Ständig teilhabend an den Diskursen Aller

Ständig teilhabend an den Diskursen Aller
Kann man insbesondere das menschliche Gehirn als eine, zugegebenermaßen sehr komplexe, Ansammlung von wechselwirkenden Molekülen verstehen?

Die Welt ist allein deswegen nicht allein physikalisch zu erfahren, da der Erfahrende ihr etwas zugibt, was eben nicht physikalischer Natur ist. In der Erscheinung ist die Welt gewissermaßen gedoppelt. Allerdings nur für den, der diese Erscheinungen hat. Und der der sie nicht hat, der sieht nichts. Der Mensch nämlich (von unseren Mitkreaturen wissen wir nicht genug, um zu wissen, wieweit sie wissen) ist das Wesen, das das Objekt zum Subjekt macht und damit sich selbst zum Objekt seiner Betrachtung.

Doch sieht er die Welt als Objekt nicht vollständig (sieht sich dabei quasi gar nicht). Gespensterhaft nimmt er wahr. Nicht wirklich (qualitativ) besser als Ihre Ruxandra. So muss er den Rest hinzufügen. Doch wenn auch alles eine Frage der Gehirnleistung ist, ist dieses „Hinzufügen“ doch wesentlich gesellschaftlicher Natur. Letztendlich ein Konstrukt des gesellschaftlich konnotierten Bewusstseins, nicht des individuellen. Allein das ist schon Grund dafür, anzunehmen, dass „die Menschen“ (als die Ansammlung von Individuen) diese Welt sich nicht wirklich teilen. Es sei denn, man anerkennt, dass nur d i e Welt, wie sie von den Menschen – von allen Menschen –zusammengefügt – auf einer mehr oder weniger ideologisch gefärbten Matrix – und solchermaßen sich im gesellschaftlichen „Verkehr“ befindend (ohne dass diese dabei voneinander wissen, daher darf man sich diesen „Verkehr“ nicht wie einen Handel vorstellen) die „Eine“ ist.

Die physikalischen Gesetze ermöglichen uns den Zugang zu einer gespenstigen Welt. Jener Welt vor aller Erscheinung. Auf der niedrigsten Stufe ihrer Wesenhaftigkeit bestenfalls aufgenommen. Als Fraktale-Alghorithmus, welcher sich als Wiederkehr-des-immer-Gleichen beschreiben ließe. Dennoch dabei Wellenbewegungen erzeugend, die den Makrokosmos dem Mikrokosmos entwindet (resp. diesen Makrokosmos dann wieder im Mikrokosmos – als sog. Singularität – verschwinden sieht).

Wo die Wellen sich überschneiden, da entsteht etwas. Da bilden sich „Teilchen“. Da bricht sich die Welle an den Knoten.

Aber schon in der Quantenmechanik begegnen wir dem Phänomen, dass die Wellenstruktur vom Betrachter abhängig scheint. Durch dessen Betrachtung also zusammenfällt.

Schon die physikalische Welt scheint beherrscht von einem betrachtenden Wesen. Von einem Objekt, das sich selber sieht (ohne von sich etwas zu wissen), nämlich sich (und diese Welt) zum ungeteilten Objekt eines „Selbst“ macht. Wir verdoppeln die Welt – ohne davon zu wissen natürlich. Doch durch die Neurowissenschaften wissen wir längst, dass es dieses „Selbst“ nicht gibt, es nur eine Fata Morgana ist. Dennoch ist diese Welt nicht vollständig, ohne des irrealen Produkts eben jener Fata Morgana. Wir glauben an das, was wir sehen (doch könnten wir diese Verdoppelung sehen, würden wir wohl wahnsinnig werden, ähnlich dem Schizophrenen).

Ja selbst das „Nichts“ halten wir für „Etwas“ (beileibe nicht nur der Schizophrene tut das). Nur so veranlassen wir dieses Nichts sich zu vervollständigen. Sich zu Etwas zu machen. Sich zu dem Unsrigen machen zu lassen. Sich aus dem virtuellen in den realen Raum zu begeben. In der Produktionssphäre unseres Bewusstseins. Jenem „notwendig falschem“. Dennoch deshalb nicht weniger realem. So ergibt sich wieder die „eine“ Welt, die definitiv aber mehr ist als die physikalische. Doch niemals weniger als die Summe aller Subjekte. Und genau das zu beschreiben – immer wieder in den wissenschaftlichen Diskurs einfließen zu lassen – das ist Sache der Philosophie. Nicht alleine die ihrige. Doch deren bevorrechtigte Sache. Und dabei ständig teilhabend an den Diskursen Aller.

In den Nebel um Avalon
@Luetzenich: Mit dem Nichts und dem Etwas rennen Sie bei mir offene Türen ein. Ich bin mir völlig bewusst, dass es – zumindest in der physikalischen Welt – mitnichten eine völlige Leere gibt. Dennoch beschreibe ich hier ein Verhältnis wie es wohl eher auf der philosophischen Ebene vorkommt. Das Verhältnis zwischen Wesen und Erscheinung. Ein Verhältnis, wie es sich dem Menschen ganz grundsätzlich darstellt. Also auch und gerade im Bezug zur physikalischen Welt.

Mal meine ich mitnichten Nichts, mal meine ich Nichts, wenn ich von Nichts rede. Etwas ist Etwas nur, wenn es als Erscheinung dingfest zu machen ist. Nur Letzteres scheint mir eindeutig. Und erst in der parallaktischen Verschiebung zwischen diesem „Nichts“ (also dem mitnichten Nichts) und jenem „Nichts“ (dem Nichts in der Erkenntnis) offenbart sich das Wesen“ des betrachteten Dings, als auch das in des Betrachters Wesen selbst bzw. in dessen Begriffe. Aus der Verschiebung dieser solchermaßen gedoppelten Lücken heraus quält sich die Erscheinung. Eine gedoppelte. Strukturelle Lücken in der Sache wie im Begriffe selber verdichten sich in der Erscheinung, aber um sich im selben Moment wieder zu verflüchtigen. Für einen Moment greift er nach der Sache, hält aber doch nur den Begriff von ihr in der Hand. Daher schwimmt er wieder, der Begriff. Der von der Sache, wie vom „Selbst“.

Und ich glaube nicht, dass es mir an Klarheit mangelt, diesbezüglich. Eher an Gottvertrauen, resp. an all zu viel Vertrauen in die offizielle Wissenschaft.
Dem Wissen der Fachleute begegne ich mit Respekt, dennoch falle ich da nicht in Ohnmacht.
Deren Begriffe sind vom selben Holz. Mal erkennen sie die Lücken, die im Ding, mal durchaus auch die in ihrer Erkenntniswelt. Doch beides zusammen bringen sie nur selten auf den Begriff. Es sei denn in ihrem Agnostizismus. Denn ihnen ist die parallaktische Verschiebung ein eben solch Gräuel wie die Dialektik überhaupt. Deren Welt ist nicht selten wahrhaft gespenstisch. So als trieben sie in den Nebel um Avalon.

Diese Klarheit zu schaffen. Das ist Sache der Philosophie. Ihre eigene. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass Ihre semantischen Verschiebungen – sie gefallen mir sehr – auch nur Lücken offenbaren. Parallaktische (Zizek). Also durchaus so etwas wie „mangelnde Klarheit“. Wenn ich Ihrer Definition folge. Doch die einzige Klarheit, die hier einzufordern wäre, ist die bzgl. der Lücken.

Nicht wahr? Immer noch schwimmen wir im Kielwasser unseres geliebten Sokrates.
Tun wir also nicht so, als wüssten wir mehr als wir vorgeben (müssen) zu wissen.
Bei so vielen Lücken darf das bezweifelt werden.

Vom Geschehen zur Erscheinung, Philosophie statt Agnostizismus
Zum Verhältnis von Bedeutung und Wahrheit empfehle ich Zizeks Werk „Die Parallaxe“. So sehr die Differenz bei der Betrachtung der Dinge entstehen mag, liegt sie bereits dennoch schon in den Dingen selber. Erst in der parallaktischen Verschiebung (hin zur Erscheinung der Dinge) werden die Differenzen, als beider „Lücken“, solchermaßen dann gedoppelt, als Erscheinung, die sich da „aus den Lücken quält“ (Zizek) im hegelschen Sinne aufgehoben – als doppelte Negation. Dialektisch gesprochen: Die Identität von Wahrheit und Bedeutung (von Objekt und Subjekt) wird hergestellt und sofort wieder gelöscht. Ein Prozess der niemals abgeschlossen sein wird, ermöglicht keine absolute Identität. Nur so würde ich auch Derrida recht geben. Nicht eben in dem Sinne, dass Bedeutung und Wahrheit niemals zusammenfallen würden. Andernfalls wäre die Epistemologie eine Pseudowissenschaft, pseudophilosophisch.

So stellt der postmoderne Versuch die Bedeutung der Wahrheit gegen zu stellen (analog der Trennung von Sprachphilosophie und Epistemologie) den ersten Schritt dar hin zu einem nicht humanen geistigen Wesen (strikt zu unterscheiden von der Möglichkeit eines posthumanen Wesens, als einen biologischen Mutanten quasi, die allerdings technisch einherginge mit den Versuchen eben um das nicht-humane Wesen; im ersten Fall wären wir das Subjekt, im letzten das Objekt).

Ich hebe das hervor um der„Bedeutung“ der Debatte wegen. Wovon reden wir? Sind wir uns eigentlich im Klaren darüber, dass wir jenem nicht-humanen Wesen das Wort reden, wenn wir gewissen Sprachphilosophen all zu sehr auf den Leim gehen?

Zur Sache hier: Die Philosophie ist keine Metawissenschaft, sondern im besten Falle eine den anderen Wissenschaften zuarbeitende. Parallel gilt dies für die „Sprachphilosophie“. Sie ist entweder Teil der Philosophie, oder sie wäre Teil einer wissenschaftlichen Tendenz hin zu einem neuen eben nicht-mehr-humanen geistigen Wesen. Diese Auseinanderentwicklung wird allerdings durch einen möglicherweise falschen Gegensatz begünstigt: Hier (konservativer) Naturalismus dort (fortschrittlicher) Realismus. Ein Realismus, der sich darin begründet, dass er Intelligenz mit dem Verstand des Informatikers zu begreifen sucht, bleibt im Kern im Naturalismus verhangen und/oder dem Glauben an Gott. (Der Agnostizismus ist daher die Kehrseite des Naturalismus.) Dass der Intelligenz eine Art gesellschaftliche Konvention voraus zu gehen hat, bleibt hier unbelichtet. Aber es bleibt darüber hinaus ungeklärt, wie es dazu kommt, dass ein Wesen in diese Welt tritt, dass dieser Welt erst zur ihrer (Selbst-)Erscheinung verhilft.

Wir müssen uns darüber einig sein, was Intelligenz überhaupt ist. Ist es bereits das, was auch kluge Vögel können, nämlich den Nahrungskonkurrenten gezielt täuschen, oder ist es das Werk einer ganzen Gesellschaft, welche das Geschäft der Täuschung beherrscht und daraus die (wissenschaftliche) Kategorie der Täuschung entwickelt. Also selbst wenn der Vogel sprechen könnte, behaupte ich, wäre ihm der Schritt von 1 zu 2 verwehrt. Solange nämlich, als dass er sich nicht im Mitvogel als Mitsubjekt wahrnimmt (was den Konkurrenten nicht ausschließt). Die Fähigkeit sich wieder zu erkennen, ist für mich der Schlüssel zum humanen. Gehen wir da runter, dann schaffen wir eine Art tierische Intelligenz, gehen wir darüber, dann greifen wir nach „Gott“. Und beide Versuche verlaufen nach strikt naturalistischen Mustern. Im ersten Fall kopieren wir die Natur, im zweiten unsere Hirngespinste.

Was wir nämlich nicht mehr begreifen, ist der Grund für ein Objekt, das sich sein Subjekt schuf. Der Grund also für ein kosmisches Geschehen, das zur Erscheinung wurde. Zur Welterscheinung. Diese Frage, so sehr sie auch eine philosophische ist, muss sich auch der Naturwissenschaftler stellen. (Sie ist längst nicht mehr nur eine philosophische.) Weil sonst sein Bild von dieser Welt nicht vollständig sein kann (oder er diese „Vollständigkeit“ an den Gottesglauben delegiert, nach dem Motto: des Menschen Horizont ist immer beschränkt). Ich erwarte von den damit befassten Wissenschaften, dass sie eine Erklärung dafür geben, wie es zu Spiegelneuronen kommt, die ein (sich-selbst) Wiedererkennen erst möglich machen (vor jeder gesellschaftlichen Konvention, oder natürlich auch, die Möglichkeit besteht rein theoretisch: in Folge jener gesellschaftlichen Konvention) oder eine Erklärung, dass sie diesbezüglich überfordert sind. Vielleicht öffnet Letzteres das Tor für eine Wissenschaft, die sich dann ernsthaft damit befasst. Aber auch hierbei wäre die Philosophie nur eine zuarbeitende Disziplin.

Und eine Philosophie, die da glaubt, sie könne sich frei von den übrigen Wissenschaften bewegen, ist ein Hirngespinst. Und sie ist entweder Scharlatanerie (Esoterik/Glaube) oder/und ein bedeutender wissenschaftlicher Fehlgriff. Und eine Physik, die sich da unabhängig wähnt, von der Philosophie, verfällt dem Agnostizismus.

faz.net/blogs/planckton/archive/2011/08/26/die-kritik-der-reinen-physik-6-die-verschiedenheit-von-grau-und-bunt

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  • Von Du erfährst von mir nichts, außer einem Grinsen! am 29. März 2012 um 20:17 Uhr veröffentlicht

    […] erfährst von mir nichts, außer einem Grinsen! Das Problem ist die Verfälschung der Aussage. Wahrheit und Bedeutung verlieren sich. Nicht selten, dass Leute, die mir Smileys schicken, im Herzen ganz andere Gefühle […]

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