Die Berliner Demonstration und die Freiheit

Folgenden Kommentar habe ich in und zu Kaysolokowskys „Abfall aus der Warenwelt“ verfasst. Ein von mir sehr geschätztes Blog. Es geht um die Haltung zur, resp. Kritik an dem Berliner „Tag der Freiheit“, wie die Massendemonstration am 1.8.2020 sich selbst betitelte. Im Gegensatz zu Kay Solokowsky halte ich diese Demonstration für nicht rechtsradikal gesteuert oder unterwandert. Allerdings auch nicht für eine linke, resp. revolutionäre Massendemonstration. Allerdings für eine Massendemonstration, von der keine Gefahr für die Demokratie ausgeht. Dann schon eher von den Hysterikern, offiziellen Demagogen wie der sich nun völlig desavouiert habenden linksliberalen Mischpoke, einschließlich dessen opportunistischen Wurmfortsatzes innerhalb der sich revolutionär verstehen wollenden „alternativen“, resp. kleinbürgerlichen Sektierer.

„In einem möchte ich Ihnen doch widersprechen: Die Freizügigkeit ist für viele das Maß der Freiheit. Das galt zum Beispiel für das ehemalige DDR-Volk. Die Freiheit, und das wissen wir jetzt aus dieser Geschichte, kann im Kontext der Einschränkung der Freizügigkeit sehr wohl gefährdet sein. Daher ist die agitatorische Zuspitzung auf „Freiheit“ durchaus sinnvoll. Eine ganz andere Frage ist natürlich, was Freiheit im philosophischen Sinne meint. Wo ja selbst Karl Marx und Rosa Luxemburg für die revolutionäre Linke zwei sich recht eigentlich widersprechende Definitionen vorlegen: Einmal ist es die Einsicht in die Notwendigkeit (Marx), ein andermal: Die Freiheit der Anderen (Luxemburg). Ob man von den Berliner Demonstranten, ob deren Heterogenität jene Einsicht in die Notwendigkeit einfordern kann oder soll, weiß ich nicht, so wenig wie ich weiß, ob man von deren Kritikern erwarten darf, dass sie die Freiheit der Anderen respektieren. Vom Standpunkt der Massen aus betrachtet sehe ich darin ein nicht auflösbare Antinomie. Allein schon deshalb, weil es sich hier nicht um „monolithische“ Klassenbewegungen handelt, sondern um spontane Affekte. Doch denke ich nicht, dass die Berliner Freiheitsdemonstranten die einzigen sind, die das vermutlich überhaupt nicht interessiert. Sie dürften weder Strategie und Taktik noch Philosophie im Kopf haben, sondern nur Angst – pure Angst. Wie ihre Gegner. Und diese erzeugt Hass. Im übrigen ist auch dieser Hass, der da offiziell wie medial geschürt wird, ein Indiz dafür, dass es um mehr geht als um Freizügigkeit.“
kaysokolowsky.de/die-grundwerte-des-abendlandes/

Ich verweise auch auf meinen Facebookeintrag hier:

„Ein erstaunlicher Moment. Man schaue sich das bewegte Gesicht des Einsatzleiters an. Zumindest scheint er stark beeindruckt, um nicht zu sagen: irritiert gewesen. Da sind alle Stimmungen drin: Von Demut bis Wut. Allerdings sollte man sich keine all zu optimistischen Hoffnungen in Bezug auf die deutsche Polizei als solche machen. Diese Bewegung ist natürlich so diffus wie die Kritik an der Pandemie, deren Beurteilung und insbesondere Bekämpfung. Noch erscheint die herrschende Klasse weniger gespalten als die Masse. Allerdings vollzieht sich vor unser aller Augen eine ultimative Krise des Kapitals, der allerdings keine adäquate revolutionäre Kraft gegenübersteht. Zumal das „Klassenbewusstsein“ der in sich völlig zersetzten Linke völlig überfordert scheint und wobei dieses, wenn es sich nicht endlich vor dem Klasseninstinkt der Massen erhebt, und zwar in der Form der selbstständigen proletarischen Klassenlinie, sich restlos blamiert. Wir erleben im Moment wie der Klassenstaat sich zersetzt, doch eben auch die Klassenlinie. Das erzeugt dieses merkwürdige Patt zwischen den Klassen. Diese hochexplosive Mischung aus an sich antagonistischen Strömungen. Eine zugleich darin hochspannende historische Situation. Aber nicht unbedingt nicht neu in der Vorgeschichte von Revolutionen. Ohne den Pöbel wäre die französische Revolution nie möglich geworden, wenn auch dann in dem aufgewühlten Blut nicht so dramatisch versoffen. Auch die russische Revolution 1917 hätte vermutlich nie stattgefunden, ohne den Hungermarsch zum Winterpalais des Zaren, 1905, der noch voll im Geiste der Kirche sich bewegt habenden Massen stattfand. Alles treibt auf ein Chaos zu, das die Barbarei wie den Sozialismus gleichermaßen im Schoss trägt. Vielleicht gebiert es aber auch einen Zombie aus beiden. Eine Art idiotisch anmutende Übergangsherrschaft. Eine Idiotendoppelherrschaft. In den gleichen Farben wie eben solche Massenbewegungen. Doch warum auch nicht, solange der „Konsumidiot“ noch nicht zur Besinnung gekommen ist. Doch letztlich hängt alles davon ab, ob eine Avantgarde sich nicht dünkelhaft über solche Bewegungen zu erheben sucht, wie es aktuell aber leider scheint.“

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