die Substanz des Werts selber? Wäre das Marktgeschehen noch als ein „reales“ zu bezeichnen? Die einfache Antwort darauf: zunehmend nicht mehr! Dem Kapital selber stellt sich der Unterschied zwischen produktiven und konsumtiven Anteilen, zumindest in seiner Ökonomie nur sehr verschwommen dar. Wann ist etwas ein Produkt, wann die Verkonsumierung desselbigen. Und Geld wird nur zu Kapital, wo Mehrwert enthalten ist, also wo ein Produkt auf den Markt gebracht – und dort erfolgreich veräußert wird.

Was aber ist ein Produkt? Ist der Computerhimmel, genannt Cloud, noch als ein Produkt zu bezeichnen, wo gleichzeitig die Hardware von Millionen Festplatten entwertet wird? Bzw., ist der Mehrwert nur noch die Differenz aus diesem – ja zum Teil negativen – Geschäft?

Zurück zum Thema. Wie bemisst sich der „Mehrwert“ eines journalistischen Produktes? Vorausgesetzt wir bezeichnen es überhaupt als Produkt. Ist also „Meinungsmache“ Teil des Produktionsprozesses, oder verkonsumiert sie diesen?, wäre somit vorab zu klären. Als ein virtuelles Produkt können wir es aber mal stehen lassen.

Ich finde, die Journalisten sollten darauf beharren, dass sie auf jeden Fall virtuelle Produkte liefern und dass sie dementsprechend am Mehrwert dieses Produktes partizipieren. Dies würde vielleicht dahingehend hilfreich sein, als dass die bekanntermaßen Hungerlöhne für Journalisten endlich auf den Index gestellt werden. Sprich: dass Journalisten sich endlich als Geistesarbeiter verstünden. Als geistig arbeitende Proletarier (und nicht als Dienstleistender). Und somit mit dem Kapital um den Mehrwert kämpfen.

Die Tendenz ist eh angesagt. Der Industriearbeiter dürfte bald im Museum zu bewundern sein. Der Geistesarbeiter, der Produzent von virtuellen Gütern ist der zukünftige Proletarier. Allerdings wird nicht mehr nur das Produkt des Geistes verwertet, also definitiv virtuelles, sondern der Geist/das Gehirn selber, also wieder materiales/reales. So gesehen wäre der Geistesarbeiter der Zukunft u. U. zugleich der Techniker am eigenen Kopfe. Im sprichwörtlichen Sinne. Selbst wenn die Geistesarbeit hier immer mehr als Schöpfer von hochwertigen Produkten auftritt, gibt es eine Tendenz, die deren Marktwert gleichzeitig entwertet. Und diese lautet: tendenzieller Fall der Profitrate. Wert, Gebrauchswert, Tauschwert – diese Begriffe verlieren zunehmend an Substanz – an gesellschaftlicher Akzeptanz.

Wir haben wohl eine Menge Journalisten/Geistesarbeiter auf dem Markt. Doch gemessen am Gesamtkapital, resp. am konstanten Kapital in dieser „Szene“ – und mit Szene meine ich die Gesamtszene des Finanzkapitals, was da investiert ist (das Mediengeschäft ist längst mehr Teil des Finanzgeschäftes als der Realwirtschaft, was auch die rückläufigen Anzeigen aus dieser belegen dürfte!) -, sind das Krümelchen auf dem Teller. Das alles bedeutet, dass die Profitrate sinkt. Wie gesagt, immer vorausgesetzt, dass überhaupt reale Werte geschaffen werden. Die Konkurrenz zu den kostenlosen Medien lässt allerdings darauf schließen, dass das Kapital dazu neigt, journalistische Arbeit als Kostenfaktor zu sehen, als im Preis des Computers z.B. inbegriffen. Auch das lässt tief blicken in Hinblick auf die dortigen Profitraten. Profite werden überhaupt nur realisiert, weil in immer kürzeren Abständen, aber immer billigere Hardware gekauft wird. In diesem Geschehen wäre der Journalist wohl Teil der realen Produktion, aber dort als Kostenfaktor, den es zu drosseln gilt. Den Unterschied zwischen Konsument und Produzent sehen wir auch verschwinden lassend. Wir arbeiten kostenlos, weil es uns ein (geistiges) Bedürfnis ist und weniger eine Notwendigkeit. Auch das greift weit in die Zukunft. Weit über das Kapitalverhältnis hinaus. Und Marx hat auf diesen Aspekt, wenn auch nur indirekt schon hingewiesen. Und zwar in den „Grundrissen“ (Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Marx-Engels-Werke, Bd. 42), wo er über die Arbeit an sich spricht, welche den Menschen schon immer ein Bedürfnis war, in ihrem Stoffwechsel mit der Natur. Und worauf die Kapitalverwertung, resp. auch deren falscher Schein, deren Fetischcharakter, implizit beruht. (Ein interessantes Thema am Rande des „Das Kapital“, ich verweise hier auf die Arbeiten von Dieter Wolf, u.a. in „Zur Methode in Marx’ Kapital unter besonderer Berücksichtigung ihres logisch-systematischen Charakters“, siehe auch: „Die Illusion ins Grenzenlose getrieben“.)

Das sind keine guten Aussichten. Jedenfalls nicht innerhalb des Kapitalismus. Gleich wie man das auch immer beurteilen mag.
Die Antwort darauf liegt wohl außerhalb des Systems. Denn diese Tendenz unterliegt einer größeren – der zum Sozialismus.
Markt, Verwertung des Werts, Eigentum an Produktionsmitteln (an geistigen Gütern!), all das und noch mehr steht längst auf dem historischen Index. Der Geistesarbeiter ist wohl der zukünftige Arbeiter, aber er wird wohl der letzte Arbeiter überhaupt sein. Jenseits davon wird Arbeit wie Arbeitsteilung und demnach auch Klassenteilung Geschichte sein. Und die Texte zum Kapital wird man in zukünftigen Bibliotheken vermutlich zusammen mit den Texten zum platonischen Höhlengleichnis zu sehen bekommen.

Innerkapitalistisch – binnenkapitalistisch – dennoch gespalten
@Michael: Das ist ein Aspekt des Diskurses. Denn China mag neofeudal erscheinen, dennoch ist es Teil der kapitalistischen Weltwirtschaft. Schon mit dem Begriff der „Werkbank“ benennen sie es selbst so. Die Auslagerung der Produktion nach China macht das Verhältnis zwischen China und den USA (zum Beispiel) zu einem binnenwirtschaftlichen Verhältnis. Somit haben wir den innerkapitalistischen, besser gesagt: den binnenkapitalistischen Diskurs. Und genau deswegen kann man mit Zöllen wohl drohen, was die USA ja gemacht haben. Aber Zölle verhängen? Sollen die USA Zölle auf die Produkte ihrer eigenen Firmen erheben? Diese Art von Arbeitsteilung garantiert den Beteiligten den jeweils angemessenen Profit. Die transnationalen Konzerne machen Extraprofite durch die billigen Löhne, resp. durch die Produktivitätsdifferenzen im Verhältnis zu den Weltmarktpreisen, welche sich ja an der jeweils höheren Produktivität orientieren (mit ein Grund für warum so die weltweite Verarmung genau in diesen Ländern befeuert wird, resp. die Spaltung in arm und reich, in Weltmarktkonsumenten und nationalen Konsumenten). Und Länder wie China, die sog. Schwellenländer, kassieren die Wechselkursdifferenz.

Aus der Perspektive des Westens zeigt sich das als Virtualisierung des Kapitals. Denn hier erscheint das Kapital als reines Geldkapital, welches wie Fett auf der Welle jener ominösen „Dienstleistungsgesellschaft“, bzw. des 2. Arbeitsmarktes, schwimmt. Auch das ist Ausdruck einer Spaltung des Konsumenten, ähnlich darin den Schwellenländern. Ein wachsender Markt für Schmuggelware aus China und anderswo ist nur der grasseste Ausdruck von. Der etwas mildere wäre die 1-Euro-Ökonomie (als ideales Gegenstück zum sog. 1-Euro-Job der Arbeitsagenturen). – Eine gespaltene Weltmarktökonomie also auch hier. Wie hoch die Produktivität bei den sog. Billigprodukten ist, entzieht sich unserer genauen Kenntnis. Denn die meisten Produkte stammen aus dunklen Quellen – Kinderarbeit, Sklavenarbeit, ja Raub/Krieg….

Die Hungerlöhne dort wie hier ermöglichen exorbitante Profite, die schließlich alle im Strom des Finanzkapitals münden. Einem Strom, der den Weltmarkt permanent überflutet. Denn die umliegende und solchermaßen streckenweise überkapitalisierte Realökonomie kann diesen Strom nicht mehr aufnehmen. Attraktiv ist es daher, mithilfe dieser Überschwemmung dieser Realökonomie das Kapital zu entziehen. Das ist Raubökonomie auf höchstem Niveau. Das dürfte in etwa so aussehen, wie die Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland. Bis hier ein Kubikmeter Gas angekommen ist, dürften schon 3 auf dem Wege nach hier verkonsumiert sein – durch die dortige Mafia.

Und finanzieren müssen das die Banken. Die Deutsche Bank zum Beispiel. Und die können das auch. Denn sie schwimmen ja genau auf dem Geld, das die Produktion dort eingespart hat. Denn dass das Gas in Russland so billig ist, im Verhältnis zu den Weltmarktpreisen, bedingt die dortige Sklavenarbeit. Das macht sie beide reich – die Mafia und die Banken. Das was also als hohe Kapitalinvestition erscheint, ist mitnichten ein Beleg für eine dementsprechende Produktivität, sondern einfach nur ein Indiz für das viele Geld, das keine produktive Anlage findet, dennoch auf dem Weg nach dort versickert. Auf diesem Niveau zeigt sich die Virtualisierung des Kapitals recht eigentlich auch als Entkapitalisierung. – Als Autokannibalisierung, wie Robert Kurz jetzt sagen würde.

Ein anderer Aspekt ist, dass die transnationalen Firmen, die ja recht eigentlich für den Weltmarkt produzieren, für die heimischen Märkte in den Schwellenländern, ihre eigenen Produkte kopieren. Raubkopien anfertigen. So gibt es gewisse Turnschuhe in der B-Version zum Beispiel für den chinesischen Markt. Vom gleichen transnationalen Hersteller, vermutlich von vergleichbarer Qualität. Das transnationale Unternehmen tut dann halt so, als wäre es ein einheimisches, ein nationales Unternehmen. Belastet wird ein solchermaßen dann gespaltener Weltmarkt nur, wenn diese Ware auf den Weltmärkten als Schmuggelware erscheint. Theoretisch müssten darauf dann Zölle erhoben werden. Doch Vernichtung scheint das bessere Verfahren zu sein. Ein zweifelhaftes Unternehmen – ökonomisch betrachtet. Der Preis für die Ideologie vielleicht. Denn wer will schon zugeben, dass er dieselbe Ware billiger anbieten könnte. Ist doch der Preis der Arbeit in beiden Fällen der gleiche.

faz.net/blogs/formfrei/archive/2011/09/20/freibier-kennt-keine-konkurrenz-eine-replik-auf-stefan-niggemeier

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